Jahrestag der Amokfahrt in Trier

Opfer-Angehöriger: "Es ist ein seelisches Auf und Ab"

Stand
Autor/in
Solveig Naber

Bei der Amokfahrt in Trier vor einem Jahr verliert Wolfgang Hilsemer seine geliebte Schwester. Auch sein Schwager wird schwer verletzt. In den Monaten nach der Tat lernt er Schritt für Schritt, mit dem Verlust und der Trauer umzugehen.

Der 1. Dezember 2020 hat sich eingebrannt in das Gedächtnis von Wolfgang Hilsemer. Zur Tatzeit, 13.46 Uhr, war er bei seiner Tochter. Am großen Esstisch haben sie gesessen, erinnert sich der 63-Jährige.

Als die Nachrichten zur Amokfahrt sich überschlagen, melden sich alle aus der Familie. Sagen, dass ihnen nichts passiert ist. Nur von Schwester Ursula hören sie nichts.

"Wir haben so einen Familienchat. Wir haben erst gar nicht gemerkt, dass die Uli nichts geschrieben hat. Es ist uns gar nicht aufgefallen."

Stundenlang bleiben sie ohne Informationen über die Schwester. Dann, gegen 17 Uhr, kommt die erschütternde Nachricht. Die älteste Schwester von Wolfgang Hilsemer meldet sich. Ursula ist tot, sagt sie. Hilsemer legt ohne ein Wort auf, erzählt er mit zitternder Stimme. Braucht erstmal Ruhe, um das zu begreifen.

Trauer über den Tod der Schwester hat Folgen

Bei der Amokfahrt wird auch der Ehemann der Schwester schwer verletzt. Die Familie steht unter Schock. In den Wochen danach wacht Hilsemer nachts immer wieder auf, kann nicht mehr einschlafen. Einen geliebten Menschen auf diese Weise zu verlieren, belastet ihn.

Im Sommer beginnt endlich der Prozess gegen den Amokfahrer. Hilsemer ist nervös. Er hofft auf Antworten, warum der Angeklagte das getan hat und eine Verurteilung.

"Der hat meine Schwester getötet. Er hat andere Menschen getötet. Er muss hart bestraft werden, der darf nicht mehr raus."

Der Prozess hilft ihm, die Ereignisse zu verarbeiten, sagt Hilsemer. Auch die Beerdigung seiner Schwester bringt ein bisschen Ruhe. Die Familie hatte damit gewartet, bis der Ehemann aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte.

Entscheidung für psychologische Hilfe

Wolfgang Hilsemer merkt, dass ihm das Reden über die Amokfahrt hilft. Er beschließt, ein Angebot der Trauerberatung anzunehmen.

"Ich gebe zu, da habe ich die ganze Zeit mit mir gekämpft. Ob ich jemanden Professionellen zu Rate ziehen soll."

Schon nach wenigen Sitzungen geht es ihm besser, erzählt er. Doch es gibt sie noch, die schlechten Tage. Aber sie werden weniger.

Schwager stirbt nach Beerdigung der Schwester

Im Herbst muss der 63-Jährige einen weiteren Verlust verkraften. Der Mann seiner toten Schwester stirbt fast elf Monate nach der Amokfahrt Der bei der Tat schwer verletzte Mann wollte unbedingt noch bei der Beisetzung seiner Frau dabei sein. Gut drei Wochen später stirbt er. Ob an den Folgen der Amokfahrt, müssen die Gerichte klären.

Wolfgang Hilsemer hat entscheiden, mit der Trauerberatung weiter zu machen. Er hofft, eines Tages für sich selbst mit den Geschehnissen der Tat abschließen zu können.

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