Multimedia-Ausstellung im ZKM

Zwischen Klatsch und Weltgeschichte – Der koreanische Künstler Sung Hwan Kim

Stand
Autor/in
Marie-Dominique Wetzel

Der koreanische Künstler Sung Hwan Kim ist ein Geschichtenerzähler. Er geht Mythen genauso nach wie Klatsch und Horror-Stories. Aber er recherchiert auch zu weltweiten Migrationsgeschichten. Jetzt bekommt er im ZKM Karlsruhe seine erste große Einzelausstellung in Deutschland.

„Drawing Videos“ als Live-Performance

Sung Hwan Kim hat über seine Videokamera ein dünnes Seidentuch und eine Folie gelegt, auf der er zeichnet während er die fantastische Geschichte eines Menschen erzählt, dessen Gesicht aus lauter Augen besteht.

„Drawing Video“ nennt der Künstler diese Arbeit und gibt dabei Einblick in seine Arbeitsweise. Denn hier kommen nicht nur Zeichnung, Video und Erzählkunst zusammen, sondern auch noch Musik – das Ganze ist die Aufzeichnung einer Live-Performance.

Sung Hwan Kim, Hair is a piece of head, 2021, Produktionsstandbild
Sung Hwan Kim, Hair is a piece of head, 2021, Produktionsstandbild

Geschichtenerzählen als Kulturtechnik

„Das gemeinsame Geschichtenerzählen ist eine Technik, die Sun Hwang Kim mit befreundeten Musikern entwickelt hat, als sie zusammen in Amsterdam studiert haben“, erzählt Yolande Zola Zoli van der Heide. „Sie haben damals angefangen, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Liebesgeschichten oder was ihnen ihre Großmütter am Telefon erzählt haben. Daraus haben sich lange Gespräche entwickelt, die oft einen ganzen Film füllten.“

Van der Heide ist Kuratorin am Van Abbemuseum in Eindhoven (Niederlande) und hat die Ausstellung dort zusammen mit Künstler Sung Hwan Kim erarbeitet und gezeigt. Im ZKM Karlsruhe wurde sie dann weiterentwickelt.

Auseinandersetzung mit eigener Familiengeschichte

Sung Hwan Kim interessiert sich dafür, wie Geschichten weitergegeben werden, innerhalb von Familien, unter Freunden, aber auch in Form von Geschichtsschreibung. Da ein Teil seiner eigenen Familie auf Hawaii lebt, hat er sich intensiv mit der Geschichte dieses Inselstaates auseinandergesetzt und mit den Menschen, die Anfang des 20. Jahrhunderts aus seiner Heimat Korea nach Hawaii kamen.

„Sie kamen als Arbeiter auf die Zuckerrohrplantagen. Die USA hatten Hawaii annektiert und brauchten dort billige Arbeitskräfte. Von 1910 bis 1945 wurde Korea dann von den Japanern besetzt. Die Arbeiter konnten also auch nicht zurück“, erklärt der Künstler. „Danach wurde es geteilt – das Land, das sie gekannt hatten, existierte also nicht mehr. Ich wollte herausfinden, was das für ihre Identität bedeutet. Diese Geschichten erzählt sonst kaum jemand.“

Geschichten der ersten koreanischen Migranten auf Hawaii

In einem groß angelegten Projekt erzählt Kim Geschichten dieser ersten koreanischen Migranten auf Hawaii, verknüpft sie aber auch mit anderen Migrations-Geschichten und wirft immer wieder die Fragen auf: Welche Geschichten werden erzählt? Welche verschwinden aus dem kollektiven Gedächtnis? Und aus welcher Perspektive werden sie erzählt?

Das hat ihn auch zu einer intensiven Beschäftigung mit Sprache geführt, denn ob man diese Geschichten auf Englisch oder auf Koreanisch erzählt, verändert viel, sagt der Künstler. Und dann ist da ja auch noch die Perspektive der indigenen Bevölkerung auf Hawaii.

Sung Hwan Kim, Washing Brain and Corn, 2010, Videostandbild
Sung Hwan Kim, Washing Brain and Corn, 2010, Videostandbild

Poesie, Eleganz und Ästhetik

Für ZKM-Chef Alistair Hudson vereint die künstlerische Arbeit von Sung Hwang Kim viele wichtige Aspekte zeitgenössischer Medienkunst: „Es ist diese Art von Poesie, von Eleganz, diese große Ästhetik seiner Arbeiten, die mich fasziniert. Sung Hwan Kim zeigt, dass Medienkunst keine kühle ‚Maschinenkunst‘ sein muss. Und es ist so wichtig, dass er uns neue Perspektiven aufzeigt. Wir müssen lernen, auch andere Sichtweisen zu akzeptieren und einzunehmen und Geschichten von anderen Kulturen kennenzulernen, die wir nicht kannten.“

Die Werke von Sung Hwang Kim sind wie ein eigener Kosmos – mit Bezügen zwischen Realität und Fiktion, Geschichte und Geschichten. Der Künstler hat für jedes seiner Projekte eine eigene Architektur im ZKM gebaut, in denen er die Videos, Zeichnungen und Objekte zeigt. Es braucht Zeit, sich darin zurechtzufinden, aber es lohnt sich!

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Marie-Dominique Wetzel