Woge, du Welle! Gerne lauschen wir den Rheintöchtern in Wagners „Rheingold“ und wiegen uns zum Walzertakt der „Schönen blauen Donau“ von Johann Strauss dem Jüngeren. Flüsse sind Lebensadern, an denen die wichtigen Kulturzentren der Welt entstanden sind. Viele Komponisten haben sich mit diesen Wasserstraßen beschäftigt. Wir stellen sieben Flussmusiken vor.
Johann Strauss der Jüngere: An der Elbe, op. 477
Dass Wiegende und selig Dahinschaukelnde der Flüsse hat den Walzerkönig bekanntermaßen zu seinem berühmten Walzer „An der schönen blauen Donau“ inspiriert. Alljährlich dudelt die gerne auch mal als heimliche Nationalhymne Österreichs bezeichnete Melodie durchs Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.
Dabei vergisst man gerne, dass Strauss mit seinem letzten, relativ unbekannten Walzer einem anderen Fluss ein musikalisches Denkmal setzte. Gewidmet ist das Stück aus dem Jahr 1897 der Stadt Dresden und deren Elbpanorama mit Schloss, Hofkirche und Augustusbrücke.
Musikstunde Die Elbe – Flussabwärts von Böhmen bis zur Nordsee (1-5)
Mit Sylvia Roth
Richard Wagner: Siegfrieds Rheinfahrt aus „Götterdämmerung“
Kaum ein Fluss hat die Gemüter von Komponisten wohl so sehr bewegt wie Vater Rhein. Vor allem die Romantiker schwärmten vom Mittelrheintal mit seinen schroffen Bergen und mittelalterlichen Burgen. Man denkt gerne an Robert Schumanns „Rheinische“ Sinfonie Nr. 3 oder an Kunstlieder wie „Im Rhein im schönen Strome“ von Liszt oder Silchers „Loreley-Lied“.
Ungekrönter König der Rheinromantik ist allerdings ohne jeden Zweifel Richard Wagner, der dem Fluss mit dem „Ring des Nibelungen“ ein 16-stündiges Epos widmete. Beginnt die Tetralogie im „Rheingold“ mit den badenden Rheintöchtern, bleibt doch vor allem auch das instrumentale Zwischenspiel in der abschließenden „Götterdämmerung“ in Erinnerung.
Siegfried schippert auf dem Fluss vom Walkürenfelsen seiner geliebten Brünhilde in Richtung der Gibichungen-Halle zu König Gunther. Vier Stunden später ist der Drachentöter tot, Brünnhilde stürzt sich auf seinen Scheiterhaufen und der Rhein tritt über die Ufer und begräbt unter sich das Zeitalter der alten Götter.
Sergej Prokofjew: Die Begegnung von Wolga und Don, op. 130
Aber nun weg von den deutschen Flüssen, hin zum längsten und wasserreichsten Fluss Europas, der 3.530 km langen Wolga. Zur Eröffnung des Wolga-Don-Kanals im Jahr 1952, einem Prestigeprojekt der Sowjetunion unter Stalin, komponiert Sergej Prokojew eine sinfonische Dichtung.
Seine Komposition stellt der Komponist ganz in den Dienst einer glorreichen sowjetischen Idee: „Die Begegnung von Wolga und Don“ mag nicht zu den subtilsten Prokofjew-Werken gehören, ist aber in seiner filmmusikalischen Dramatik nicht minder hörenswert. Es ist das letzte Orchesterwerk des Russen, der ein Jahr später am 5. März, am selben Tag wie Josef Stalin, sterben soll.
Ferde Grofé: Mississippi: A Tone Journey
Die großen Landschaftswunder der USA sind ein zentrales Thema für den Komponisten und Arrangeur Ferde Grofé. Dieser wird einem größeren Publikum bekannt, als er zur Uraufführung am 13. Februar 1924 die „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin orchestriert.
Neben der Mississippi-Suite von 1926 schreibt Grofé auch eine Suite auf den Grand Canyon, den Hudson River, das Death Valley und die Niagarafälle. Die „Klangreise“ entlang des Mississippi startet an der Quelle des Flusses in Minnesota. Weiter geht's mit Impressionen zu Mark Twains „Huckleberry Finn“, einem dritten Satz, der an die Spirituals der Baumwollpflücker erinnert, bis ins Finale mit einer Mardi-Grad-Prozession in New Orleans.
Constant Lambert: The Rio Grande
Nicht minder vom Jazz inspiriert als sein Zeitgenosse Ferde Grofé war der Brite Constant Lambert, Schüler von Ralph Vaughan Williams am Royal College of Music in London. Seine Chorkantate „The Rio Grande“ aus dem Jahr 1927 machte ihn schlagartig bekannt.
Nicht dem Grenzfluss zwischen den USA und Mexiko setzt Lambert hier ein musikalisches Denkmal, sondern dem ihm namensverwandten „großen Fluss“ in Brasilien. Grundlage ist ein Gedicht von Sacheverell Sitwell. George Gershwin, brasilianische Rhythmen, Ragtime und Duke Ellington gehören zu den stärksten Einflüssen für dieses bis heute beliebte 15-minütige Stück.
Xian Xinghai: Der Gelbe Fluß
Von Amerika nach Asien: Der Gelbe Fluss, auf Chinesisch Huang He, ist die große Lebensader in Nordchina und gehört neben dem Jangtse zu den längsten Flüssen der Welt.
Der Komponist Xiang Xinghai vertonte 1939 Gedichte des Autors Guang Weiran, um das Volk zum Widerstand gegen die damalige japanische Besatzung zu mobilisieren. So klingt der Kriegsgeist auch in der bekanntesten Passage klar durch: Baowei Huang He (保卫黄河) – Verteidigt den Gelben Fluss.
Diese ist auch das Finale des auf Xiang Xinghai basierenden Klavierkonzerts, das als Kollektivwerk mehrerer Komponisten inmitten der Kulturrevolution zwischen 1968 und 1969 entstand. Den Auftrag hatte Jiang Qing, die Frau Mao Zedongs, erteilt.
Bedřich Smetana: Die Moldau
Diese Liste wäre einfach nicht komplett ohne „Die Moldau“ (Vlatva), dem zweiten Teil aus Bedřich Smetanas sinfonischem Zyklus „Mein Vaterland“ (Má vlast). Smetana kämpft für die politische Unabhängigkeit Tschechiens und thematisiert deshalb Opern und Orchesterwerke mit dem klaren Anspruch, ein tschechisches Nationalbewusstsein zu schaffen.
So begleiten wir als Hörerinnen und Hörer die Moldau von ihren Quellen über eine Waldjagd und eine Bauernhochzeit zu den St.-Johann-Stromschnellen bis hin zum Vyšehrad, der Prager Hochburg am rechten Moldau-Ufer.
Smetana versucht durch Rückgriffe auf Volksweisen, seiner Moldau-Melodie eine Art universelle Gültigkeit zu verleiheneisen. Deshalb – der kleine Fun Fact sei zum Schluss gestattet – erinnert das berühmte Hauptthema auch an eine Moll-Version des Kinderlieds „Alle meine Entchen“.
Flüsse in der Musik
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