Der Komponist Richard Strauss und der Dichter Hugo von Hofmannsthal schufen mit „Ariadne auf Naxos“ Anfang des 20. Jahrhunderts eine Meta-Oper – also ein Werk, das über sich selbst nachdenkt. Dabei muss auch noch das Kunststück gelingen, Komödie und Tragödie gleichzeitig ablaufen zu lassen. Ein intellektuelles Abenteuer, aus dem Regisseurin Yona Kim in Mannheim trotz der etwas chaotischen Zustände der Ausweichspielstätten ein sinnliches Fest macht.
In Mannheim ist der Komponist eine Komponistin
Man kann es drehen und wenden: Richard Strauss bleibt einer der großen Komponisten für Frauenstimmen. Im Vorspiel der „Ariadne auf Naxos“, dem Making-Of der gleichnamigen Oper auf der Opernbühne, verliebt sich der Komponist wider Willen in die ihm durch den Auftraggeber aufgedrängte Zerbinetta.
Schließlich soll sie die von ihm komponierte Tragödie durch Clownerien auffrischen und durch Gleichzeitigkeit Zeit sparen. Die Stegreifkomödie folgt nicht der komponierten Tragödie, sondern wird zwangsweise in dieser verschränkt.
Musik für zwei Frauenstimmen
Nun ist der Komponist bei Strauss als Hosenrolle konzipiert. Yona Kim lässt in ihrer Inszenierung in Mannheim die Frau Frau und damit Komponistin sein und sich in die andere entzückend frivole Weiblichkeit der Zerbinetta verlieben.
Das verleiht dem Duo nun die erotische Sinnlichkeit, die dieser Musik für zwei Frauenstimmen inhärent ist. Das liegt vor allem auch an der schönen Stimme von Jelena Kordic als Tonschöpferin und der sicheren Koloraturhöhe von Amelia Scicolones Zerbinetta.
Eine teils unübersichtliche Angelegenheit
Ansonsten verzettelt sich die Regisseurin etwas in jenem überinszenierten Chaos einer Produktion, bei der die hohe Opernkunst auf die Tingeltangeltruppe trifft und die Komponistin aufgrund der nun widrig gewordenen Auftragsbedingungen an den Rand der nervlichen Belastung gerät.
Die Situation einer improvisierten Opernbühne in der Ausweichspielstätte der Alten Schildkrötfabrik mit ihrem Drinnen und Draußen der Fensterfront und allerlei live zugespielter und vorproduzierter Videoaktion macht dieses Making-Of der eigentlichen Oper zu einer leicht unübersichtlichen Angelegenheit.
Verlassene Geliebte trifft schöne Gottheit
Nach einer umbaubedingten etwas überlangen Pause wirft Yona Kim aber erfreulicherweise das Ruder um. Die eigentliche Oper in der Oper, die titelgebende „Ariadne auf Naxos“, wird stringent als barockes Stück präzise durchgespielt, tatsächlich auf jener wüsten Sandinsel, die dem Auftraggeber so sehr missfallen hat, dass er zum Aufmöbeln der metaphysischen Begegnung von verlassener Geliebten und jugendlich schöner Gottheit die Improvisationskomödie zugleich haben wollte.
Wie Strauss nun den frechen Rhythmus der Commedia dell’Arte mühelos mit dem hochfahrenden Tonfall von leidenschaftlicher Gottvereinigung verbindet, so nahtlos erzeugt hier die Regie durch ein barockes Kostümfest ein optisches Spiegelbild dieser komponierten Ornamentkunst.
Überwältigendes Finale zwischen Bacchus und Ariadne
Das im zweiten Teil stumme Personal des Vorspiels wird zu den Zusehenden ihrer eigenen Produktion, die Videoblicke hinter die Kulissen zeigen die Künstlichkeit der Kunst.
Und doch gelingt das Finale von Bacchus und Ariadne als überwältigender Kontrapunkt zu jenem Liebesgesang von Komponistin und Zerbinetta im Vorspiel. Julia Faylenbogen ist eine sinnlich warme Ariadne und Andreas Hermann als Bacchus ein perfekt strahlender Tenor.
Das Publikum badet im Klang
Alle anderen Sängerinnen und Sänger sind für eine derart gewichtige Ensembleoper wunderbar homogen besetzt. Ein absoluter Gewinn ist aber die Position des Orchesters, das in der Raummitte von den Zuschaueremporen umarmt wird.
Im Opernteil badet man in der klanglichen Üppigkeit, die Dirigent Janis Liepins dem Nationaltheaterorchester in Kammerbesetzung entlockt. Endlich hört man einmal den exotischen Duft des Harmoniums und das sogartige Rauschen der beiden Harfen ganz nah. Strauss und Hofmannsthals intellektuelles Abenteuer einer Oper über Oper ist in Mannheim ein sinnliches Fest.
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