Feinsinnig, flirrend, furios

Der letzte große Theaterstar: Angela Winkler wird 80 Jahre alt

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Autor/in
Ina Beyer

Die Schauspielerin Angela Winkler wird 80 Jahre alt. Sie wurde 1975 berühmt, als sie die Hauptrolle in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ spielte. Als Mutter von Oskar Matzerath im Film „Die Blechtrommel“ gewann sie auch internationales Ansehen. In Film und Theater ist sie seit vielen Jahrzehnten präsent. Ihre Erinnerungen hat sie 2019 in ihrer Autobiographie festgehalten.

Szenenbild der „Blechtrommel“-Verfilmung 1979 von Volker Schlöndorff:  Daniel Olbrychski, Angela Winkler, Mario Adorf, David Bennent
In der berühmten Verfilmung der „Blechtrommel“ 1979 von Volker Schlöndorff spielte Angela Winkler die Mutter von Oskar Matzerath. Im Bild: Daniel Olbrychski, Angela Winkler, Mario Adorf, David Bennent.

Liebe zu Gesang und Spiel von der Mutter

Ich weiß schon gut, wo es langgeht. Vielleicht zu gut, schreibt Angela Winkler in ihrem autobiografischen Buch „Mein blaues Zimmer“

Das Liederalbum „Ich liebe dich kann ich nicht sagen“ hat die Schauspielerin 2011 für ihre Mutter, eine Musikerin, kurz vor deren Tod aufgenommen. Sie wurde 102 Jahre alt. Ihrer Tochter hat sie die Liebe zu Gesang und Spiel vermittelt.

Der Vater war Arzt und hätte gern gesehen, dass Angela Winkler Hebamme geworden wäre, aber nach einem Praktikum auf einer Sterbestation und mit behinderten Kindern ging sie zu ihren Eltern und sagte, dass sie alles tun würde, wirklich alles, um nicht in einem Krankenhaus arbeiten zu müssen.

Peter Stein holte Angela Winkler an die Schaubühne Berlin

Sie wollte auf die Bühne. Doch auch auf der Schauspielschule hielt sie es nicht lange aus. Als die Lehrerin in einer Improvisationsstunde beim Stuhltanz die Musik stoppte und alle Studenten sich setzten sollten, blieb sie einfach immer stehen.

Schließlich nahm sie privaten Unterricht und ging ans Theater in Kassel, später Castrop-Rauxel, spielte Fernsehen. Nach ihrem Debütkinofilm „Jagdszenen aus Niederbayern“ – ihr liebster Streifen bis heute, wie sie einmal sagte  – holte Peter Stein Angela Winkler nach Berlin an die Schaubühne.

Fotoprobe: Lars Eidinger  als Jedermann und Angela Winkler als Jedermanns Mutter im Juli 2022 bei den Salzburger Festspielen.
Lars Eidinger als Jedermann und Angela Winkler als Jedermanns Mutter im Juli 2022 bei den Salzburger Festspielen.

Wilde Revoluzzerin mit nackten Füßen auf der Bühne

Dort wurde Regisseur Klaus Michael Grüber für sie prägend, der sie als junge, wilde Revoluzzerin mit nackten Füßen über die Bühne rennen ließ.

Doch auch und gerade Peter Zadek läßt ihr und allen Schauspielern alle Freiheiten für das Spiel. Und verhilft ihr zu ihrem größten Theatertriumph: 1999 spielt sie Hamlet. Den wohl zartesten, kindlichsten, zerbrechlisten, aber auch zähesten und unterschätztesten Bühnen-Dänenkönig.

Angela Winker 1975 bei Dreharbeiten zu „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ nach einer Erzählung von Böll.
Angela Winker 1975 bei Dreharbeiten zu „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ nach einer Erzählung von Böll.

Einüben der Texte wie Graben in Gartenerde

Angela Winkler ist auf Brettern und Leinwand vor allem immer eines: wahrhaftig. Sie denke beim Einüben der Texte oft an ihre Gartenarbeit, hat sie oft gesagt, ans Jäten und Säen und vor allem ans Graben in der Erde– mit ihren Maulwurfshänden.

Mit ihrem Ehemann, dem Bildhauer Wiegand Wittig ist sie alle sieben Jahre umgezogen, meist in ein altes Haus, das sie dann herrichteten und gegen ein anderes tauschten. Vier Kinder hat sie geboren und ist von jeder Premiere, jedem Dreh schnell nach Hause geeilt – in der Bretagne, am Jadebusen, in Ligurien oder auch an der Elbe.

Das Leben, das heißt für sie: Ärmel hochkrempeln, Hand anlegen, von Neuem Anpacken. Angela Winkler ist handfest, bodenständig.  Und kann zugleich oder gerade deswegen auch so hauchzart und verträumt im Winde wehen wie eine Mohnblume.

Theatertexte in Oktavhefte geschrieben

Theatertexte, die zu lernen sind, schreibt Angela Winkler in Oktavhefte, um sie ihrer eigenen Handschrift dann wieder abzuringen als Figurensprache. Mühsam entziffert in jeder Hinsicht. Und auf der Bühne dann so scheinbar aus dem Augenblick geboren und dargebracht wie von kaum einer anderen Schauspielerin der Gegenwart.

Ihren 80. feiert sie auf den Brettern, die ihr die Welt bedeuten

Theater ist ihr nach eigener Aussage immer wichtiger gewesen als Film. Auch wenn sie gerade auf der Leinwand international berühmt wurde: als Oskar Matzeraths Mutter in der Blechtrommel oder als von der Boulevardpresse verunglimpfte Freundin eines Straftäters in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“.

Weil aber die Bretter ihre (ganz besondere) Welt bedeuten, nimmt es kaum Wunder, dass sie auch heute, an ihrem 80. Geburtstag, in der Berliner Schaubühne Theater spielt. Feinsinnig, flirrend, furios wie immer.

Deutsche Film - und Bühnengeschichte

Zeitgenossen Volker Schlöndorff: „Ich habe einfach viel Glück gehabt, mich aber auch immer dem Glück in den Weg gestellt“.

Volker Schlöndorff hat dem deutschen Film weltweites Ansehen geschenkt, wurde für „Die Blechtrommel“ mit dem Oscar und der Goldenen Palme ausgezeichnet. Am 7. April bringt der 82-Jährige seinen ersten Dokumentarfilm in die Kinos: „Der Waldmacher“ über den Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo. Schlöndorff erzählt von seinem Film, von den Chancen, die das Projekt des Alternativen Nobelpreisträgers bietet, von den Problemen Afrikas im Klimawandel, von seiner Sicht auf die Welt und das Kino.

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Buchkritik Klaus Pohl - Sein oder Nichtsein

Der Schauspieler und Autor Klaus Pohl lässt in seinem hinreißenden Probenroman und Theatertagebuch eine legendäre Hamlet-Inszenierung von Peter Zadek mit Angela Winkler in der Titelrolle wieder aufleben. Eine Hommage auch an den großen Schauspieler Ulrich Wildgruber.
Rezension von Ina Beyer. 
Galiani Verlag, 288 Seiten, 23 Euro
ISBN: 978-3869712437

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