Integration in Schulen

Ukrainische Schüler: Sprache und Heimweh sind die größten Hürden

Stand

Von Autor/in Solveig Naber

Drei Jahre dauert der Krieg in der Ukraine. Hunderte geflüchtete Kinder und Jugendliche kamen auch in die Region Trier. Die Integration in der Schule klappt dabei nicht immer.

Elizaveta Kuznetsova ist 14 Jahre alt. Sie geht in die 9. Klasse des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Trier. Vor zwei Jahren war ihre Familie aus der Ukraine geflohen und kam in die Region.

Yelyzaveta Kuznetsova ist aus der Ukraine und besucht seit zwei Jahren das Friedrich-Wilhem-Gymnasium in Trier.
Elizaveta Kuznetsova aus der Ukraine geht auf das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier. Sie spricht inzwischen sehr gut Deutsch und kommt im Unterricht gut mit.

Lisa, wie sie hier alle nennen, gehört zu den insgesamt 28 ukrainischen Schülern, die derzeit das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium besuchen. Ihre Familie wird wohl erstmal hierbleiben. Der Krieg in der Ukraine dauert an. Und beide Eltern haben hier inzwischen Arbeit gefunden.

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Die 14-Jährige spricht fließend Deutsch und fühlt sich integriert. Dem Unterricht kann sie gut folgen. In Mathematik und Chemie klappt das besser. In Geschichte oder Deutsch, wo viel gesprochen und analysiert wird, kommt sie aber oft an ihre Grenzen. Das sei nicht immer einfach, sagt sie. In ihrer Klasse fühle sie sich angenommen. Auch wenn mancher Mitschüler ihren Namen immer noch falsch ausspreche, sagt die Schülerin und lacht.

Mit Kopf und Herz in der Ukraine

Elizaveta Kuznetsova ist eine von den ukrainischen Schülern, bei denen es mit der Integration in der Schule und im Unterricht sehr gut läuft. Doch das ist nicht selbstverständlich. Viele der geflüchteten Kinder haben traumatische Erlebnisse aus der Ukraine mitgebracht, sagt Schulleiterin Karin Udelhoven. Häufig wurden auch Verwandte zurückgelassen. Die Sorge um die Angehörigen im Heimatland belastet oft auch die Kinder.

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Ein weiteres Problem ist die Ungewissheit, ob die Familien in Deutschland bleiben. "Viele ukrainische Schüler sind in Gedanken auf dem Weg nach Hause", sagt Oliver Pick vom Verband Bildung und Erziehung in Rheinland-Pfalz. So seien nach seiner Erfahrung und die seiner Kollegen etwa dreiviertel der ukrainischen Schüler der Auffassung: "Wir bleiben nicht hier. Wir gehen ja sowieso zurück."

Doppelbelastung durch Online-Unterricht

Um den Anschluss in der Ukraine nicht zu verpassen, nehmen viele ukrainische Schüler nach der Schule noch am Online-Unterricht ihrer Heimatschulen in der Ukraine teil. Inklusive Prüfungen und Tests, die auch schon mal am späten Abend stattfinden können.

Da bleibt die Motivation für den deutschen Unterricht oft auf der Strecke.

Auch Elizaveta Kuznetsova schreibt solche Leistungsnachweise mit. Für viele Schüler bedeute das eine enorme Doppelbelastung. Da bleibe die Motivation für den deutschen Unterricht oft auf der Strecke, erklärt Oliver Pick vom Verband Bildung und Erziehung.

Keine Prüfung der Sprachkenntnisse

Doch die Schwierigkeiten mit der Motivation und der Integration beginnen schon früher, sagt Schulleiterin Karin Udelhoven vom Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Von den 28 ukrainischen Schülern an der Schule gibt es bei neun von ihnen Schwierigkeiten. "Da klappt es mit der Einbindung in den Unterricht und in die Klasse nicht so gut", erklärt Udelhoven.

Caroline Steuer (li) und Karin Udelvoven vom Friedrich-Wilhelm-Gymnasium Trier. Derzeit besuchen 28 Schüler aus der Ukraine die Schule.
Caroline Steuer (links) und Schulleiterin Karin Udelhoven am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier.

Das liege oft nicht an den Schülern, sondern am System, wie die ukrainischen Kinder und Jugendlichen auf die Schulen verteilt werden, erklärt Caroline Steuer. Sie ist Lehrerin am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und betreut die ukrainischen Schüler.

Eine zentrale Prüfung über die Sprachkenntnisse oder eine sogenannte Sprachstandserhebung wie in Kitas vor der Einschulung üblich, gibt es für die ukrainischen Geflüchteten nicht. Auch ist nicht immer geklärt, welche Schule – Gymnasium oder Realschule – die Schüler im Heimatland besucht haben. Und so passiere es, dass Schüler aufs Gymnasium kommen, die eigentlich eine andere Schulform bräuchten.

Überforderung und Verständnisprobleme

Können die ukrainischen Schüler am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium kein oder kaum Deutsch, sind sie nur zwei Tage in der Woche im Unterricht und in ihrer Klasse. Die anderen drei Tage lernen sie in Intensivkursen die neue Sprache. Die Kurse finden in einer anderen Schule mit einer anderen Klasse statt. "Das stellt die Schüler vor die Herausforderung, sich in zwei Gemeinschaften einfügen zu müssen", sagt Steuer.

Daraus erwächst eine Motivationslosigkeit.

Zudem gibt es Verständnisprobleme im Fachunterricht, sagt Steuer. Sie unterrichtet auch Erdkunde. So werden dort zum Beispiel Begriffe wie "Bruttoinlandsprodukt" oder "sozialpolitische Maßnahmen", die in der 9. und 10. Klasse gebraucht werden, nicht verstanden. Benötigte Materialien oft nicht mitgebracht. Das hat Folgen, weiß Steuer. "Der Unterricht wird dann schnell als frustrierend erlebt. Daraus erwächst sich eine von uns erlebte Motivationslosigkeit bei den Schülern."

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Integration in die Klasse gelingt nicht immer

Sind die Kinder nur an zwei Tagen an der Schule, ist das Ankommen in der Klasse schwerer, sagt auch Schulleiterin Karin Udelhoven. Freundschaften zu schließen auch. Und dann könne es passieren, dass nach Monaten die Mitschüler die Namen der ukrainischen Schüler noch immer nicht kennen.

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Häufig werden die Kinder und Jugendlichen wegen der fehlenden Deutschkenntnisse auch eine Klasse niedriger eingestuft. Oder sie schaffen die Versetzung in die nächste Klassenstufe nicht. Daher passiert es häufig, dass ukrainische Schüler ein oder zwei Jahre älter sind als ihre Mitschüler. In der Mittel- und Oberstufe kann das ein Ankommen in der Klasse erschweren.

Lösungen für ein vielschichtiges Problem

Doch wie kann eine bessere Integration der ukrainischen Schüler gelingen? Viele Schulen haben ihren eigenen Ansatz. Im Friedrich-Wilhelm-Gymnasium gibt es bei Schülern, die Schwierigkeiten haben, Gespräche mit den Kindern und deren Eltern. Es wird dabei geklärt, ob das Gymnasium weiter besucht werden kann oder ob ein anderer Abschluss wie die mittlere Reife oder die Berufsreife mit einem Abschluss der 9. Klasse, die bessere Alternative für den Schüler ist.

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Bei Bedarf werden die Familien bei einem möglichen Wechsel von der Schule unterstützt, erklärt Carolin Steuer, die an der Schule die ukrainischen Schüler betreut. Sind die Deutschkenntnisse später besser, sei bei dem durchlässigen Schulsystem ein höherer Abschluss immer noch möglich.

Täglicher Regelunterricht für ukrainische Schüler

Das Max-Plank-Gymnasium in Trier geht einen anderen Weg. Die Schule mit mehr als 1.000 Schülern hat die Kapazitäten, dass es die Deutschkurse im Haus durchführen kann, sagt Schulleiter Armin Huber. Die Schule hat dafür eine zusätzliche Stelle genehmigt bekommen. 12 Schüler von der 5. bis zur 10. Klasse besuchen jetzt jeden Tag in den ersten zwei Stunden den Deutschkurs. Danach gehen sie in ihre Klassen und machen den regulären Unterricht mit, erklärt Huber.

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Zudem gibt es pro Klasse nur einen ukrainischen Schüler. Seit der Umsetzung dieses Konzepts läuft es mit der Integration deutlich besser, sagt Huber.

Mehr Personal und mehr Stunden

Nicht jede Schule hat diese Möglichkeiten, sagt Oliver Pick vom Verband Bildung und Erziehung in Rheinland-Pfalz. Für die Integration und Motivationsprobleme brauche es deshalb "ausreichend Zeit und Stunden für die Schüler. Das ist der Schlüssel". Dafür sollten alle Schulen mit entsprechendem Personal ausgestattet werden, so seine Forderung.

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Verpflichtender Deutschkurs vor Schuleintritt

Das wäre sicherlich wünschenswert, sagt auch Caroline Steuer vom Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier. Was die Schüler aus der Ukraine aber wirklich voran bringen würde, wäre ein verpflichtender Deutschkurs. Und zwar, bevor die Kinder und Jugendlichen an die Schulen kommen. Das wäre für sie eine Entlastung.

"Sie könnten dann fünf Tage regulär in die Schule kommen. Mit allen Unterrichtsstunden und den Mitschülern. Es würde ihnen die Chance eröffnen, schneller und besser Fuß zu fassen."

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