Die NATO-Länder haben in Folge des russischen Kriegs gegen die Ukraine angekündigt, massiv aufzurüsten. Die Sorge vor einem atomaren Weltkrieg ist groß.
Dabei bestand nach dem Ende des Kalten Krieges die Hoffnung, dass die nukleare Abschreckung ausgedient hat: Der Abrüstungs-Vertrag INF von 1987 sollte das Ende der Mittelstreckenraketen besiegeln. US-Präsident Barack Obama sprach gar von "Global Zero", einer nuklearwaffenfreien Welt bis 2030.
Aktuell jedoch scheint Rüstungskontrolle überholt. In Deutschland könnte bald wieder über die Stationierung von Mittelstreckenraketen diskutiert werden.
NATO und Militär
Folgen des Ukraine-Kriegs Zeitenwende in Finnland – NATO statt Neutralität
Beim NATO-Gipfel in Madrid steht der Beitritt Finnlands oben auf der Agenda. Durch die geplante Mitgliedschaft verändert sich das Verhältnis zwischen Finnland und Russland deutlich.
Reihe
75 Jahre Nordatlantikvertrag Neue Aufrüstung (1/3) – Wie die NATO Europa schützen will
Von Andrea Rehmsmeier
Zeitenwende Neue Aufrüstung (2/3) – Wie die Bundeswehr sich für den Ernstfall wappnet
Marode und kaputtgespart – die Bundeswehr gilt nur bedingt als einsatzfähig. Angesichts der russischen Drohungen soll sich das ändern. Landesverteidigung ist wieder wichtig.
Zeitenwende Neue Aufrüstung (3/3) – Wie die Gesellschaft kriegstüchtig werden soll
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wünscht sich einen Mentalitätswechsel bei den Deutschen. Sie sollen "kriegstüchtig" werden. Und tatsächlich: Angesichts des russischen Kriegs floriert die Rüstungsindustrie, die Bundeswehr erfährt eine neue Wertschätzung.
Friedensbewegung
10.10.1981 Friedensdemo in Bonn
10.10.1981 | Rund 300.000 Menschen demonstrieren am 10. Oktober 1981 in Bonn gegen den NATO-Doppelbeschluss. Es ist die bis dahin größte Demonstration in der Geschichte der Bundesrepublik. Am 12. Dezember 1979 hatte die NATO angekündigt, nukleare Mittelstreckenraketen im Westen zu stationieren. Eine Reaktion auf Raketen der Sowjetunion im Osten. Dagegen formiert sich Protest. Große Teile der deutschen Bevölkerung haben Angst vor einer militärischen Eskalation. Die Friedensdemonstration im symbolträchtigen Bonner Hofgarten, in dem 1968 schon eine berühmte Demo gegen die Notstandsgesetze stattgefunden hatte, wird zum Auftakt einer breiten Bewegung und sie bekommt prominente Unterstützung. In Bonn sind an dem Tag unter anderem die Witwe von Martin Luther King. Auf der Bühne singt Harry Belafonte.
10.10.1981 Erhard Eppler – Leitfigur der Friedensbewegung
10.10.1981 | Innerhalb der SPD gehörte Erhard Eppler dem linken Flügel an. Im Grunde dem Flügel, der den Ansichten der 1980 gegründeten Partei der Grünen sehr nahestand.
1. bis 12.9.1983 Friedenscamp protestiert in Mutlangen gegen Pershing-Raketen
1. bis 12.9.1983 | Als Konsequenz des NATO-Doppelbeschlusses und der gescheiterten Abrüstungsgespräche mit Moskau werden auch in Deutschland atomare Mittelstreckenraketen stationiert, neben Bitburg ist die Mutlanger Heide bei Schwäbisch Gmünd als Standort für die Raketen ausgewählt. Im September 1983 wird sie zum zentralen Protestort der Friedensbewegung, die die Stationierung verhindern will. Die Blockade beginnt am 1. September.
Am nächsten Tag geht die Blockade weiter. Bestätigt fühlen sich die Atomwaffengegner durch den Abschuss eines südkoreanischen Flugzeugs durch das sowjetische Militär.
Am 3. September endet das Friedenscamp – zumindest ist es so geplant. Doch es kommt anders.
Eine Reihe von Demonstranten bleibt noch mehr als eine Woche in Mutlangen, bis das Lager am 12. September aufgelöst wird.
Die Proteste in Mutlangen schweißen die Friedensbewegung zusammen – die Stationierung der Pershingraketen können sie nicht verhindern. Die kommen im November 1983 in Mutlangen an. | http://swr.li/mutlangen-friedenscamp
Archivradio-Gespräch Die deutsche Friedensbewegung – Was bleibt vom Pazifismus?
Am 10. Juni 1982 demonstrieren in Bonn eine halbe Million Menschen gegen die NATO. Es ist der Höhepunkt der deutschen Friedensbewegung. Heute ist es ruhiger um sie geworden. Wo stehen deutsche Pazifisten angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine?
Archivradio: mehr Tondokumente
12.12.1979 NATO-Doppelbeschlusss in Brüssel
12.12.1979 | Ende der 1970er-Jahre kommt es zu neuen Spannungen im Kalten Krieg zwischen den Ländern des Warschauer Paktes und den NATO-Staaten. Der Westen fühlt sich durch die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen in Osteuropa bedroht. Am 12. Dezember einigen sich die Außen- und Verteidigungsminister der NATO-Staaten in Brüssel auf den NATO-Doppelbeschluss – eine folgenreiche politische Entscheidung, die bei vielen Menschen die Angst vor einem neuen atomaren Wettrüsten schürt und einer der Treiber wird für die Friedensbewegung der 1980er-Jahre.
12.6. 1987 Ronald Reagan in West-Berlin: "Mr. Gorbatschow, tear down this wall!"
12.6.1987 | US-Präsident Ronald Reagan ist zum Staatsbesuch in der Bundesrepublik. Er besucht West-Berlin und hält vor dem Brandenburger Tor eine Rede. Am Ende fordert er den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbartschow auf, die Mauer abzureißen. Die Rede wird simultan übersetzt.
5.12.1994 Russland garantiert Souveränität der Ukraine – ist aber gegen NATO-Osterweiterung
5.12.1994 | Nach dem Ende der Sowjetunion sortiert sich Osteuropa neu. Dabei gibt es große Themen zu klären: Das eine sind Atomwaffen. Die Ukraine, Belarus und Kasachstan besitzen welche – noch aus der Zeit, als sie zur Sowjetunion gehörten. Die Ukraine ist Anfang der 1990er Jahre faktisch die drittgrößte Atommacht der Welt. So viele Atomstaaten – das halten viele für gefährlich. Deshalb kommt es zu einem Abkommen: Die drei Ex-Sowjetrepubliken verzichten auf Atomwaffen, unterzeichnen also den Atomwaffensperrvertrag. Im Gegenzug verpflichten sich die anderen Vertragsstaaten, vor allem die USA und Russland, die Souveränität dieser drei Länder zu achten. Dieses Abkommen läuft im Völkerrecht unter dem Namen „Budapester Memorandum“ – denn es wurde auf dem Treffen der damaligen KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, heute: OSZE) im Dezember 1994 vereinbart.
In der Berichterstattung spielt es damals allerdings kaum eine Rolle, denn andere Themen beherrschen die Konferenz sind strittiger: Da ist zum einen der Jugoslawienkrieg, der nur wenige hundert Kilometer von Budapest entfernt, zum anderen die von den USA beabsichtigte NATO-Osterweiterung. US-Präsident Bill Clinton wirbt in Budapest dafür, Helmut Kohl unterstützt ihn. Russlands Präsident Boris Jelzin ist dagegen. Er befürchtet, so erklärt er 5. Dezember in Budapest, dass die Nato-Osterweiterung die Demokratie in Russland gefährde. Reporter ist ARD-Korrespondent Michael Herde.
3. bis 5.4.2009 Barack Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt
3. bis 5.4.2009 | Als Ende 2008 Barack Obama zum neuen US-Präsidenten gewählt wird, setzen viele große Hoffnungen in den jungen Charismatiker. Wie sehr er Menschen begeistern kann, zeigt sich auch bei seinem Europa-Besuch Anfang April 2009. Obama ist noch keine drei Monate im Amt und überrascht die Welt mit einem großartig klingenden Plan, den er auf einer Rede vor 4.000 Jugendlichen am 3. April in Straßburg erstmal nur andeutet: Er werde beim EU-USA-Gipfel in Prag Vorschläge für eine Welt ohne Atomwaffen unterbreiten.
Nicht nur die Jugendlichen in Straßburg sind begeistert, auch der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigt sich erfreut über dieses "Signal von großer Tragweite". Endlich sei das Abrüstungsthema wieder auf der Tagesordnung.
Barack Obama reist von Straßburg weiter zum NATO-Gipfel nach Baden-Baden und von dort weiter zum EU-USA-Gipfel nach Prag. Dort führt er seinen Gedanken vor 20.000 Zuschauern noch etwas weiter aus.
Noch im selben Jahr bekommt er für seine Abrüstungsideen den Friedensnobelpreis – von dem später viele sagen werden, dass das viel zu früh war. Denn rückblickend betrachtet war es nicht mehr als ein großes Versprechen: eine charismatische Rede, aus der nichts weiter wurde.