Die Unruhe auf Stuttgarts Führungsebene hält an. Die Präsidiumskollegen rücken in einer Stellungnahme von Claus Vogt ab. Der Vorstand wiederum reagiert besorgt und ruft zum "Schulterschluss" auf.
Die Führungsebene gespalten, den Ärger vieler Mitglieder auf sich gezogen, ein jahrelanges Versprechen gebrochen - der Machtkampf beim VfB Stuttgart eskaliert. Hinter den Kulissen wird der Ärger längst nicht mehr ausgetragen. Nach der Abwahl von Präsident Claus Vogt als Aufsichtsratsvorsitzender der Fußball-AG des Klubs gehen der 54-Jährige und der Vereinsbeirat in die Offensive und holen zum Gegenschlag aus.
Gehört der Verein "wirklich noch seinen Mitgliedern?"
Es sind schwere Vorwürfe, die inmitten des sportlichen Höhenflugs in der Bundesliga für Unruhe sorgen. Eine am Dienstag herausgegebene Pressemitteilung, in der Vogts Absetzung mitgeteilt und als Nachfolgerin Tanja Gönner verkündet wurde, sei nicht abgestimmt gewesen, schrieben Vogt und das Gremium am Donnerstag. Zudem wurde der Vorgang in einem Statement als "rechtlich fragwürdig" betitelt und gleichzeitig die Frage aufgeworfen, ob der Verein "wirklich noch seinen Mitgliedern gehöre".
Tags darauf reagierten Vizepräsident Rainer Adrion und Präsidiumsmitglied Christian Riethmüller mit einer Pressemitteilung auf den Vorstoß von Vogt. Sie könnten der Stellungnahme "in dieser Form nicht zustimmen". Das Duo bedauerte, "auf welche Art und Weise die Aufsichtsratssitzung stattgefunden hat, leider war ein Kompromiss nicht möglich".
"Ich möchte als Vizepräsident festhalten, dass ich bis zuletzt argumentativ alles versucht habe, diese Abstimmung zu verhindern. Ich bin der Meinung, dass dieser Zeitdruck nicht nötig war und eine andere Lösung hätte gefunden werden müssen", wird Adrion zitiert.
Vorstand der AG: "Belastung zur Unzeit"
Gute zwei Stunden später folgte die nächste Mitteilung, diesmal vom Vorstand der AG des Fußball-Bundesligisten. "Die aktuelle Situation auf vereinspolitischer Ebene ist für den gesamten Club eine besondere Belastung auf praktisch allen Ebenen und kommt zur Unzeit", hieß es darin.
Der Vorsitzende Alexander Wehrle und seine Vorstandskollegen forderten "den engen Schulterschluss aller" und wollen "mit allen Gremien in einer kompakten Arbeitsgruppe aktiv an der formalen Klärung bestehender Problemstellungen zu zukunftsgerichteten Strukturfragen, insbesondere auch zum Aufsichtsratsvorsitz" arbeiten. Adrion und Riethmüller hatten den Ablauf der Versammlung vom Dienstag, bei der Vogt als Aufsichtsratschef abgewählt und durch Tanja Gönner ersetzt worden war, zuvor bedauert.
2017 hieß es in einem Interview, das in der Ausgliederungsunterlage rund um die außerordentliche Ausgliederungsversammlung veröffentlicht wurde: "Der Präsident des Vereins ist Aufsichtsratsvorsitzender der VfB Stuttgart 1893 AG." Und: "Alle Entscheidungen bleiben in der Hand des VfB Stuttgart 1893 e.V." Das schließe auch die Mitglieder mit ein. Zwar wurden die Schwaben damals noch von Wolfgang Dietrich als Präsident geführt. Doch der nun zunehmend beschädigte Vogt hielt lange an jenen Sätzen fest.
Laut Adrion und Riethmüller habe diese Regelung immer noch Gültigkeit, aber: "Sollte es bei einem aufstrebenden VfB mit ambitionierten sportlichen und wirtschaftlichen Zielen Argumente geben, dies zu ändern oder anzupassen, muss man das mit den Mitgliedern ausführlich diskutieren."
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Fehlende Einbindung der Mitglieder als Kritikpunkt
Der Beschluss von Vogts Abwahl sei, so kritisiert es der Beirat jetzt, eben nicht auf einer Mitgliederversammlung getroffen worden. Stattdessen seien "mit der vermeintlichen Abwahl des e.V.-Präsidenten als Vorsitzender des Aufsichtsrates, des Präsidialausschusses und Leiter der AG-Hauptversammlung ohne jegliche Einbindung der Mitglieder Tatsachen geschaffen" worden.
Dabei steht Vogts Abwahl in direktem Zusammenhang mit einem Wunsch des neuen Investors Porsche, der kürzlich erklärt hatte, auf "einen Neuanfang im Aufsichtsrat mit einem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden, der idealerweise aus dem Kreis der vom e.V. gestellten AR-Mitglieder stammen sollte", zu pochen. Medienberichten zufolge soll Vogt auch zugesichert haben, seinen Posten an der Spitze des Aufsichtsrates bei einem Einstieg von Porsche zu räumen.
Aktive Fanszene übt Kritik
Schon als sich die weitreichende Veränderung angedeutet hatte, drückten die Fans ihren Unmut aus. Im Spiel gegen den 1. FC Union Berlin am vergangenen Freitag hieß auf einem an Porsche-Vorstand Lutz Meschke gerichteten Banner: "Meschke & Co. in die Schranken weisen. Der AR-Vorsitz bleibt beim e.V.-Präsidenten. Präsidium habt ihr uns verkauft? Antworten jetzt!" Auf einem anderen Spruchband stand: "Es bleibt dabei: Der AR-Vorsitz gehört den gewählten Vertretern der Mitglieder." Weitere Unmutsbekundungen sind nicht ausgeschlossen, denn viele dürften sich durch die Entwicklung verraten fühlen.
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Vereinsbeirat und Präsident wurden bereits jetzt deutlich. Sie erkennen eine Verletzung der Spielregeln und hoffen auf eine Prüfung der Sachlage. Zum einen gehe es darum, ob durch die Abwahl Vogts alle Entscheidungen auch weiterhin in der Hand des VfB Stuttgart e.V. bleiben. "Wir glauben: Nein", hieß es in der Mitteilung.
Viele offene Fragen
Zum anderen wurde in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt, dass der Präsident des Vereins auch der Aufsichtsratsvorsitzende der AG sein soll. Dies sei eine "bindende Verpflichtung". Außerdem stehe die Einhaltung der sogenannten 50+1-Regel auf dem Prüfstand. Sie ist dann gewahrt, wenn eine "aktive Gestaltung der Gesellschaft durch den Mutterverein sowie dessen aktiver Einfluss auf die Geschäfte der Spielbetriebsgesellschaft abschließend gesichert werden".
Der Ärger überschattet die sportlichen Leistungen des Champions-League-Anwärters, der am Samstag (18:30 Uhr) im Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim den nächsten Schritt in Richtung Königsklasse machen möchte. Wie es in naher Zukunft in der Vereinsführung weitergeht, dürfte mit ebenso großer Spannung erwartet werden.