Verkehrslärm ist ein echtes Problem – nicht nur für Menschen. Das zeigt nun eine Studie zu Zebrafinken. Forschende wollten herausfinden, wie sie bei Lärm singen lernen.
Auch Kinder lernen bei Verkehrslärm wohl schlechter und sie verstehen schlechter, worüber jemand spricht. Darauf deuten Studien hin. Diesen Zusammenhang wollte das Team um Dr. Henrik Brumm vom Max-Planck-Instituts für Ornithologie auch in seinem Forschungsfeld untersuchen. "Grundsätzlich stimmt es natürlich: Vögel sind Vögel und Menschen sind Menschen", sagt Brumm. Da gebe es natürlich ganz große Unterschiede.
Gleichzeitig sei der Vogelgesang aber eine Art Modell für die Sprachentwicklung beim Menschen, erklärt der Forschungsleiter. "Es gibt nicht viele Tiere, die ihre Vokalisationen – ihre Lautäußerungen – lernen, so wie wir das Sprechen lernen." Die Vögel seien eine Tiergruppe, in der das auch stattfinde.
Zebrafinken wird Verkehrslärm vorgespielt
Ihren Versuch haben die Forschenden mit jungen Zebrafinken durchgeführt. Sie sind leicht zu züchten und ihr Gesang ist gut erforscht. Die Wissenschaftler:innen teilten die Zebrafinken in zwei Gruppen auf. Beiden Gruppen wurde der Gesang von älteren Artgenossen vorgespielt, nur einer Gruppe zusätzlich Verkehrslärm. Diesen habe sein Team an stark befahrenen Münchner Straßen aufgenommen, so Brumm. Aber ganz bewusst in Habitaten, in denen auch Vögel vorkämen. Der Versuch sollte möglichst realistisch sein.
Das Ergebnis: Wuchsen die Zebrafinken mit Verkehrslärm auf, konnten sie erst nach längerer Zeit singen. Außerdem machten sie Fehler. "Manche Vögel haben kürzeren Gesang produziert. Das heißt, sie haben weniger einzelne Noten kopiert", sagt Brumm. "Andere haben die Reihenfolge der Noten durcheinandergebracht. Einige haben auch nur ganz wenige Noten kopiert und sich dann selber welche ausgedacht."
Stress ist verantwortlich für Lernschwierigkeiten
Die Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass der Straßenlärm bei den Zebrafinken chronischen Stress verursacht. Deshalb lernen sie schlechter und machen Fehler. Dafür spricht auch, dass die Zebrafinken, denen Verkehrslärm vorgespielt wurde, ein schwächeres Immunsystem hatten als die der Kontrollgruppe – ein typisches Anzeichen für Stress.
Unklar ist, ob Verkehrslärm den Vogelgesang dauerhaft verändern kann. Langfristig sei es durchaus vorstellbar, dass sich die Fehler von Generation zu Generation aufsummierten, sagt Brumm. Die Vögel müssten den Gesang schließlich immer wieder neu lernen.
Vögel könnten sich nicht mehr paaren
Dagegen spricht, dass die Zebrafinken zwischen Stadt und Land hin und her fliegen können. Außerdem hat der Gesang eine wichtige Funktion: Männchen locken damit Weibchen an. Wenn sich die Geschlechter nicht mehr verstehen, können sie sich auch nicht vermehren. Es bekommen also nur die Zebrafinken Nachkommen, die fehlerfrei singen oder den Gesang verstehen können – natürliche Selektion.
Brumm und seine Kollegen wollen weiterforschen. Derzeit arbeiten sie an einer Studie, in der sie untersuchen, ob Verkehrslärm in der Nacht zu Schlafstörungen bei Vögeln führt. "Wir wollen wissen, ob sie weniger schlafen und weniger gut schlafen und welche Effekte das dann auf ihre Physiologie und auf ihre Gesundheit hat", sagt Brumm. Auch diese Fragen stellen sich beim Menschen.
Biologie Wie können Vögel so laut und durchgehend singen?
Vögel haben zusätzlich zur Lunge sogenannte Luftsäcke. Damit können sie unabhängig voneinander atmen und singen. Auch die Größe des Vogels hat nichts mit seiner Lautstärke zu tun. Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.