Die Ausstellung „Die Erfindung des Fremden in der Kunst“ in Heidelberg versucht Europas Begegnungen mit fremden Kulturen epochenübergreifend einzufangen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei darauf, zu zeigen, wie die Künstler durch ihren Blick die Darstellung und dadurch die Auffassung von Fremdem beeinflussen.
Mit der Ausstellung im Kurpfälzischen Museum Heidelberg ist es gelungen, vermeintliche Realitätsdarstellungen fremder Kulturen als Fiktion der Künstler zu entlarven – oder zumindest den Finger in die Wunde zu legen. Denn viele Werke zeigen eine scheinbare Wirklichkeit, die bei genauerer Geschichtsbetrachtung allerdings nicht immer der Realität entspricht.
Gegenwartskunst beschäftigt sich mit dem „weißen Blick“
Auch dass der Blick der Künstler auf das Fremde über die Jahrhunderte einen großen Wandel erfahren hat, kommt zum Ausdruck. Mit bedeutenden und internationalen Leihgaben werden in sechs Kapiteln Werke vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart gezeigt.
Die Darstellungen fremder Kulturen sind in gewisser Weise durch einen sogenannten „weißen Blick“ geprägt, wodurch beispielsweise dem Orient ein bestimmter Stempel aufgedrückt wird, Hierarchien durch die Gestaltung der Körperfarbe geschaffen werden oder Schwarzen Menschen die bloße Rolle des exotisch „Anderen“ zukommt.
Fotografin Maxine Helfman „adelt“ Schwarze Menschen
Die amerikanische Fotografin Maxine Helfman inszenierte 2012 für ihre Tintenstrahldruckserie „Historical Correction“ Menschen im Stil flämischer Portraits. Dadurch, dass sie hierfür ausschließlich People of Color fotografierte, stellt sie das Bild der ständischen Gesellschaft zwischen 1500 und 1700 in Frage und scheint durch ihren heutigen Blick die (Kunst-)Geschichte im Wortsinn korrigieren zu wollen.
Schwarze Menschen sollen in historischem Gewand eine Stimme bekommen und als Identifikationsfiguren wahrgenommen werden. Dies gelingt der Amerikanerin insbesondere durch die Auswahl der Kleidungsstücke, da die breiten, handgefertigten, weißen Spitzenkragen und aufwändigen Kopfbedeckungen von einer ständischen Elite zeugen, von deren Teilhabe Schwarze Menschen im sogenannten „Goldenen Zeitalter“ nur zu träumen vermochten. Eine mögliche Etablierung als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft blieb ihnen so jahrhundertelang verwehrt.
Künstler Peter Uka will Kontrolle über die eigene Geschichte
Mittlerweile steigt das Interesse der Kunstwelt, Lebenswirklichkeiten und Geschichte auch aus dem künstlerischen Blickwinkel Schwarzer Menschen erzählt zu bekommen. So werden etwa bei dem nigerianischen Künstler Peter Uka Schwarze Menschen zum Hauptbestandteil seiner Bilder. Dadurch erscheinen sie als eigenständige, komplexe Individuen und erhalten durch die leuchtenden intensiven Farben eine starke Präsenz.
Uka stellt in den Werken alltägliche Szenen aus seiner nigerianischen Heimat dar und verarbeitet darin fotografische Vorlagen, persönliche Erinnerungen und Erfindungen mit teils verklärtem Blick auf die Realität. Dem Künstler ist es wichtig, die Kontrolle über die eigene Geschichte jenseits von westlichen Kunstnormen und Erzählungen behalten zu können.
Künstlerin Lisl Ponger prangert weißes Herrschaftsdenken an
Die 1947 geborene österreichische Künstlerin Lisl Ponger arbeitet bei ihren Werken mit Klischees und Stereotypen aus kolonialen und imperialen Bildarchiven und verweist satirisch überspitzt auf die Aneignung und Ausbeutung anderer Kulturen. Bei ihrer fotografischen Selbstinszenierung „Gone native“ aus dem Jahr 2000 etwa vereint sie gleich mehrere Kritikpunkte an der sogenannten „weißen“ Darstellung.
Die neben der Künstlerin sitzende, in sich zusammengesunkene, plakativ schwarz angemalte Knabenpuppe soll das Verhältnis Schwarzer Kindersklaven zu ihrer Herrschaft seit der Renaissance darstellen. In der Kunstgeschichte wurden sie hochrangigen Adligen als Gespielinnen oder Dienerschaft beigestellt, um Reichtum und Prestige der weißen Herrschaft zu unterstreichen und so zu exotischen Objekten degradiert.
Der Kontrast der Hautfarbe sollte den Unterschied der Schichten noch verdeutlichen. Um noch plakativer auf ihr Ansinnen, die Mechanismen der Kunstgeschichte zu entlarven, hinzuweisen, verwendet sie als Hintergrund eine Logo-Tapete des Wiener Kaffee-Importeurs Meinl und stellt somit noch einen Bezug zur Konsumkultur des Kolonialismus her.
Künstlerin Gülsün Karamustafa kritisiert Stereotype des Orients
Die 1946 geborene türkische Künstlerin Gülsün Karamustafa beschäftigt sich mit Stereotypen des Orientalismus und kritisiert in ihren Werken insbesondere die Sexualisierung der orientalischen Frau in Bildern des Westens.
Zum Anlass ihrer mehrteiligen Fotoinstallation „Fragmenting/Fragments“ nahm sie Odalisken-Gemälde orientalistischer Maler. Dabei zerschnitt sie die Gemälde und arrangierte sie im Raum, sodass abstrakte Farbornamente entstanden, die die orientalistische Salonmalerei erahnen lassen, das Motiv jedoch zergliedern. Herausgelöst aus dem Kontext soll eine kritische Reflexion mit imperialen Bildklischees ermöglicht werden.
Gespräch „Die Erfindung des Fremden in der Kunst“ – Ausstellung im Kurpfälzischen Museum Heidelberg
Die Ausstellung im Kurpfälzischen Museum Heidelberg beleuchtet die Rolle der Kunst bei der Verbreitung von Klischees und Vorurteilen gegenüber fremden Kulturen.
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