Karl Sibelius soll als Generalintendant 2016 den Etat des Theaters erheblich überzogen haben. Ein Untreue-Verfahren gegen ihn wurde vorläufig eingestellt.
Der Vorsitzende Richter am Landgericht Trier, Armin Hardt, schlug am Vormittag vor, das Untreue-Verfahren gegen den früheren Trierer Generalintendanten Karl Sibelius gegen eine Auflage von 10.000 Euro einzustellen. Sibelius sei Künstler, kein Buchhalter.
Die Kammer wolle "die Kirche im Dorf lassen" und schlug die Einstellung des Verfahrens wegen geringfügiger Schuld vor. Wenn es überhaupt ein strafbares Verhalten gegeben habe, sei es fraglich, ob das für alle sechs aufgeführten Fälle gelten könne. Andere Verfahren in der Sache, wie das gegen den früheren Kulturdezernenten Thomas Egger, seien auch eingestellt worden.
Sibelius' Verteidiger, Dr. Andreas Ammer, und die Staatsanwaltschaft stimmten dem zu. Damit ist das Verfahren vorläufig eingestellt. Endgültig eingestellt wird es, sobald Sibelius die 10.000 Euro zahlt.
Sibelius kaum noch künstlerisch tätig
Karl Sibelius hatte am Morgen vor Gericht erklärt, aussagen zu wollen. Zunächst ging es um seine Person, seinen Lebenslauf. Demnach hat der frühere Trierer Intendant nach seiner Zeit in Trier einen Schlaganfall gehabt. Künstlerisch sei er inzwischen kaum noch tätig. Er habe sich eineinhalb Jahre lang bei Theatern beworben, aber keine Chance mehr bekommen. "Künstlerisch war der Zug abgefahren", so Sibelius im Gericht. Jetzt mache er hin und wieder Liederabende. Er arbeite inzwischen als Lehrer und Psychotherapeut in Linz in Österreich.
Sibelius' Rechtsanwalt Ammer hatte zur Sache erklärt, dass die Vorwürfe aus der 53 Seiten langen Anklageschrift im Kern zutreffend seien. Allerdings würden daraus falsche Schlüsse gezogen. So sei kein Vorsatz ableitbar. Ab Ende 2015 sei kein Finanzcontroller mehr da gewesen und Sibelius sei kein Budget vorgegeben worden.
"Es geht in diesem Prozess nicht darum, ob Karl Sibelius ein guter Intendant gewesen ist oder ob er den Laden gut geführt hat", hatte Ammer dem SWR vor dem Verfahren gesagt. "Der Punkt ist, ob er sich strafbar gemacht hat." Dabei sei klar, dass Sibelius sich nicht einen einzigen Euro in die eigene Tasche gesteckt habe. Er habe auch kein Geld zweckentfremdet, sondern alles fürs Theater ausgegeben. Sein Anwalt sagte weiter, der 55-Jährige habe das Theater Trier "in schwierigen Zeiten" übernommen und gutes Theater machen wollen.
Als Karl Sibelius 2015 als neuer Generalintendant ans Theater Trier kam, war die Stadtverwaltung davon überzeugt, einen Glücksgriff getan zu haben. Erstmals war in Trier ein Intendant nicht nur für den künstlerischen Teil des Theaters verantwortlich, sondern auch für die Verwaltung. Man sparte also den Posten und das Gehalt eines Verwaltungsdirektors, indem man jemanden als Generalintendanten einsetzte, der alles in Personalunion machte.
Sibelius rockte das Theater Trier
"Verrückt Euch" war das Motto, das Karl Sibelius für seine erste Spielzeit 2015/2016 am Theater Trier ausgab. Gleich fünf Musicalpremieren gab es. Für Eintrittskarten gab es das Konzept "Zahl was du willst" und eine neue Spielstätte im ehemaligen Walzwerk in Trier-Kürenz gleich dazu.
Die Seitenfassade des Theaters ließ er von Graffiti-Künstlern knallbunt besprühen, inklusive eines riesigen Sibelius-Porträts. Der Intendant stand auch selbst auf der Bühne, er galt als eine schillernde Persönlichkeit.
Etatüberschreitung fiel 2016 auf
Die opulenten Inszenierungen und die aufwendigen Bühnenbilder kosteten Geld. Geld, das im Etat des Theaters Trier nicht vorgesehen war. Im Mai 2016 fiel auf: der Etat des Theaters wurde überzogen. So sehr, dass die Stadtverwaltung einen zusätzlichen Kredit von einer Million Euro aufnehmen musste, um das Theaterdefizit zu decken.
Im November 2016 beschloss der Stadtrat Trier, den Vertrag mit Sibelius vorzeitig aufzulösen. Dieser sollte eigentlich bis 2020 laufen. Die Stadt musste eine Abfindung von 300.000 Euro zahlen. Nach dem Bericht des Rechnungsprüfungsamtes der Stadt Trier hatte Sibelius 2015 den Theateretat um 1,3 Millionen Euro überschritten, 2016 um 1,7 Millionen Euro.
Anzeige gegen Sibelius
Der finanzielle Schaden für die sowieso überschuldete Stadt Trier war enorm, der Imageschaden für das Theater auch. Im November 2016 erstattete eine Fraktion des Stadtrats Anzeige gegen Sibelius. Die Staatsanwaltschaft wertete den Rechnungsprüfungsbericht der Stadt Trier aus und leitete Mitte 2017 ein Ermittlungsverfahren gegen Sibelius ein.
Der Prozess vor dem Landgericht Trier
Etwa viereinhalb Jahre haben die Ermittlungen gegen Karl Sibelius wegen des Verdachts der Untreue gedauert. Im Januar 2022 erhob die Staatsanwaltschaft Trier Anklage gegen den ehemaligen Intendanten. Jetzt, acht Jahre nach dem Zeitraum, auf den sich die Vorwürfe beziehen, hat am Landgericht Trier der Prozess wegen Untreue begonnen und ist nach einem Verhandlungstag auch schon wieder zu Ende. Sibelius gilt damit als nicht vorbestraft.
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