Bereits 1979 erschien ein Buch, das Ziele der Fridays for Future-Bewegung vorwegnahm und bis heute hoch aktuell ist: "Das Prinzip Verantwortung" des Philosophen Hans Jonas. Es ist in den frühen 1980er-Jahren ein Bestseller im deutschsprachigen Raum, dann ein Welterfolg.
Der Autor trifft einen Nerv der Zeit. Millionen Menschen sind verunsichert durch bedingungslose Hochtechnisierung, atomare Bedrohung, sauren Regen, Waldsterben und Umweltverschmutzung.
Kritik an Technik und Wirtschaft: Ausbeutung von Ressourcen
Hans Jonas kritisiert Wissenschaft, Technik und Industrie, die für vermeintlichen Fortschritt die Biosphäre zerstören. Und er attackiert die Wirtschaft, die Konsumträume weckt und dabei abkassiert. Würden die Ressourcen der Erde weiter so rücksichtslos ausgebeutet und die Natur zerstört, stehe die Zukunft der gesamten Menschheit auf dem Spiel. Darum müsse man nicht nur für das Hier und Jetzt Verantwortung übernehmen, sondern auch für die Zukunft.
Hans Jonas wird als junger Mann Zionist und emigriert 1933
Hans Jonas wird 1903 in Mönchengladbach geboren und wächst in einer jüdischen Industriellenfamilie auf. Als junger Mann kritisiere er ihre Assimilation. Angesichts des wachsenden deutschen Antisemitismus um 1920 solle man sein Judentum öffentlich leben. Mit 18 wird er Zionist und wirbt für die Gründung eines Staates Israel auf palästinensischem Gebiet.
Jonas studiert unter anderem in Freiburg und Marburg Philosophie. Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kommen, emigriert er nach London und siedelt zwei Jahre später nach Palästina über. Eher ungewöhnlich für einen Philosophen dient er ab 1940 freiwillig als Soldat in der britischen Armee. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterrichtet Jonas Philosophie in Kanada und wird 1955 Professor in New York.
"Das Prinzip Verantwortung" revolutioniert die philosophische Ethik
Mit seinem Buch "Das Prinzip Verantwortung" revolutioniert Jonas die philosophische Ethik in mehrfacher Hinsicht. Jahrhundertelang hatten naturwissenschaftliche Erkenntnisse kaum Bedeutung – für Jonas schon, weil man die moderne Welt sonst nicht verstehen könne. Er verfolgt wissenschaftliche Studien über verschiedenste Arten von Umweltzerstörung und erkennt, dass die Einzelbefunde zusammenhängen – mit der Folge, dass das globale Ökosystem sich dramatisch verändert.
Hans Jonas denkt zeitlich und räumlich weit voraus
Zuvor zielte Ethik auf die Handlungen zwischen Einzelpersonen ab, deren Folgen gleich oder in naher Zukunft sichtbar würden. Für Jonas muss Ethik nun auch kollektives Handeln bedenken, dessen Folgen vielleicht erst in ferner Zukunft spürbar werden. Dabei denkt er nicht nur in Jahren oder Jahrzehnten, sondern in viel längeren Zeiträumen. Was man heute tue, könne erst in hundert oder mehr Jahren Konsequenzen haben. Auch räumlich denkt er über die bisherige Ethik hinaus. So belaste etwa der viel zu hohe CO2-Ausstoß reicher westlicher Länder künftig auch Menschen der sogenannten "Dritten Welt".
Furcht kann nach Jonas Erkenntnis und Handeln in Gang setzen
Jonas appelliert als Philosoph natürlich an die Vernunft der Menschen, doch überraschenderweise auch an ihre Furcht. Gäbe es gute und schlechte Prognosen für die Menschheit, entscheide er sich immer für die schlechten, denn Furcht könne Erkenntnis und Handeln in Gang setzen. Er formuliert eine allgemeine Losung, die an den berühmten "kategorischen Imperativ" des Philosophen Immanuel Kant erinnert:
Ehrung und Wirken von Hans Jonas
Mit 84 Jahren erhält Hans Jonas den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In einem Interview betont er, dass die Probleme, die er im Buch zeige, noch lange nicht gelöst seien. Er habe sie theoretisch dargestellt, doch jetzt gehe es darum, sie praktisch anzugehen.
Hans Jonas stirbt am 5. Februar 1993 in New York. Seine Gedanken aus "Das Prinzip Verantwortung" werden heute vor allem von der Klimaethik aufgenommen.
SWR 2020
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