700 Kisten Archivmaterial ausgewertet

Neue Kinodoku über Leni Riefenstahl – Willige Propagandistin der Nazis?

Stand
Interview mit
Andreas Veiel
Das Interview führte
Wilm Hüffer

Als Regisseurin schuf sie ikonographische Bilder. Ihre ideologische Nähe zum NS-Regime hat sie nach dem Zweiten Weltkrieg stets zu leugnen versucht. Leni Riefenstahl hat nur eine Darstellung ihrer Biografie zugelassen: ihre eigene. Der Nachlass einer der umstrittensten Frauen des 20. Jahrhunderts erzählt etwas anderes.

Künstlerin oder Propagandahelferin?

700 Kisten durfte der deutsche Dokumentarfilmer Andreas Veiel aus dem Nachlass von Leni Riefenstahl für seinen neuen Film auswerten. Tausende Bilder, Briefe, Filmschnipsel, Erinnerungsstücke, die die wohl umstrittenste Regisseurin Deutschlands bis zu ihrem Tod 2003 akribisch gesammelt und geordnet hat.

Filmstill
Leni Riefenstahl gilt als eine der umstrittensten Frauen des 20. Jahrhunderts. Hier ist sie im CBC-Interview „Leni Riefenstahl in ihren eigenen Worten“ von 1965 zu sehen. Bild in Detailansicht öffnen
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Riefenstahls ikonografischen Bildwelten von „Triumph des Willens“ und „Olympia“ stehen für perfekt inszenierten Körperkult, für die die Glorifizierung des „Überlegenen“ und „Siegreichen“ und zugleich für die Verachtung des „Schwachen“. Im Bild: Leni Riefenstahl während der Dreharbeiten von „Olympia“ mit Joseph Goebbels und Hermann Göring auf der Tribüne (1936) (aus dem Nachlass) Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Der Film von Andres Veiel arbeitet mit unzähligen Dokumenten aus Riefenstahls Nachlass. Im Bild: Leni Riefenstahl kontrolliert ihr Aussehen für die Aufzeichnung zur dreiteiligen Dokumentation „Speer und er“ von Regisseur Heinrich Breloer (1999). Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Riefenstahls Hang, die Schönheit durchtrainierter Körper zu zelebrieren, beginnt nicht erst in den 1930er Jahren. Riefenstahl müsse vielleicht als „Prototyp für den Faschismus“ betrachtet werden, so Veiel, denn ihre „extrem harte preußische Erziehung“, war offenbar „etwas Generationstypisches“. Im Bild: Riefenstahl in dem Dokufilm „Die Macht der Bilder: Leni Riefenstahl“ von Ray Müller (1993). Bild in Detailansicht öffnen
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„Mit den Bildern aus „Triumph des Willens“ beschreibt sie sich selbst“, heißt es im Presseheft zum Film. Im Bild: Joseph Goebbels (Reichsminister für Volksaufklärung) zu Besuch bei Leni Riefenstahl in ihrer Villa in Berlin-Dahlem (1937) Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Ihre strikte Leugnung, die Wechselwirkung ihrer Kunst mit dem Terror des Regimes nach dem Krieg anzuerkennen, ist mehr als nur eine abgewehrte Schuld: Der Film zeigt persönliche Dokumente, in denen sie ihren „gemordeten Idealen“ nachtrauert. Im Bild: Leni Riefenstahl im CBC-Interview „Leni Riefenstahl in ihren eigenen Worten“ von 1965. Bild in Detailansicht öffnen

Riefenstahls Nachlass als Falle?

Andreas Veiel wollte die Frage beantworten, ob Leni Riefenstahl eine willige und überzeugte Propagandistin in den Diensten der Nazis war, oder einfach nur eine „eifrige und ehrgeizige Filmemacherin mit einer Faszination für große Bilder und schöne Körper“, wie Riefenstahl selbst immer behauptet hatte.

Regisseur Andreas Veiel hatte am Anfang seiner Arbeit vor allem die Befürchtung, der Nachlass könnte „eine Falle“ sein, der von Riefenstahl und ihrem Lebensgefährten präpariert worden sein könnte.

Viele Lücken und Ungereimtheiten im Nachlass von Riefenstahl

Für Veiel gab es beim Erforschen und Analysieren des Nachlasses viele spannende Erkenntnisse. Wegen der vielen Ungereimtheiten im Nachlass musste der Dokumentarfilmer zum Abgleich allerdings auch andere Archive befragen, denn „wir haben auch Lücken gefunden“ erklärt Veiel, „Leni Riefenstahl hat auf jeden Fall viele Fehler gemacht“. Zum Beispiel habe sie Dinge hinterlassen, die sie belasten, und die nicht so eindeutig ihre Biografie bestätigen. Riefenstahl habe „Risse und Widersprüche“ zurückgelassen. Und da sei Veiel „gerne reingegangen“.

Gewalterfahrungen in der Kindheit prägten Riefenstahls Weltbild

Andreas Veiel fragt sich, ob Leni Riefenstahl stellvertretend für viele junge Deutsche stand, die aufgrund ihrer extrem harten Erziehung, mit dem Faschismus sympathisierten. Es gebe nämlich „zwei unterschiedliche Erzählungen bezüglich ihrer Kindheit und Jugend“.

In den Entwürfen zu ihren Memoiren beschreibe Riefenstahl noch „starke Gewalterfahrungen durch ihren Vater“. Aber in den fertigen Memoiren, tauche dies nicht mehr auf, erklärt Veiel, und fragt sich deshalb, ob diese Erfahrungen eine „erneute Opfererzählung“ gewesen seien, die sie nachher korrigiert habe.

Riefenstahl als Prototyp einer Faschistin?

Riefenstahl müsse vielleicht als „Prototyp für den Faschismus“ betrachtet werden, so Veiel, denn ihre „extrem harte preußische Erziehung“, war offenbar „etwas Generationstypisches“.

Veiels Film, der auf den Filmfestspielen von Venedig Premiere gefeiert hat, versucht anhand von Leni Reifenstahls Nachlass nichts weniger zu erklären als die Frage, wie eine deutsche Frau zur Faschistin wurde.

Trailer „Riefenstahl“, ab 31.10. im Kino:

RIEFENSTAHL - Trailer - Ab 31. Oktober nur im Kino.

Zeitwort 04.09.1934: Die Dreharbeiten zu "Triumph des Willens" beginnen

Leni Riefenstahls war eine umstrittene Künstlerin und ist es bis heute geblieben. Sie war auf Du und Du mit Nazi-Größen, hielt sich selbst aber für unschuldig.

Zeitwort SWR Kultur

Zeitwort 20.04.1938: Leni Riefenstahls Olympia-Film wird uraufgeführt

Bis ins hohe Alter verteidigte sich Leni Riefenstahl dagegen, dem Hitler-Regime treu ergeben gewesen zu sein. Aber ihre Filme legten ein anderes Zeugnis ab.

Zeitwort SWR Kultur

SWR Archivradio Radio-Originaltöne aus der Zeit des Nationalsozialismus von 1939 bis 1945

Im Radio verkündet Admiral Dönitz die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Damit endet ein Krieg, der zum ersten Mal in der Geschichte auch mit dem Rundfunk als Propagandamittel geführt wurde. Was hat das Radio im Krieg bewirkt?

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Andreas Veiel
Das Interview führte
Wilm Hüffer