9.12.1924

Hans Bredows Bilanz nach dem ersten Rundfunkjahr

Stand
Autor/in
SWR2 Archivradio
Moderator/in
Gábor Paál
Gábor Paál

Hans Bredow prägt den Begriff "Rundfunk"

Ein Jahr nach dem Beginn des Rundfunks in Deutschland zieht Hans Bredow (26.11.1879 - 9.1.1959) im Dezember 1924 eine erste Bilanz. Bredow hatte den Rundfunk vorangetrieben, auch das Wort Rundfunk geht auf ihn zurück. Seit 1921 amtierte er als Staatssekretär für das Telegrafen-, Fernsprech- und Funkwesen – Reichsrundfunkkommissar wurde er auch genannt.

Bredow vergleicht Rundfunk mit dem Buchdruck

In dieser Weihnachtsansprache "an das amerikanische Volk" vergleicht er die Revolution des Rundfunks mit der des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg und ist überzeugt, dass das Radio der Völkerverständigung dienen wird.

Die Aufnahme datiert vom 9. Dezember 1924.

Transkript der Rede von Hans Bredow

"Unsere Generation lebt in einem Zeitalter von Erfindungen, die tief in die Gestaltung des menschlichen Lebens eingreifen. Der uralte Menschheitskampf gegen die Schranken von Raum und Zeit ist in ein neues Stadium getreten. Während noch vor wenigen Jahrzehnten eine Reise nach Amerika Wochen in Anspruch nahm, haben wir jetzt die überwältigende Tatsache einer Überquerung des Ozeans in 70 Stunden durch den Zeppelin erlebt. Aber eine noch viel gewaltigere Verschiebung der Zeitbegriffe ist im Nachrichtenverkehr vor sich gegangen: Ist es doch mithilfe des Radios möglich geworden, Nachrichten in dem Bruchteil einer Sekunde über die ganze Erde zu verbreiten. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass wir heute die Welt als gemeinsamen Sprechsaal annehmen können, ganz gleich, ob wir Nachbarn sind oder Antipoden. Und die ethischen Aufgaben des Radios krönt als Leitsatz das hohe Ziel: Schafft dem Menschengeist neue Wege!

Radio ist in Deutschland gerade in einer Zeit der tiefsten seelischen und wirtschaftlichen Not wie ein befreiendes Wunder begrüßt worden und wird hier als ein Kulturfaktor betrachtet, dessen Auswirkungen auf das kulturelle, politische und wirtschaftliche Leben nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Zum ersten Mal seit der Erfindung der Buchdruckerkunst durch den Deutschen Gutenberg ist eine neue Möglichkeit geschaffen, geistige Güter gleichzeitig Ungezählten zu übermitteln. Und es ist verständlich, dass der nach geistiger Nahrung hungernde Teil der Menschheit sich in Massen zum Radio drängt.

Radio will in Deutschland keine Sensation sein. Nicht den schlechten Instinkten schmeicheln, sondern das Gute und Edle im Menschen wecken und seine Sehnsucht zur inneren Vervollkommnung stillen.

Als besonders wichtig wird es für die Volksbildung betrachtet. Alle diejenigen, die bisher aus sozialen Gründen oder weil sie weitab von Kulturstätten lebten, den geistigen Dingen des Lebens ferner standen, wird durch Vorträge auf allen Gebieten von Kunst, Technik und Wissenschaft vorwärts geholfen. Jedes Land wird durch Radio zu einem großen Hörsaal, in dem jeder – arm und reich, jung und alt – das hören kann, was ihm Freude macht oder Vorteil bringt. Und dann die Kranken, die Krüppel und Blinden, die vom Leben so hart angefasst sind! Ihnen erschließt sich wieder neues Leben. Sie stehen wieder mitten in der Welt der Geschehnisse, denen sie so lange entrückt waren. Licht und Wärme kommen wieder zu ihnen.

Ein liebes Familienmitglied ist Radio Millionen von Menschen geworden, denn es verbreitet Freude und Anregung um sich. Es wird zum Mittelpunkt neuer Interessen."

22.12.1920 / 21.3.1952 "Ur-Sendung" des deutschen Rundfunks: Das Weihnachtskonzert von 1920

22.12.1920 / 21.3.1952 | Ein wichtiges Datum der frühen Rundfunkgeschichte ist der 22. Dezember 1920. Erstmals wird ein Rundfunkkonzert gesendet, von der Station Königs Wusterhausen südöstlich von Berlin. Initiator war der Techniker Erich Schwarzkopf, der bei diesem Konzert auch Geige spielt und das Programm ansagt.
Diese Ansage ist eine Nachaufnahme, die Erich Schwarzkopf später noch einmal eingesprochen hat. Es war auch noch kein regulärer, offizieller Rundfunkbetrieb; der begann erst im Oktober 1923. Aber es war schon eine Radiosendung.
In Königs Wusterhausen entstand noch vor dem Ersten Weltkrieg eine Militärfunkstation der Obersten Heeresleitung (OHL). Der Bau begann 1913, in Betrieb ging sie 1915.
Nach dem Krieg 1919 machen die Alliierten die Station zum Eigentum der Reichspost unter Ministerialdirektor Hans Bredow. Die Station wird vor allem dazu genutzt, Pressemeldungen zu telegrafieren, an Schiffe und ins Ausland. Gefunkt wurden also Morsezeichen, die in den rund 80 Empfangsstationen erstmal wieder in Texte umgewandelt werden mussten. Hans Bredow gab den Auftrag, das zu ändern. Aus der Funktelegrafie soll Funktelefonie werden – Sprache soll also direkt übertragen werden.
In der Station gab es einen Lichtbogensender, mit dem die Beamten in Königs Wusterhausen 1920 herumexperimentierten. Und hier setzt auch das Interview an, das Erich Schwarzkopf am 21. März 1952 gibt und in dem er erzählt, wie es zum ersten Rundfunkkonzert kam.
Im deutschen Reich war es nicht erlaubt, ohne Genehmigung Rundfunk zu empfangen. Begeisterte Resonanz kam deshalb vor allem aus dem Ausland.
Auch nach dem offiziellen Start des Rundfunks 1923 sendet Erich Schwarzkopf weiter Konzerte von Königs Wusterhausen. Doch kam es – so stellte er es später dar – zunehmend zu Unstimmigkeiten mit dem Postministerium. Die Folge: Am 24. Januar 1926 wurde das letzte derartige Konzert gesendet – mit folgender Absage:
"... Zum Schluss darf auch ich mich als Sprecher von Königs Wusterhausen verabschieden. Lange Zeit durfte ich von dieser Stelle aus zu Ihnen sprechen, sechs Jahre sind es gewesen. Zunächst nur hin und wieder an den großen Festtagen, die letzten drei Jahre an jedem Sonn- und Feiertag. Am vergangenen Sonntag hab ich Ihnen das letzte "Auf wiedersehen!" zurufen dürfen. Bewahren Sie auch fernerhin der Welle 1300 m die Treue. Ich grüße Sie zum letzten Mal mit treudeutschem Gruß: Deutschland über alles".
Der "treudeutsche Gruß" am Ende der Absage war damals eine durchaus gängige Formel. Und "Deutschland über alles" – die Zeile aus der ersten Strophe des Deutschlandliedes – war in der Weimarer Republik noch Bestandteil der Nationalhymne. | Rundfunkgeschichte

Hans Bredow

21.7.1948 Hans Bredow über die deutsche Rundfunkgeschichte

21.7.1948 | Drei Jahre nach Kriegsende hält Hans Bredow einen Vortrag an einer deutschen Universität. Ausführlich erzählt er, wie der Rundfunk in Deutschland zwischen den Weltkriegen entstanden ist – und welche Lehren sich daraus für den neu aufzubauenden Rundfunk der Nachkriegszeit ergeben. Er betont, dass es eine föderale Struktur braucht, um die kulturelle Vielfalt im Land abzubilden. Dass der Rundfunk nicht von Reklame leben soll. Interessant im folgenden Vortrag ist, dass er die Rundfunksituation in der NS-Zeit praktisch komplett ausklammert. Vielleicht, weil Bredow, der den Rundfunk in der Weimarer Zeit aufgebaut hat, von 1933 bis 1945 selbst buchstäblich außen vor war.
Am Tag der Machtergreifung Hitlers – war er von seinem Amt als Staatssekretär für das Telegrafen-, Fernsprech- und Funkwesen zurückgetreten. 16 Monate verbrachte er in der NS-Zeit im Gefängnis Berlin Moabit. Er wollte in die USA ausreisen, was ihm verweigert wurde. Umso mehr bringt er hier im Vortrag seine Freude zum Ausdruck, nach dem Krieg endlich wieder an einer Universität sprechen zu dürfen. Die einleitende Worte spicht der Medienjournalist und Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Rundfunkkunde Kurt Wagenführ – der später das bis heute bestehende Hans-Bredow-Institut in Hamburg mitbegründet hat. | Rundfunkgeschichte

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