Das Wissen | Archivradio-Gespräch

Die deutsche Friedensbewegung – Was bleibt vom Pazifismus?

Stand
Interview
Sissi Pitzer
Moderator/in
Lukas Meyer-Blankenburg
Lukas Meyer-Blankenburg

Lukas Meyer-Blankenburg im Gespräch mit Sissi Pitzer

Unter dem Motto "Aufstehn! Für den Frieden" gehen am 10. Juni 1982 in Bonn eine halbe Millionen Menschen auf die Straße und protestieren gegen den NATO-Doppelbeschluss. Es ist die wohl berühmteste von mehreren großen Friedensdemonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik.

Das breite Bündnis fordert eine entmilitarisierte Gesellschaft – darunter etliche Promis wie der Schriftsteller Heinrich Böll oder die Theologin Dorothee Sölle.

Mit dem Ende des Kalten Krieges schien auch die deutsche Friedensbewegung am Ende. Das könnte sich mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geändert haben.

Sissi Pitzer war als junge Frau in der Friedensbewegung aktiv und auf den Bonner Friedensdemos dabei. Sie arbeitet in Berlin als Medien- und Politikredakteurin für den Bayerischen Rundfunk.

6.8.1980 Sipri warnt vor drohendem Atomkrieg in Europa

6.8.1980 | 1980, nach dem Scheitern der Abrüstungsverhandlungen zwischen Ost und West, nimmt das atomare Wettrüsten weiter Fahrt auf. Zum 35. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima warnt das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri vor einem drohenden Atomkrieg in Europa.

10.10.1981 Erhard Eppler – Leitfigur der Friedensbewegung

10.10.1981 | Innerhalb der SPD gehörte Erhard Eppler dem linken Flügel an. Im Grunde dem Flügel, der den Ansichten der 1980 gegründeten Partei der Grünen sehr nahestand.

15.6.1983 Heiner Geißler: "Pazifismus hat Auschwitz erst möglich gemacht"

15.6.1983 | "Der Pazifismus der 30er-Jahre – der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben – dieser Pazifismus der 30er-Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht." Mit diesem Satz provozierte der CDU-Politiker Heiner Geißler die Friedensbewegung, die sich gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in der Bundesrepublik stark machte.
Die Diskussion um den gescheiterten NATO-Doppelbeschluss und die Stationierung von Pershings hatte die Friedensbewegung massiv mobilisiert. Friedensbewegte einstige SPD-Anhänger liefen zu den Grünen über, die im März 1983 in den Bundestag einzogen. Sie saßen also erst ein paar Wochen im Parlament, als Heiner Geißler (CDU) diese Rede hielt. Er beginnt mit einer etwas bemühten Begründung, warum ausgerechnet er als Bundesfamilienminister zum NATO-Doppelbeschluss Stellung nimmt. Mehrfach spricht er die grünen Abgeordneten Otto Schily und Joschka Fischer an, die wegen ihrer häufigen Zwischenrufe vom Parlamentspräsidenten Richard Stücklen gerüffelt werden. Etwa ab 00:17:00 kommt Geißler auf den Pazifismus und Auschwitz zu sprechen.

3. bis 5.4.2009 Barack Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt

3. bis 5.4.2009 | Als Ende 2008 Barack Obama zum neuen US-Präsidenten gewählt wird, setzen viele große Hoffnungen in den jungen Charismatiker. Wie sehr er Menschen begeistern kann, zeigt sich auch bei seinem Europa-Besuch Anfang April 2009. Obama ist noch keine drei Monate im Amt und überrascht die Welt mit einem großartig klingenden Plan, den er auf einer Rede vor 4.000 Jugendlichen am 3. April in Straßburg erstmal nur andeutet: Er werde beim EU-USA-Gipfel in Prag Vorschläge für eine Welt ohne Atomwaffen unterbreiten.
Nicht nur die Jugendlichen in Straßburg sind begeistert, auch der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigt sich erfreut über dieses "Signal von großer Tragweite". Endlich sei das Abrüstungsthema wieder auf der Tagesordnung.
Barack Obama reist von Straßburg weiter zum NATO-Gipfel nach Baden-Baden und von dort weiter zum EU-USA-Gipfel nach Prag. Dort führt er seinen Gedanken vor 20.000 Zuschauern noch etwas weiter aus.
Noch im selben Jahr bekommt er für seine Abrüstungsideen den Friedensnobelpreis – von dem später viele sagen werden, dass das viel zu früh war. Denn rückblickend betrachtet war es nicht mehr als ein großes Versprechen: eine charismatische Rede, aus der nichts weiter wurde.