Fußball | Meinung

VfB Stuttgart: Der Streit um die Pöstchen überschattet den sportlichen Erfolg

Stand
Autor/in
Günther Schroth

Präsident Claus Vogt will den Wechsel im Aufsichtsrat der AG nicht akzeptieren. Das löst eine veritable Krise aus – und das ohne jede Not, meint SWR-Sportreporter Günther Schroth.

Man weiß als Beobachter des VfB Stuttgart gar nicht mehr so recht, ob absolute Fassungslosigkeit oder totales Unverständnis die angemessene Reaktion auf das desolate Durcheinander in der Führung des Vereines ist. Das Unverständnis rührt daher, dass man als juristischer Laie fast nicht mehr kapiert, worum sich der Streit beim VfB Stuttgart eigentlich dreht. Die Fassungslosigkeit wiederum rührt daher, dass sich die VfB-Führung in der seit gefühlten Ewigkeiten besten Saison gerade selbst zerlegt.

Anfang der Woche teilte der Verein mit, dass Tanja Gönner als Aufsichtsratsvorsitzende der AG installiert worden sei. Jetzt aber lassen Präsident Claus Vogt und vermeintlich auch der Vereinsbeirat verlauten, dass sie gar nicht daran denken, diese Entscheidung anzuerkennen. Wobei, wie sich mittlerweile herausstellt, wohl längst nicht alle Mitglieder des Vereinsbeirates diese Erklärung unterschrieben haben sollen. Und auch die Präsidiumsmitglieder Christian Riethmüller und Rainer Adrion distanzieren sich jetzt, wie zu hören ist, von Vogts Erklärung und damit auch vom Präsidenten selbst.

VfB: Verein für Beziehungsspielchen

Beim Stuttgarter Verein für Beziehungsspielchen fangen die Streitereien also tatsächlich mal wieder von vorn an. An diesem Punkt war der Verein schon mal, als der damalige Sportvorstand Thomas Hitzlsperger im Dezember 2020 in einem offenen Brief die Führungs-Qualitäten des Präsidenten offen anzweifelte. Diese Zweifel werden jetzt wieder laut. Dabei hat der VfB sportlich derzeit einen Riesenlauf. Das Personal auf und neben der grünen Wiese leistet großartige Arbeit, allen voran Trainer Sebastian Hoeneß, der gerade unter großem Jubel der Fans seinen Vertrag verlängerte. Daneben gibt es aber auch das Personal am grünen Tisch, und da reißen einige Funktionäre gerade alles wieder ein, was die Fußballer zuletzt hingestellt haben.

Während der Bundestrainer Julian Nagelsmann gerade vier VfB Spieler für die Nationalmannschaft nominiert hat, will sich Claus Vogt jetzt doch nicht widerstandslos von seiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender der AG verabschieden. Er verweist dabei auf ein Argument, das bei den Fans des Vereins einen absolut hohen Stellenwert hat. Wörtlich formuliert er die Frage: "Gehört der VfB wirklich noch seinen Mitgliedern?" Und stellt damit gleichzeitig infrage, dass der Beschluss des Aufsichtsrates überhaupt juristisch Gültigkeit habe. Das gelte es jetzt zu prüfen. 

Weiter Kritik am Führungsstil des VfB-Präsidenten Claus Vogt

Seine Gegenwehr allerdings kommt wohl zu spät. Man hat sich in diesem Gremium entschlossen, die Arbeit, so wörtlich, "professionell" zu begleiten – abermals eine klare Kritik am Führungsstil des Präsidenten Claus Vogt. An einer Stelle aber hat Vogt recht: es gibt die mündliche Zusage aus dem Jahr 2017, dass der Präsident des Vereins auch immer dem Aufsichtsrat der AG vorzusitzen habe. Moralisch ist diese Zusage den Mitgliedern des VfB gegenüber verpflichtend. Juristisch allerdings ist sie nicht unbedingt zu halten. Dass Claus Vogt jetzt so massiv gegen die Installierung von Tanja Gönner vorgeht, stürzt den Verein in eine so heftige wie unnötige Krise. Der Streit um Hitzlsperger endete damals damit, dass der den VfB aus freien Stücken verließ. Ähnliches ist von Claus Vogt nicht zu erwarten. Erwartbar aber wäre zumindest, dass er den Wechsel im Machtgefüge des VfB akzeptiert. Denn ja: der Verein gehört den Mitgliedern – nicht aber den Investoren und auch nicht dem Präsidenten Claus Vogt.

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Günther Schroth