Dass der Klimawandel unsere Erde verändert, ist schon lange kein Geheimnis mehr. US-Forschende haben entdeckt, dass der Klimawandel sich auch auf unsere Zeitmessung auswirken kann.
Die Folgen des Klimawandels sind uns allen nur allzu bewusst: Naturkatastrophen, Extremwetterlagen und sogar das Aussterben ganzer Arten. Doch eins ist neu: der Klimawandel kann sich auch auf unsere Zeitmessung auswirken. Grund dafür ist die verstärkte Eisschmelze in Grönland und der Antarktis, die dafür sorgt, dass die Erdrotation verlangsamt wird.
Wie funktioniert unsere Zeit überhaupt?
Maßgeblich für die Zeitangaben überall auf der Welt ist die koordinierte Weltzeit, auch Coordinated Universial Time - kurz UTC - genannt. Ihre Grundlage bilden Messwerte von über 600 weltweit verteilten und miteinander verbundenen Atomuhren.
Auf Basis der Mitteilungen dieser Atomuhren wird im Internationalen Büro für Maß und Gewicht in Paris die internationale Atomzeit berechnet. Sie gibt das Tempo an, mit dem die Sekunden der koordinierten Weltzeit verstreichen.
Welche Sekunde gerade läuft, hängt allerdings nicht nur von Atomuhren ab. Auch die Erdrotation hat Einfluss auf unsere Uhren. Eben diese hat sich nun in den letzten Jahrzehnten durch Einfluss des Mondes, des Erdkerns und Prozesse an der Erdoberfläche verlangsamt. Die Tage wurden immer länger.
Damit die internationale Richtzeit nicht immer weiter vom planetaren 24-Stunden-Tag abweicht, wurden seit 1972 immer wieder sogenannte Schaltsekunden eingefügt, sobald die Abweichung mehr als 0,9 Sekunden betrug. In der Silvesternacht oder in der Jahresmitte wurde dann eine zusätzliche Sekunde eingeschoben.
Das Problem der negativen Schaltsekunde
Seit 2016 hat sich dieser langfristige Trend nun umgekehrt: Die Erdrotation beschleunigt sich und eilt dem Takt der Welt Uhr inzwischen leicht voraus. Eine neu veröffentlichte Studie zeigt, dass bei einem Anhalten dieses Trends eine negative Schaltsekunde nötig werden könnte. Die Uhr würde in der Silvesternacht dann von 23:59 Uhr und 58 Sekunden direkt auf 00:00 Uhr springen.
Indem kurz vor Mitternacht eine Sekunde übersprungen wird, fällt eine „überschüssige“ Sekunde weg. Warum das ein Problem ist, erklärt der Autor der Studie, Duncan Agnew, in seinem Artikel wie folgt:
Laut dem Geophysiker wäre eine solche negative Schaltsekunde ein absolutes Novum und komme nicht ohne Probleme daher. Viele Software-Systeme weltweit haben inzwischen zwar „gelernt“, zusätzliche Sekunden zu akzeptieren. Allerdings erlauben wenige, wenn überhaupt welche, das Ausfallen einer Sekunde.
Um festzustellen, wann der Zeitpunkt, zu dem eine negative Schaltsekunde fällig wäre, eintreffen kann, hat Agnew in seiner Studie nochmals alle Einflussfaktoren auf die Erdrotation und ihre Entwicklung in der Vergangenheit analysiert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass zwei der Faktoren, welche die Erdrotation mitbestimmen, gleichgeblieben sind: Mondanziehung und Erdkruste wirken weiterhin bremsend.
Der Einfluss des Erdkerns dagegen hat sich verändert. Sein eigener Drehimpuls hat seit 1972 konstant abgenommen. Die Abnahme der Drehgeschwindigkeit des flüssigen Erdkerns führt paradoxerweise zu einer Beschleunigung der Rotation der festen äußeren Erdschichten.
Hält dieser Trend an, so würde die Erdrotation immer schneller, so Agnew. Im Extremfall würde die negative Schaltsekunde dann im Jahr 2026 fällig, denn Weltzeit und Erdrotation könnten bis dahin um eine ganze Sekunde auseinandergedriftet sein.
Studie: Erdkern dreht sich langsamer
Der Klimawandel verspricht Rettung? ... Fast!
Wer hätte es gedacht: In dieser Hinsicht hat die Erderwärmung wohl einmal einen positiven Effekt. Denn durch vermehrte Eisschmelze in den Polgebieten kommt es zu einer globalen Verlagerung der Masseschwerpunkte. Zuvor an den Polen konzentrierte Eismasse verteilt sich als Schmelzwasser in den Weltmeeren.
Agnews neuste Berechnungen zeigen nun, dass der darauffolgende Anstieg des Meeresspiegels, eine bremsende Wirkung auf die Erdrotation zur Folge hat. Diese Wirkung reicht zwar nicht aus, um die beschleunigte Erdrotation gänzlich zu normalisieren, sie kann den Prozess aber weiter hinauszögern. Den Prognosen zufolge könnte sich der Einsatz einer negativen Schaltsekunde so um ca. drei Jahre verschieben. Sie wäre demnach erst frühestens im Jahr 2029 fällig.
Schluss mit Schaltsekunden?
Was ist nun die Lösung für dieses Problem? Der Klimawandel hält Agnew zufolge den besagten Zeitpunkt um drei Jahre auf, aber was dann? Agnew selbst plädiert für ein generelles Verbot negativer Schaltsekunden. Im Jahr 2022 hat die Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM) beschlossen, das System der Schaltsekunden zu ändern.
Das Online Magazin Scinexx schreibt, dass in Zukunft wohl größere Abweichungen zwischen Weltzeit und Erdrotation geduldet werden. Ein neuer Vorschlag lautet, ab 2035 für rund 100 Jahre keine Schaltsekunden mehr einzufügen. Ob das der Fall sein wird und wie es dann weitergeht, steht auf der Agenda der nächsten Konferenz 2026.
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