Nach einem Schlaganfall ist die rechte Körperseite von Heike Berger aus Konz gelähmt. Berufsbetreuerin Angela Krämer motiviert sie, in ein selbstständiges Leben zurückzufinden.
Heike Berger liebte es, Fußball zu spielen. Als Trainerin teilte sie ihre Leidenschaft mit einer Mädchenmannschaft in Konz-Kommlingen. Als sie mit 28 Jahren schwanger wurde, kam ihre Tochter nach einem geplanten Kaiserschnitt gesund zur Welt.
Doch fünf Tage später erlitt Heike Berger einen schweren Schlaganfall, der ihr Leben völlig veränderte. Seitdem ist ihre rechte Körperseite gelähmt, weshalb sie lange Zeit im Rollstuhl saß. Mit ihrem Baby zog sie zurück in ihr Elternhaus. Dort kümmerte sich vor allem ihr Vater jahrelang um sie, bis er selbst erkrankte.
Mit Unterstützung zurück in die Eigenständigkeit
Heute ist Heike Berger 49 Jahre. Sie kann immer noch kaum sprechen. Dass sie aber wieder so viel selbst erledigen kann, hat sie Angela Krämer zu verdanken. Die Berufsbetreuerin kümmert sich seit drei Jahren um sie.
Anfangs war die Betreuerin bis zu fünf Mal in der Woche bei Heike, heute braucht sie ihre Hilfe nur noch selten. Angela hilft Heike vor allem noch bei Schreibarbeiten und bürokratischen Angelegenheiten. Bankgeschäfte und den Weg zur Apotheke erledigt Heike wieder selbst.
"Ziel ist es, die Betreuten möglichst nicht ein Leben lang zu betreuen, sondern sie Schritt für Schritt in die Selbständigkeit zu führen", so Betreuerin Angela Krämer. "Heike soll aber immer wissen, dass jemand da ist, wenn sie Hilfe braucht", betont die Betreuerin.
Berufsbetreuerin kümmert sich um 68 Menschen
Angela Krämer ist selbstständige Berufsbetreuerin im Landkreis Trier-Saarburg und betreut 68 Menschen. Um den hohen Arbeitsaufwand zu bewältigen, hat die 52-Jährige eine Sekretärin eingestellt, die sie bei der Büroarbeit unterstützt. Pro Woche müsse sie sich um rund 300 Briefe ihrer Betreuten kümmern, hinzu kämen viele E-Mails und etwa 80 Telefonate pro Tag.
Der Arbeitsaufwand ist je nach Betreuungsfall unterschiedlich hoch: Während einige Betreute mehrmals in der Woche ihre Hilfe brauchen, gibt es andere, die nur einmal im Monat mit ihrer Betreuerin im Austausch sind.
Berufsbetreuer haben zwar feste Arbeitszeiten, freie Wochenenden und Urlaub, doch Angela Krämer falle es manchmal schwer, Feierabend zu machen und abzuschalten, wie sie sagt. Dennoch sei der Job für sie eine Herzensangelegenheit. "Deshalb habe ich auch keine festen Arbeitszeiten. Mein Leben und meine Arbeit gehören zusammen."
Sie selbst sei in einer stabilen Familie aufgewachsen, die es ihr ermöglicht habe, sich so zu entwickeln, wie sie es wollte. Viele Menschen hätten diese Voraussetzungen nicht, deshalb möchte Angela ihnen diese Möglichkeit geben.
Bevor sie Berufsbetreuerin wurde, arbeitete sie 30 Jahre lang in der ambulanten Psychiatrie und später in der Altenpflege. Weil sie aber selbst eine leicht beeinträchtigte Tochter hat, für die sie da sein will, hat sie sich einen Beruf gesucht, in dem sie flexibler arbeiten kann. Vor drei Jahren hat sie sich dann weitergebildet, um als selbstständige Berufsbetreuerin arbeiten zu können.
Auch soziale Kompetenzen sind gefragt
Soziale Kompetenzen sind für den Beruf ebenso wichtig wie theoretische Grundlagen. Denn wer kein soziales Feingefühl mitbringe, habe es schwer, ein Vertrauensverhältnis zu den Betreuten aufzubauen, sagt Angela Krämer. Schließlich erhält man Einblick in die gesamte Vermögenssituation des Betreuten und weiß somit genau, wofür der Betreute sein Geld ausgibt.
Außerdem sei es wichtig, einfühlsam und wachsam, geduldig und verständnisvoll, zu sein, um einschätzen zu können, inwieweit der Betreute selbst noch handlungsfähig ist: "Betreuung bedeutet nicht, dass den Betreuten alles aus der Hand genommen wird und sie nichts mehr dürfen. Sie werden nicht entmündigt. Die Betreuten sollen so weit wie möglich alles mitbestimmen."
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Rechtliche Betreuung ist keine Entmündigung
Das Betreuungsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Es wurde zuletzt zum 1. Januar 2023 geändert. Ein wesentliches Ziel der Reform ist die Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung auf Unterstützung angewiesen sind. Die Wünsche der betreuten Person sollen also stärker berücksichtigt werden.
Landkreis Trier-Saarburg sucht dringend Berufsbetreuer
Insgesamt gibt es im Kreis Trier-Saarburg rund 3.000 Menschen, die auf Betreuung angewiesen sind. Die meisten von ihnen werden von Familienangehörigen, nahen Bekannten oder Nachbarn betreut. Wenn sich kein Angehöriger finden lässt, springt ein Berufsbetreuer ein.
Derzeit sind im Landkreis Trier-Saarburg aber nur rund 40 Berufsbetreuer tätig. Diese seien jedoch so ausgelastet, dass neue Fälle nur schwer zu vermitteln seien, so eine Sprecherin der Kreisverwaltung. Viele Betreuer seien auch schon so alt, dass sie ihre Tätigkeit bald beenden würden. Die Kreisverwaltung Trier-Saarburg sucht daher händeringend rechtliche Betreuer für behinderte oder kranke Menschen.
Doch viele, die sich für den Beruf eines rechtlichen Betreuers interessieren, seien nicht qualifiziert genug, so eine Sprecherin des Kreises. Eine formale Ausbildung gibt es für Berufsbetreuer nicht. Seit Januar 2023 müssen Neueinsteiger aber nachweisen, dass sie sich in wichtigen Themenbereichen weitergebildet haben: Sie können nicht ohne einen sogenannten Sachkundenachweis tätig werden.
Der zeitliche Aufwand und die Kosten dieser Weiterbildung schrecken viele Menschen ab. Quereinsteiger müssen je nach Vorqualifikation einzelne oder alle der insgesamt elf Module der Weiterbildung absolvieren. Je nach Kursanbieter fallen Kosten von bis zu 6.000 Euro an.
Die Situation werde sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, so der Landkreis. Es gebe immer mehr alte und kranke Menschen, die auf Betreuung angewiesen seien. Viele Menschen hätten auch keine Kinder oder Angehörige, die in der Nähe wohnten. In den kommenden zwei bis drei Jahren werden etwa 11 vollzeitbeschäftigte Berufsbetreuer fehlen, so die Kreisverwaltung.
Berufsbetreuerin wünscht sich mehr Miteinander in der Gesellschaft
Dass überhaupt so viele Berufsbetreuer gebraucht werden, liege auch daran, dass die familiären Bindungen abnähmen, vermutet Betreuerin Angela Krämer. Sie wünscht sich daher mehr Gemeinschaft und Unterstützung in der Gesellschaft. Viele Menschen würden oft nur an sich denken. Früher seien Dorfgemeinschaften oder Hausgemeinschaften, in denen man füreinander da ist und sich gegenseitig hilft, ganz normal gewesen. "Das müssen wir in Zukunft wieder erreichen", sagt Angela Krämer.
Die Berufsbetreuerin erhält viel Wertschätzung für ihre Arbeit. Die meisten Menschen, die sie betreut, sind ihr sehr dankbar und bringen ihr sogar ab und zu Geschenke wie Kekse mit. "Das gibt einem das Gefühl von Geben und Nehmen und das ist auch für die Betreuten schön und wichtig. Denn es gibt ihnen das Gefühl, wieder mehr an der Gesellschaft teilhaben zu können, wenn sie selbst etwas zurückgeben können."
Ziel: Wieder ein normales Leben führen
Auch Heike Berger aus Konz nimmt inzwischen wieder immer mehr an der Gesellschaft teil. Doch bis dahin war es ein langer Weg: Durch Komplikationen bei einer Operation erlitt Heike 2020 ihren zweiten Schlaganfall.
Doch sie kämpfte unbeirrt weiter. Der Fußball habe sie geprägt und ihr ein unfassbares Ausdauer- und Durchhaltevermögen verliehen, sagt sie. Sie trainierte fleißig ihre Beine und Arme und schaffte es heraus aus dem Rollstuhl. Heute geht sie wieder bis zu einer Stunde am Stück und arbeitet halbtags in der Lebenshilfe-Werkstatt in Konz.
Weil ihr der Sport sehr gefehlt hat, macht sie im Reha-Sport Bewegungs- und Mobilitätsübungen und geht ins Fitnessstudio. Außerdem hat sie eine eigene Wohnung, in der sie sich fast um alles selbst kümmert. Ab und zu bekommt sie noch Besuch von der Eingliederungshilfe von der Lebenshilfe-Werkstatt. Die kocht und backt mit Heike Berger und hilft ihr bei anstrengenden Putzarbeiten, wie zum Beispiel beim Staubsaugen. Das meiste macht sie aber allein. "Das kann sie sowieso besser und meistens kann sie auch nicht warten, bis jemand kommt", erzählt ihre Berufsbetreuerin Angela Krämer mit einem Augenzwinkern.
Außerdem möchte Heike bald heiraten. Den richtigen Partner dafür hat sie auch schon gefunden. Sie lernte Dieter beim Tischtennisspielen kennen, als beide noch im Rollstuhl saßen. Er saß nach einem Verkehrsunfall im Rollstuhl, den er aber inzwischen ebenso wie Heike nicht mehr braucht. Seit zwölf Jahren sind sie ein Paar. Zusammenziehen wollen sie aber vorerst nicht. Denn Dieter kümmert sich um seine demenzkranke Mutter und Heike unterstützt ihn an den Wochenenden dabei.
Heike ist froh, dass sie dank ihrer Berufsbetreuerin Angela Krämer wieder so selbstständig leben kann. Ihr Wunsch ist es, ein so normales Leben wie möglich zu führen.
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