Ornithologie

Auf Honigjagd: Seltene Zusammenarbeit zwischen Menschen und Vögeln

Stand
Autor/in
Lena Schmidt

In einigen Regionen Afrikas gehen Menschen zusammen mit Vögeln auf Honigsuche, den sogenannten Honiganzeigern. Die Honigjäger nutzen bestimmte Rufe, um die Tiere anzulocken.

Der Name der "Honeyguides" oder "Honiganzeiger" ist Programm: Die Vögel kooperieren mit Menschen, indem sie ihnen den Weg zu wildem Honig weisen und dafür die Waben futtern, die übrig bleiben.

Diese Zusammenarbeit nennt man Mutualismus und ist zwischen Menschen und wildlebenden Tieren sehr selten. Um das besser zu erforschen, reiste ein britisch-US-amerikanisches Forschungsteam in verschiedene Regionen Afrikas und begleitete das erstaunliche Team auf der Honigjagd.

Die Jäger haben unterschiedliche Rufe, um die Vögel anzulocken. In der Studie zeigten die Forschenden nun: Die Vögel reagieren tatsächlich vor allem auf den regional üblichen Ruf. Sie haben ihn also gelernt.

Indigene Jäger rufen Vögel mit Pfeifton herbei

Die Verbindung zwischen Vogel und Jäger wirkt auf den ersten Blick vielleicht überraschend. Sie könnte aber schon vor Millionen von Jahren entstanden sein. Honig sammeln hat für viele Volksgruppen in Afrika eine lange Tradition.

So zum Beispiel für die Hadza. Sie sind eine der letzten Jäger und Sammler-Ethnien der Welt.

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In der afrikanischen Savanne Tansanias suchen sie im Dickicht aus Dornenbüschen und meterhohen Affenbrotbäumen nach Honig. Die Bienenstöcke verstecken sich oft weit oben in den Bäumen. 

Mit einem besonderen Pfeifton rufen die Hadza-Jäger den Honeyguide herbei. Und auch der Vogel macht mit Zwitschern auf sich aufmerksam. Er fliegt von Baum zu Baum und geleitet die Jäger so zum Ziel.

Die Hadza klettern bei der Jagd nach Honig auf hohe Affenbrotbäume, dort verstecken sich die Bienennester. Das macht die Honigjagd schwierig. Die Vögel leiten sie dorthin. Die Hadza rammen dann Stöcke als Leiterstufen in die Bäume (s. Bild) und klettern hinauf.
Mit einer selbst gebauten Leiter erreichen die Honigjäger die Bienenstöcke.

Teamwork auf der Honigjagd

Auch für die Vögel lohnt sich die Zusammenarbeit: Am Bienenstock angekommen, vertreiben die Honigjäger etwa mit Rauch die Bienen und öffnen die Nester. Nach der Honig-Ernte bleiben Bienenwachs und Bienenbrut übrig – eine Belohnung für die Honiganzeiger, denn hiervon ernähren sich die Vögel. 

Honiganzeiger essen das Bienenwachs, das die Jäger übriglassen. Gemeiner Trick: Manche Honigjäger verbrennen die Reste des Bienenstocks, um die Vögel dazu zu bringen, den Weg zu noch mehr Honig zu weisen.
Honiganzeiger essen das Bienenwachs, das die Jäger übriglassen. Gemeiner Trick: Manche Honigjäger verbrennen die Reste des Bienenstocks, um die Vögel dazu zu bringen, den Weg zu noch mehr Honig zu weisen.

Rufe der Honigjäger klingen regional unterschiedlich

Neben Tansania reiste das Forschungsteam auch nach Mozambik. Hier gehen die Yao auf Honigjagd. Und das klingt noch mal ganz anders. Anstelle zu Pfeifen, nutzen sie ein kräftigeres "brrr-hm".

In beiden Gegenden spielten die Forschenden auf der Honigjagd zum Vergleich die Pfiffe und den gerollten "brrr-hm"-Ton ab. Sowohl in Tansania als auch in Mozambik reagierten die Vögel häufiger auf den Ruf, den sie kennen.

Yao und Hadza haben andere Lebensweisen

Welche Melodie genutzt wird, hat mit der Lebensweise der indigenen Völker zu tun. Die besonderen Rufe werden über Generationen in den Familien weitergegeben. Ausgestattet mit Pfeil und Bogen jagen die Hadza auf ihrer Honigsuche auch andere Wildtiere. Ihre Pfiffe imitieren Vögel und schrecken damit keine andere Beute ab.

Die Yao dagegen möchten Elefanten, Büffel und Löwen von sich fernhalten – sie jagen keine Wildtiere, sondern betreiben eher Landwirtschaft und gehen Fischen.

Das Bild zeigt eine Hadza-Gruppe auf der Jagd. Neben der Honigsuche, jagen sie mit Pfeil und Bogen auch Wildtiere. Der Pfeifton lockt Honiganzeiger an, schreckt andere Tiere aber nicht ab.
Die Hadza jagen während der Honigsuche auch Wildtiere.

Lernprozesse der Vögel müssen noch besser erforscht werden

Die Rufe verraten den Forschenden also viel über die Kultur der Yao und Hadza, aber auch über die Lernprozesse der Vögel.

Anders als ihre menschlichen Partner, lernen sie die speziellen Melodien nicht von ihren Eltern kennen. Die Vögel legen ihre Eier wie ein Kuckuck in fremde Nester. Wie lernen die Honiganzeiger also, auf welche Signale sie achten müssen?

Die Jungvögel schauen sich die Zusammenarbeit mit den Menschen vermutlich von anderen Honiganzeigern ab. So lautet eine Theorie der Forschenden. Es könnte auch sein, dass sie die Belohnung – den Bienenwachs – kognitiv mit den Rufen verknüpfen.

Denn bislang ging man ornithologisch nicht davon aus, dass die Spechtart, zu der die Honiganzeiger gehören, durch das Abschauen und Nachahmen lernen kann. Die Lernprozesse der Vögel müssen also noch genauer untersucht werden.

Tradition der gemeinsamen Jagd nach wildem Honig ist in Gefahr

Doch das ist gar nicht so einfach. Die Honigjagd wird immer seltener. Ein Grund: Zucker und Honig werden häufiger im Supermarkt gekauft. Außerdem sind einige ehemalige Honigjagd-Regionen jetzt Naturschutzgebiete.

Wenn keine Menschen mehr mit den Vögeln kooperieren, stirbt die Tradition aus. Und damit auch die Chance, die seltene Zusammenarbeit noch besser zu erforschen. 

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