Mit Solidarität und Empathie stehen die Trierer nach der Amokfahrt gegen das Unfassbare auf. Hier erzählen sie, wie sie ihre Stadt nach diesem dunklen Tag erlebt haben.
Der erste Dezember 2020 wird für immer einer der schwärzesten Tage in der Geschichte Triers bleiben. Schock und Trauer stehen den Trierern in den Tagen und Wochen danach ins Gesicht geschrieben. Doch es kommt auch ein Gefühl von nie da gewesener Solidarität und Gemeinschaft auf, denn das hier ist ihre Stadt, ihre Heimat und die wollen sich die Trierer von niemandem nehmen lassen.
Porta Nigra weint: Symbol der Solidarität in den sozialen Medien
Johannes Kolz ist Comiczeichner und lebt schon sein ganzes Leben in Trier. Er erfährt ganz direkt, wie sich eine Welle der Solidarität in Trier ausbreitet, als seine Zeichnung der Porta Nigra mit der Träne von immer mehr Menschen in den sozialen Medien genutzt wird, um ihre Anteilnahme zu zeigen.
Wenige Tage, nachdem Kolz seine Zeichnung auf Facebook als Profilbild eingesetzt hat, kontaktiert ihn der Trierer Steinmetz Henning Wirtz. So entsteht aus Kolz Zeichnung auch eine Skulptur. Dabei geht es weder Kolz noch Wirtz darum, finanziell daran zu verdienen. Die beiden Künstler vereint, dass sie ihrer Trauer und ihrem Entsetzen mit ihrem Handwerk Ausdruck verleihen können. Dass sich so viele Trierer darin wiederfinden können, erfüllt beide mit tiefer Demut.
Statt die Skulptur zu versteigern, rufen die beiden Künstler zu einem Spendentag auf und werden von der Hilfsbereitschaft der Trierer schier überwältigt. „Da waren viele Kleinspenden dabei. Da waren Spenden dabei von 2,48 Euro, weil ein Kind sein Sparschwein leer gemacht hat“, erklärt Johannes Kolz. „Jeder hatte das Gefühl, man muss irgendwas tun.“ Mehr als 12.000 Euro kommen allein durch diesen einen Spendentag zusammen. Bis zum 15. Dezember gehen auf einem Spendenkonto der Stadt Trier rund 650.000 Euro ein, zum Jahreswechsel sind es insgesamt eine Million Euro.
Trierer fragen: Was können wir tun?
Viele ihrer Gespräche hätten sich um die Frage gedreht, was man tun kann, erzählt auch die Notfallseelsorgerin Daniela Standard. Sie ist am ersten Dezember und in den Tagen danach in der Trierer Innenstadt im Einsatz. Viele Trierer hätten nach einem Weg gesucht, das Leid zu schmälern, das so vielen Menschen an diesem Tag widerfahren ist: „Man kann nicht mit den eigenen Händen mit anpacken, um Hilfe zu leisten. Aber die Spenden haben vielen Menschen eine Möglichkeit gegeben, trotzdem etwas zu tun“, berichtet sie. Natürlich verarbeiteten die Betroffenen die Ereignisse vom ersten Dezember alle unterschiedlich, dennoch tue es vielen gut, diese Solidarität zu erfahren.
Und das merkt man bis heute, finden viele Trierer. Das Gemeinschaftsgefühl und der Zusammenhalt, den die Trierer nach der Amokfahrt gezeigt haben, sind nicht einfach verloren gegangen. Das habe vor allem die Flutkatastrophe in diesem Sommer gezeigt, als sich das Spendenkonto der Stadt Trier erneut füllte, die Trierer Kleidung, Decken und Spielzeug zur Verfügung stellten, oder gleich vor Ort Schlamm geschippt haben.
Schritt für Schritt zurück zur Normalität
Geht man heute durch die Innenstadt, dann entsteht ein Eindruck von Normalität. Die Menschen sind wieder in den Geschäften unterwegs, sitzen in den Restaurants, unterhalten sich und lachen. An der Porta Nigra erinnern weiterhin Kerzen an das Unfassbare, das hier geschah. Vergessen werden die Trierer nicht, aber sie füllen die Innenstadt wieder mit Leben, haben sich diesen wichtigen Ort zurückerobert und passen dabei ein bisschen mehr gegenseitig aufeinander auf.