Energiekrise

Die Ölkrise 1973 – Als Energie knapp und politisch wurde

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Rainer Volk
Rainer Volk
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Candy Sauer

Das Öl-Embargo der Araber beschleunigte das Ende des Wirtschaftsbooms im Westen. Die Bundesregierung verhängte Fahrverbote, gab Stromspar-Tipps und überdachte die Energiepolitik.

Die Ölkrise verhalf zudem der Sowjetunion dazu, ein verlässlicher Öl- und Gaslieferant zu werden, die Macht von Drittweltstaaten mit Ölvorkommen wuchs. Energie wurde ein globales politisches Thema.

Wirtschafstboom Anfang der 1970er

Anfang der 1970er boomt die Wirtschaft der großen Industriestaaten. Auch für die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik ist es eine Selbstverständlichkeit, dass es genug Erdöl gibt, damit Fabriken produzieren, Autos fahren und Heizungen warm werden können. In Jahrzehnten, in denen die Wirtschaft fast ununterbrochen gewachsen war, hatten sie Fernseher und Kühlschränke angeschafft. Autos sind auch Statussymbol.

Was war der Auslöser der Ölkrise 1973?

Am 6. Oktober 1973 greifen Truppen aus Ägypten und Syrien Israel an. Es ist der Versönungstag Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag. Da der Westen Israel mit Waffen unterstützt, drohen ihm die arabischen Öl-Förderstaaten, weniger Rohöl zu liefern. Die Deutschen haben Angst vor einem kalten Winter ohne Heizungen.

Bei Kriegsbeginn berufen die Staaten der Organisation der erdölexportierenden Staaten Arabiens (OAPEC) eine Konferenz ein und beschließen ein Ölembargo. Es wird am 17. Oktober 1973 verkündet. Eine Koalition aus sieben arabischen Staaten, darunter Saudi-Arabien und Kuwait, droht den westlichen Industrieländern, die Israel unterstützen, pro Monat fünf Prozent weniger Rohöl zu liefern; so lange bis Israel die im Sechs-Tage-Krieg besetzten Gebiete geräumt hat. Selbst Experten werden überrascht von diesem Schritt.

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Teilnehmer der Konferenz der Erdöl fördernden Staaten am 17. Oktober 1973 in Kuwait. Die Mitglieder der OAPEC (Organisation of Arab Petroleum Exporting Countries) beschließen ein Ölembargo.

Wie reagierte die Bundesregierung?

Der Bundesregierung fehlt es zunächst an Möglichkeiten zu handeln. Die Energiepolitik war bis dahin liberal – den Preis für Benzin, Diesel und Heizöl sollten Angebot und Nachfrage bestimmen, war die Überzeugung. Viele Autofahrer hamstern nach dem angekündigten Boykott an den Tankstellen Sprit in Kanistern.

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Ein Autofahrer hamstert während der Ölkrise im November 1973 an einer Frankfurter Tankstelle Benzinkanister

Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs von der FDP mahnt:

An die Verbraucher ist nach wie vor der Appell zu richten, nicht durch panikartiges Verhalten selbst zu ungerechtfertigten Preissteigerungen beizutragen.

Am 9. November 1973 stimmt der Bundestag mit breiter Mehrheit für das Energiesicherungsgesetz der Bundesregierung. Es ist die Voraussetzung, um Einschränkungen im Handel mit Öl und Kohle zu verfügen, und ermöglicht auch einen Erlass über Fahrverbote für Privatautos. Letzteres erklärt Bundeskanzler Willy Brandt am 24. November 1973 mit dem Bild von der "Fußgängerzone":

Zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges wird sich morgen und an den folgenden Sonntagen vor Weihnachten unser Land in eine Fußgängerzone verwandeln. Die junge Generation erlebt zum ersten Mal, was ein gewisser Mangel bedeuten kann. Aber ich bin überzeugt, die Jungen und die Älteren werden miteinander zeigen, was Solidarität ist und was Erfindergeist bewirken kann.

Das Bild von der Fußgänzerzone, mit dem Willy Brandt die autofreien Sonntage angekündigt hatte, nimmt der Schwäbische Albverein wörtlich: Am 9. Dezember 1973, dem dritten Sonntag mit Fahrverbot, wandert die Gruppe über ein neues Autobahn-Teilstück der Strecke Weinsberg-Möckmühl.
Das Bild von der Fußgänzerzone, mit dem Willy Brandt die autofreien Sonntage angekündigt hatte, nimmt der Schwäbische Albverein wörtlich: Am 9. Dezember 1973, dem dritten Sonntag mit Fahrverbot, wandert die Gruppe über ein neues Autobahn-Teilstück der Strecke Weinsberg-Möckmühl.

Welche Folgen hatte die Ölkrise?

Der Jom-Kippur-Krieg war am 25. November 1973 bereits vorbei. Die Großmächte hatten erfolgreich ihren Druck auf alle Konfliktparteien verstärkt, einen Waffenstillstand abzuschließen. Die USA und die Sowjetunion fürchten nämlich, die Panzerschlachten, Raketen-Einschläge und Maschinengewehr-Salven könnten ihre Entspannungspolitik gefährden. Doch die Waffenruhe beendet das Tauziehen um den Rohöl-Nachschub nicht. Die arabischen Ölförderländer bleiben bei ihrer Forderung, Israel müsse sich auf die Grenzen von 1967 zurückziehen.

Im November 1973 werden weitere Sparbemühungen verkündet. Ein Erlass des Bundeskanzleramts schreibt Beamten und Angestellten in den Bonner Ministerien vor, Dienstfahrten mit Behördenautos nur zu unternehmen, wenn dies nicht mit Bus oder Bahn möglich ist. Auch soll es in den Amtsstuben nicht mehr mollig warm sein. Und mit Zeitungsanzeigen und sogar per Briefmarke animiert die Regierung die Bundesbürger, weniger Kohle und Öl zu verbrauchen.

Minister und Experten sehen die Ölkrise als Warnung: Es war naiv, sich von Potentaten in der arabischen Welt abhängig zu machen; in der Energiepolitik sind Reformen nötig. Die Bundesregierung beschließt einen Plan, der auf einem Mix aus alten und neuen Energiequellen beruht.

Eine weitere Lehre der westlichen Industrieländer aus der Ölkrise lautet: Wir müssen in Energiefragen besser zusammenarbeiten. Im Spätherbst 1973 konnten sich Amerikaner und Europäer nicht auf eine gemeinsame Haltung zu den Drohungen und Boykottankündigungen der Öl-Staaten einigen. Während die USA – trotz des Watergate-Skandals, der bereits schwelt – relativ hart bleiben gegenüber den Golf-Staaten, verzetteln sich Europas Regierungen in nationalen Interessen und Notlagen.

Welche Alternativen wurden in der Energieversorgung entwickelt?

In der Energieversorgung der Bundesrepublik soll der Ausbau der Atomenergie ein Sprung nach vorne sein: Strom gewinnen aus der Spaltung von Uran. Die Angst der Politik vor Energieknappheit sorgt nun für ein Programm, das gewaltig klingt: Insgesamt 40 Atomkraftwerke will die Regierung bauen lassen. Die Proteste gegen diesen Plan werden lange abgebügelt. Über Jahrzehnte hält die Politik an der Atomkraft als Energiequelle fest. Einen endgültigen Ausstieg aus dieser Technik beschließt das Bundeskabinett erst 2011.

Und weil Rohöl aus dem Nahen Osten so teuer wird, lohnen sich nun auch Investitionen in eigene Vorkommen. So zapfen die Europäer Gas- und Ölfelder in der Nordsee an. Und die Bundesrepublik vertraut zunehmend auf Russland als Energie-Lieferant. Deutsche Firmen exportieren Stahlröhren in den Osten, damit Erdgas aus Sibirien zu uns fließen kann.

So entstanden neue Abhängigkeiten. Und Streit um das Gas aus Russland gab es schon vor dem 24. Februar 2022, als Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine startete.

3.12.1971 FDP treibt Umweltschutz voran – in sozialliberaler Koalition

3.12.1971 | "Jeder, der die Umwelt belastet oder sie schädigt, soll für die Kosten aufkommen", erklärt Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, FDP.
Die Grünen gab es 1971 noch nicht. In jenem Jahr ist es die sozialliberale Koalition, also SPD und FDP, die das erste Umweltschutzprogramm in der Bundesrepublik beschließt. Der Vorstoß kommt von der FDP. Einige Wochen zuvor hat sie auf ihrem Freiburger Parteitag für damalige Verhältnisse progressive Thesen, auch zum Umweltschutz verabschiedet. Und sich zum Beispiel für die Internalisierung externer Umweltkosten ausgesprochen. Sprich: Die Umweltschäden sollen bei Verbraucherpreisen berücksichtigt werden. Aus der Forderung wird schnell ein politisches Programm, das am 3. Dezember 1971 bereits im Bundestag diskutiert wird. Zuständig ist der FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher, damals Bundesinnenminister. Neben Genscher hören wir im folgenden Beitrag auch den damaligen CDU-Politiker Herbert Gruhl, der später Mitgründer der Partei „Die Grünen“ wurde. Beim Thema Umweltschutz dachte in der Politik damals übrigens niemand ans Klima, damals geht es vor allem um Müllvermeidung.

12.1.1975 Bürger stimmen mehrheitlich für Atomkraftwerk Wyhl

12.1.1975 | Der Widerstand gegen das geplante Kernkraftwerk Wyhl am Kaiserstuhl gehört zu den Ereignissen, die dazu beigetragen haben, aus einem diffusen Widerstand gegen die Kernenergie eine Bewegung zu machen. Zunächst war das Kraftwerk im nahegelegenen Breisach geplant, 1973 wurde der Standort dann aber nach Wyhl verlegt. Dass der Kraftwerksbau jetzt forciert wird, ist auch eine Folge der Ölkrise. Gerade Baden-Württemberg, das überdurchschnittlich stark vom Öl abhängt, plant eine ganze Reihe von Kraftwerken. Doch gleichzeitig wächst der Widerstand – gerade auch in Wyhl. Die Bürgerinitiativen begründeten ihre Ablehnung gar nicht so sehr mit der Angst vor einem Atomunfall oder dem Austreten von Radioaktivität, sondern eher mit Naturschutzargumenten. Der Rhein könne sich übertrieben aufheizen, der aus den Kühltürmen austretende Wasserdampf zu weniger Sonne und mehr Nebel führen. Man wolle kein zweites Ruhrgebiet am Oberrhein. Viele sehen im Kraftwerk allerdings auch die Chance auf Arbeitsplätze. Am 12. Januar 1975 kommt es zu einem Bürgerentscheid darüber, ob das vorgesehene Grundstück an die Kraftwerksbetreiber verkauft werden sollen. Die Mehrheit stimmt zwar dafür, doch die Gegner sehen sich ebenfalls als Sieger. | Kernenergie

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