Am 30. Juni 1930 räumte die französische Armee die linksrheinischen Gebiete. Die "Schmach" der alliierten Besetzung des Rheinlands und des Ruhrgebiets nach dem Ersten Weltkrieg war damit beendet. Die große „Befreiungsfeier“ wurde live im Radio übertragen. Sie macht hörbar, was das Ereignis damals für die Menschen bedeutete.
Gábor Paál im Gespräch mit der Historikerin Birgit Bernard
Die Situation
Es ist der 1. Juli 1930, kurz nach Mitternacht, in Trier. 12 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg endet die Besetzung des Rheinlandes. Das wurde ausgiebig gefeiert. Mehr als 30.000 Menschen kamen zu dieser „Befreiungsfeier“.
Es war auch rundfunkhistorisch ein besonderes Ereignis. Denn von der Feier gibt es einen dreiviertelstündigen Mitschnitt. Die Aufnahme gehört zu den ersten erhaltenen Außen-Live-Übertragungen der deutschen Rundfunkgeschichte.
Der historische Hintergrund
Der Friedensvertrag von Versailles und das Rheinlandabkommen von 1919 sahen vor, dass die Gebiete links des Rheins von 1920 bis 1935 von den Alliierten besetzt bleiben. Eine vorzeitige Räumung des Besatzungsgebietes wurde jedoch vorbehaltlich der Erfüllung der vertraglichen Pflichten durch das Deutsche Reich in Aussicht gestellt. Da das Deutsche Reich sich Ende 1922 mit Reparationsleistungen, etwa für Kohle und Stahl, in Verzug befand, war zwischenzeitlich auch das Ruhrgebiet besetzt.
Außenminister Gustav Stresemann erreichte in der Konferenz von Locarno im Oktober 1925 ein vorzeitiges Ende von Teilen der Besatzung. Im Gegenzug erkannte das Deutsche Reich im Vertrag von Locarno die Westgrenze – und damit auch den Verzicht auf Elsaß-Lothringen – an. Auch die Nutzung von Rundfunksendern war nun unter bestimmten Bedingungen gestattet.
So räumten die Alliierten am 1. Februar 1926 die erste Besatzungszone, was mit zahlreichen Befreiungsfeiern, unter anderem auf dem Vorplatz des Domes in Köln, gefeiert wurde.
Der Abzug der britischen Truppen aus der zweiten Besatzungszone begann am 14. September 1929, ab Oktober wurden auch die französischen Truppen aus Bad Ems, Idar, Oberstein und vom Brückenkopf Kehl abgezogen. Befreiungsfeierlichkeiten fanden in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember 1929 statt, unter anderem in Koblenz.
Die Räumung auch der dritten Besatzungszone wurde möglich, nachdem Deutschland auch den Young-Plan anerkannte. Darin verpflichtete sich Deutschland zu Reparationszahlungen bis 1988.
Im Mai 1930 begannen die Franzosen mit der Räumung der Pfalz. In der Nacht auf den 1. Juli wurde schließlich mit Trier die letzte Garnison geräumt.
Nur das Saarland musste noch warten. Es stand unter Mandat des Völkerbunds und konnte erst 1935 über seine Zukunft entscheiden. Die Redner auf der Befreiungsfeier in Trier bringen ihre Solidarität mit den Saarländern immer wieder zum Ausdruck.
Die rundfunkgeschichtliche Bedeutung
Zur ausführlichen Originalaufnahme von 1930
Schon die erste Befreiungsfeier in Köln am 31. Januar / 1. Februar 1926 war eine Premiere. Der zuständige Rundfunkkommissar der Reichspost, Hans Bredow (1879 - 1959) gab kurz zuvor den Startschuss zum Experiment einer Live-Übertragung vom Kölner Domplatz gegeben. Die Übertragung erfolgte allerdings nicht reichsweit, und es existieren auch keine Aufnahmen davon. Lediglich eine Rede des Reichspräsidenten von Hindenburg vom 21. März 1926 anlässlich eines Empfangs der Stadt Köln ist erhalten geblieben.
Ab 1929 kamen dann auch Ü-Wagen zum Einsatz, so im Juli 1929 bei einer Reportage vom Nürburgring. Dafür wurde ein alter Bierwagen zum Übertragungswagen umgebaut. Die älteste erhaltene Reportage stammt vom Oktober 1929 – es ist die Reportage Alfred Brauns von der Beerdigung Gustav Stresemanns.
Die Übertragung der Befreiungsfeier in Trier gehört somit ebenfalls zu den ältesten erhaltenen Live-Übertragungen. Und sie ist mit fast 45 Minuten ungewöhnlich lang. Reporter Bernhard Ernst gehört wie Alfred Braun zu den bedeutendsten Reportern des frühen Rundfunks.
Der Reporter: Bernhard Ernst
„Bernhard Ernst war einer der profiliertesten Reporter der Weimarer Republik, neben Alfred Braun und Paul Laven. Er war ein Urgestein des Westdeutschen Rundfunks“, sagt die Historikerin und ehemalige WDR-Archiv-Redakteurin Birgit Bernard. „Er war Reporter im Zeitgeschehen, aber auch ein sehr beliebter Sportreporter, schon seit 1926.“
Ernst war auch in der NS-Zeit und bis 1958 im frühen bundesdeutschen Rundfunk aktiv. Birgit Bernard kennt viele seiner Berichte: „Bemerkenswert finde ich, dass Ernst schon sehr früh einen sehr sachlichen Reportagestil gepflegt hat. Das war nicht unbedingt üblich, wir haben im frühen Rundfunk ein hohes Maß an Pathos.
Es gibt eine Aufnahme mit Bernhard Ernst bei der Begrüßung des ersten NS-Intendanten durch Goebbels. Da ist seine Reportage so knochentrocken wie sie nur sein kann. Er zieht sich auf absolute Sachlichkeit zurück.“ Anders bei dieser Reportage von der „Befreiungsfeier“, die ihn hörbar auch selbst emotional bewegt.
1.7.1930 Ende der Rheinland-Besetzung: "Befreiungsfeier" in Trier – Ü-Wagen-Reportage
Am 1. Juli 1930 endete die Besatzung des Rheinlandes durch die französische Armee. 12 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Es war eine Riesenfeier in Trier. Vermutlich mehr als 30.000 Besucher kamen nach Trier um pünktlich um Mitternacht den Abzug der Franzosen zu feiern. Von dieser Feier existiert eine frühe Rundfunkaufnahme – eine der ältesten erhaltenen Ü-Wagen-Außenübertragungen. Es gibt ein Feuerwerk, es wird gesungen und es werden Reden gehalten. Alle bringen ihre Solidarität mit dem Saarland zum Ausdruck – denn das Saarland stand zu diesem Zeitpunkt noch unter dem Mandat des Völkerbunds. Der Reporter ist Bernhard Ernst – einer der großen Reporter des frühen Rundfunks. Verglichen mit anderen Beiträgen aus dieser frühen Zeit ist diese Aufnahme außergewöhnlich lang, fast 45 Minuten. Hintergrundinformationen zu der Befreiungsfeier in Trier und der Rundfunkaufnahme finden Sie unter archivradio.de
21.3.1926 Hindenburg zur Räumung der ersten Besatzungszone
21.3.1926 | Nach dem Ersten Weltkrieg sollte das Rheinland eigentlich bis 1935 von den Alliierten besetzt bleiben. Doch Außenminister Gustav Stresemann erzielt im Vertrag von Locarno einen Kompromiss. Deutschland erkennt die Westgrenze zu Frankreich und Belgien an – erhebt also auch keine Ansprüche mehr auf Elsass-Lothringen. Dafür endet die Besatzung früher. Die erste Besatzungszone wird 1926 geräumt. In ihr lag auch Köln. In der Nacht zum 1. Februar findet dort die erste einer ganzen Reihe von Befreiungsfeiern statt, die auch im Rundfunk übertragen wurden. Sie ist allerdings nicht erhalten. Es existiert allerdings eine Rede von Reichspräsident Paul von Hindenburg. Er hat sie einige Wochen später am 21. März bei einem Empfang der Stadt Köln gehalten.
Vertrag von Versailles
7.5.1919 Friedensverhandlungen von Versailles
Deutschland habe den Krieg verloren und schwere Verbrechen begangen, trage jedoch nicht die alleinige Schuld am Krieg. So argumentiert der Diplomat Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau, der Deutschland bei den Friedensverhandlungen in Versailles vertritt. Allerdings kann er wenig erreichen. Der Vertrag stellt die alleinige Schuld Deutschlands fest und verpflichtet es zu Gebietsabtretungen und umfangreichen Reparationszahlungen. An jenem Tag weigert sich die deutsche Seite zu unterschreiben. Dies geschieht erst am 28. Juni, als die Siegermächte eine Militärinvasion androhen. Die Rede hat Brockdorff-Rantzau 1920 nachaufgenommen.
23.6.1919 Versailler Vertrag: Reichskanzler Bauer erklärt Zustimmung
23.6.1919 | Reichskanzler Gustav Bauer sieht keine Alternative, als den Vertrag von Versailles zu unterzeichnen. Er wollte erreichen, dass die Anerkennung der deutschen Kriegsschuld aus dem Dokument gestrichen wird – ohne Erfolg. Davon handelt Bauers Rede vor der Nationalversammlung am 23. Juni 1919. "Wir sind wehrlos. Wehrlos ist aber nicht ehrlos."
Rundfunk
9.12.1924 Hans Bredows Bilanz nach dem ersten Rundfunkjahr
9.12.1924 | Ein Jahr nach dem Beginn des Rundfunks in Deutschland zieht Hans Bredow (26.11.1879 - 9.1.1959) im Dezember 1924 eine erste Bilanz. Bredow hatte den Rundfunk vorangetrieben, auch das Wort Rundfunk geht auf ihn zurück. Seit 1921 amtierte er als Staatssekretär für das Telegrafen-, Fernsprech- und Funkwesen – Reichsrundfunkkommissar wurde er auch genannt. In dieser Weihnachtsansprache "an das amerikanische Volk" vergleicht er die Revolution des Rundfunks mit der des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg und ist überzeugt, dass das Radio der Völkerverständigung dienen wird. Die Aufnahme datiert vom 9. Dezember 1924. | 100 Jahre Radio | archivradio.de
6.10.1929 Älteste Radioreportage: Trauerzug für Gustav Stresemann
6.10.1929 | Alfred Braun berichtet von der Trauerfeier für den verstorbenen Außenminister Gustav Stresemann. Es ist die älteste erhaltende Hörfunkreportage. Alfred Braun war einer der ersten, die mit dem legendären Ruf „Achtung Achtung, hier ist Berlin“ über den Äther zu hören waren.