Am 4. April 1949 legten zwölf Staaten per Bündnisvertrag den Grundstein für die NATO – heute der größte und mächtigste Militärblock der Menschheitsgeschichte. Seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ist die Mission Bündnisverteidigung aktueller denn je.
Doch das geopolitische Machtgefüge ist brüchig. Die Präsidentschaftswahlen in den USA werden die künftige NATO-Politik stark beeinflussen. Auch deshalb rüstet Europa auf. Doch neue Waffen und hybride Kriegstechniken bringen unbekannte Risiken, Finanzierungsfragen sind ungeklärt. Und die NATO war oft am stärksten, wenn sie auf Diplomatie setzte.
Reihe
Zeitenwende Neue Aufrüstung (2/3) – Wie die Bundeswehr sich für den Ernstfall wappnet
Marode und kaputtgespart – die Bundeswehr gilt nur bedingt als einsatzfähig. Angesichts der russischen Drohungen soll sich das ändern. Landesverteidigung ist wieder wichtig.
Zeitenwende Neue Aufrüstung (3/3) – Wie die Gesellschaft kriegstüchtig werden soll
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wünscht sich einen Mentalitätswechsel bei den Deutschen. Sie sollen "kriegstüchtig" werden. Und tatsächlich: Angesichts des russischen Kriegs floriert die Rüstungsindustrie, die Bundeswehr erfährt eine neue Wertschätzung.
NATO
Folgen des Ukraine-Kriegs Zeitenwende in Finnland – NATO statt Neutralität
Beim NATO-Gipfel in Madrid steht der Beitritt Finnlands oben auf der Agenda. Durch die geplante Mitgliedschaft verändert sich das Verhältnis zwischen Finnland und Russland deutlich.
Archivradio
9.5.1955 Die Bundesrepublik tritt der NATO bei
9.5.1955 | Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen bald die Spannungen zwischen den USA und den westeuropäischen Ländern auf der einen Seite und der Sowjetunion auf der anderen. Mittendrin das zwischen den Siegermächten aufgeteilte Deutschland, aus dem 1949 zwei eigenständige Staaten entstanden, die Bundesrepublik und die DDR. Ereignisse wie die Berlin-Blockade 1948/1949 führten in Westeuropa zu einem verstärkten Gefühl der Bedrohung durch die Sowjetunion und zum Bedürfnis, die militärisch starken USA als dauerhafte Schutzmacht in Anspruch zu nehmen. Dies war die Grundlage für die Gründung der NATO 1949. Anfangs waren es 12 Mitgliedsstaaten. Die Bundesrepublik Deutschland war noch nicht dabei.
Sie tritt erst 9. Mai 1955 der NATO bei – drei Jahre später als die Türkei und Griechenland. Der NATO-Beitritt ist Bestandteil des sogenannten Pariser Verträge, mit denen das Besatzungsstatut in Westdeutschland beendet wurde. Konrad Adenauer unterzeichnet den NATO-Beitritt in Paris anlässlich der Feierlichkeiten zehn Jahre nach der deutschen Kapitulation. Reporter ist Max Schulze-Vorberg.
5.12.1994 Russland garantiert Souveränität der Ukraine – ist aber gegen NATO-Osterweiterung
5.12.1994 | Nach dem Ende der Sowjetunion sortiert sich Osteuropa neu. Dabei gibt es große Themen zu klären: Das eine sind Atomwaffen. Die Ukraine, Belarus und Kasachstan besitzen welche – noch aus der Zeit, als sie zur Sowjetunion gehörten. Die Ukraine ist Anfang der 1990er Jahre faktisch die drittgrößte Atommacht der Welt. So viele Atomstaaten – das halten viele für gefährlich. Deshalb kommt es zu einem Abkommen: Die drei Ex-Sowjetrepubliken verzichten auf Atomwaffen, unterzeichnen also den Atomwaffensperrvertrag. Im Gegenzug verpflichten sich die anderen Vertragsstaaten, vor allem die USA und Russland, die Souveränität dieser drei Länder zu achten. Dieses Abkommen läuft im Völkerrecht unter dem Namen „Budapester Memorandum“ – denn es wurde auf dem Treffen der damaligen KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, heute: OSZE) im Dezember 1994 vereinbart.
In der Berichterstattung spielt es damals allerdings kaum eine Rolle, denn andere Themen beherrschen die Konferenz sind strittiger: Da ist zum einen der Jugoslawienkrieg, der nur wenige hundert Kilometer von Budapest entfernt, zum anderen die von den USA beabsichtigte NATO-Osterweiterung. US-Präsident Bill Clinton wirbt in Budapest dafür, Helmut Kohl unterstützt ihn. Russlands Präsident Boris Jelzin ist dagegen. Er befürchtet, so erklärt er 5. Dezember in Budapest, dass die Nato-Osterweiterung die Demokratie in Russland gefährde. Reporter ist ARD-Korrespondent Michael Herde.
27.5.1997 Russland stimmt NATO-Osterweiterung zu
27.5.1997 | Nachdem Russlands Präsident Boris Jelzin sich jahrelang gegen die NATO-Osterweiterung gesperrt hat, wächst das Vertrauen zwischen Russland und dem Westen. 1997 gibt Jelzin den Widerstand auf. Am 27. Mai des Jahres kommt es zur NATO-Russland-Grundakte. Darin verpflichten sich beide Seiten, die Souveränität aller Staaten zu achten. Russland erkennt an, dass es kein Vetorecht gegen die NATO-Mitgliedschaft anderer Länder hat. Die NATO erklärt wiederum, dass sie keinen Anlass und nicht die Absicht habe, in den neuen osteuropäischen Staaten Atomwaffen zu stationieren. Russland bekommt außerdem umfangreiche Wirtschaftshilfen. Auch soll Russland eng in die NATO-Planungen eingebunden werden. Moskau und wird in die Gruppe der führenden Industrieländer – bis dahin G7, ab dann G8 – aufgenommen. Die Stimmung bei der Unterzeichnung in Paris ist gut, und Boris Jelzin tritt mit einem großen Versprechen auf, das über das Vereinbarte hinausgeht. Aus dem Elysee-Palast berichtet damals Cai Rienäcker.
28.5.2002 NATO-Russland-Rat gegründet – "Kalter Krieg vorbei"
28.5.2002 | In den 1990er-Jahren haben sich die NATO und Russland immer mehr angenähert. 1997 vereinbarten sie eine engere Partnerschaft. Sie wird noch enger, als beide Seiten Anfang der 2000er-Jahre den islamistischen Terrorismus als immer stärkere gemeinsame Bedrohung wahrnehmen. Nach den Terroranschlägen von 11. September 2001 geht die NATO deshalb einen weiteren Schritt auf Russland zu und vereinbart die Gründung eines NATO-Russland-Rates. Russland solle bei Entscheidungen auf Augenhöhe eingebunden werden.
Am 28. Mai 2002 wird der Vertrag in Rom unterzeichnet. Für Russlands Präsident Wladimir Putin, der erst zwei Jahre im Amt ist, ein großer außenpolitischer Erfolg.
Viele andere Beteiligte äußern die Ansicht, dass damit der Kalte Krieg offiziell besiegelt sei. Sogar über eine künftige EU- oder gar NATO-Mitgliedschaft Russlands wird in diesen Tagen gelegentlich spekuliert.
eporter ist ARD-Korrespondent Gerhard Irmler.