Roland Emmerich hat die Welt im Kino schon ein paar Mal untergehen lassen in Endzeit-Filmen wie „Independence Day“ oder „The Day After Tomorrow“. Für seine erste Serie hat sich der gebürtige Stuttgarter eine ganz andere Zeit ausgesucht: „Those About to Die“, zu deutsch „Die Todgeweihten“, spielt in den 70er-Jahren des ersten Jahrhunderts, im alten Rom. Das Kolosseum wurde gerade gebaut, initiiert von Kaiser Vespasian. Und den spielt kein Geringerer als Anthony Hopkins.
Spiele statt Brot
Die Menschen in Rom sind unruhig und haben Hunger. Die Getreidelieferungen aus Ägypten lassen auf sich warten. Revolten sind an der Tagesordnung, manchmal absichtlich aufgestachelt. Was hilft, ist Ablenkung: Wenn das Brot schon knapp wird, dann bleiben nur die Spiele.
Im Circus Maximus finden blutige Gladiatorenkämpfe statt. Die Massen begeistern sich aber vor allem für die Wagenrennen, bei denen traditionell die Teams von vier großen Patrizierunternehmen antreten dürfen. Mit einem unumstrittenen Star: Scorpus, der für seine Frauen- und Saufgeschichten bekannt, aber eben auch ein begnadeter Wagenlenker ist.
Aus dem antiken Rom macht Emmerich ein Sammelbecken von Schicksalen
Rom, so suggeriert die Serie, ist ein Sammelbecken von Schicksalen und Ambitionen: Da ist der alte Kaiser, den Anthony Hopkins als gebrechlichen Machtpolitiker spielt, seine Söhne, der aufrechte Titus und der nerohafte Domitian, dekadente Patrizierfamilien, schicksalsergebene Gladiatoren und verschleppte Sklavinnen aus Nordafrika.
Durch politische und finanzielle Intrigen sind alle Schichten miteinander verflochten. Und vom Bau des riesigen neuen Amphitheaters, das später mal Kolosseum heißen wird, wollen alle profitieren. Das Vergnügen, Menschen in Lebensgefahr zuzusehen, ist ein zynischer Zukunftssektor. Oft im Mittelpunkt: der verschlagene Plebejer Tenax, der ein Wettbüro leitet und sein Netzwerk für den gesellschaftlichen Aufstieg nutzt.
Roland Emmerich versucht „Ben Hur“ und „Spartacus“ in digital
Der Soundtrack dröhnt imperial, die Räder kreischen im Sand, Peitschen knallen, in den Palästen gibt es sexuelle Ausschweifungen: Roland Emmerich ist zwar der Weltuntergangsspezialist, aber „Ben Hur“ und „Spartacus“ wären schon auch seine Kragenweite.
Emmerich teilt sich die Regie der zehn Folgen mit dem Grimmepreisträger Marco Kreutzpaintner. Sie lassen mit ihrem monumentalen Produktionsbudget von 150 Millionen Dollar eine computergestützt atemberaubende antike Welt entstehen, inklusive Vesuv, Wasserschlacht und überlebensgroßen blutrünstigen Löwen.
Für zarter besaitete Menschen, die Wert auf ein klug geführtes Figurenensemble, feine Charakterzeichnung und subtile Dramen legen, wird die Geschichte dagegen relativ bald ermüdend. Und man wird das Gefühl nicht los, dass anders als in den guten Monumentalfilmen der 1960er-Jahre oder auch den Nachfolgern wie Ridley Scotts „Gladiator“, das Potential der prominenten Besetzung nicht ausgeschöpft wird.
Monumental war vor allem das Produktionsbudget
Dabei ist es durchaus aufregend, wie die Serie Rom als global operierendes Unternehmen zeigt, die Stadt innerlich zusammengehalten wird durch mehr oder weniger legale Geldgeschäfte, und wie sich letztendlich Showbusiness und Politik begegnen. Wettkampf und die Inszenierung von Macht: Das scheint eine zeitlos aktuelle Verbindung.
Die Verantwortung von Massenunterhaltung gehört seit den alten Römern dazu. Und da ist auch 2.000 Jahre später noch Luft nach oben.
Trailer „Those About to Die“, ab 19.7. auf Prime
Mehr von und zu Roland Emmerich
SWR2 Zeitgenossen Der Regisseur Roland Emmerich
Vom schwäbischen Fabrikanten-Sohn zu einem der erfolgreichsten Hollywood-Regisseure: Roland Emmerich ist gelungen, wovon – fast – jeder Filmregisseur träumt.
Oper als Kinofilm Mozarts Zauberflöte trifft Harry Potter: Warum der Fantasy-Film „The Magic Flute“ enttäuscht
„The Magic Flute – Das Vermächtnis der Zauberflöte“ von Blockbuster-Experte Roland Emmerich geht derzeit über die deutschen Kinoleinwände. Eigentlich hat der Film alles, was man sich wünschen kann: Drama, Musik, Magie, Action und sogar gleich zwei Liebesgeschichten. SWR2-Rezensent Kai Löffler erklärt, warum er dennoch enttäuscht ist.
Mehr Serien zum Streamen
Jugendliche Version von Sherlock Holmes und Dr. Watson „Dead Boy Detectives“: Humorvolle Fantasyserie aus dem Comicuniversum von Neil Gaiman
Die zwei Detektive Edwin Paine und Charles Rowland entstammen dem Kosmos der berühmten „Sandmann“-Comicreihe des US-Autors Neil Gaiman. Sie haben nur ein Problem: Sie sind bereits tot.
Serie Zwischen Drama und Black Panther-Thriller : „The Big Cigar"
Huey Newton war eine schillernde Figur der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, der viele Menschen für sich einnehmen konnte. So auch den Hollywoodproduzenten Bert Schneider, der Newton Mitte der 1970er Jahre zur Flucht nach Kuba verhalf. Ein spektakulärer Stoff, der verfilmt werden musste.