Er ist eine Institution in Trier: Harald Michels. Der Leiter des Gesundheitsamtes Trier geht nach fast 30 Jahren endgültig in Pension. Später als geplant und mit Vorsätzen.
Die Schränke im Büro von Harald Michels sind schon fast leer geräumt. Nur vereinzelt liegen noch kleine Papierstapel in den Regalen. Es sind die letzten Arbeitstage des Leiters des Gesundheitsamtes in Trier. Eigentlich wollte der 69-Jährige schon längst im Ruhestand sein.
SWR Aktuell: Harald Michels, Sie waren vier Jahre länger im Amt als ursprünglich geplant. Warum die Verlängerung?
Harald Michels: Wir hatten einige Jahre Probleme, einen Nachfolger oder Nachfolgerin zu finden. Wir hatten mehrmals - auch bundesweit - diese Stelle ausgeschrieben. Ohne Erfolg. Jetzt hat sich glücklicherweise Sabine Becker bereit erklärt, die Leitung des Amtes zu übernehmen. Sie war bisher schon kommissarische Leiterin. Ich war nur noch beratend tätig im letzten Jahr und sie wird ab Juli die Leitung des Gesundheitsamtes Trier übernehmen.
Menschen leben nicht gesünder als vor 30 Jahren
SWR Aktuell: Sie waren fast 30 Jahre Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Trier und des Kreises Trier-Saarburg. Leben die Menschen hier heute eigentlich gesünder als noch vor 30 Jahren?
Michels: Das ist ganz schwer zu sagen. Nehmen wir zum Beispiel mal das Thema Lungenkrebs in Trier. Wir hatten damals zusammen mit der Uni eine Studie gemacht und hatten herausgefunden, dass es in der Region Trier mehr Lungenkrebs gibt, weil einfach die Zigaretten billiger sind in Luxemburg und hier deutlich mehr geraucht wird als anderswo. Und wenn ich mir die aktuellen Daten der Sterblichkeit anschaue, sehe ich nicht, dass sich da was Gravierendes verändert hat.
Ich glaube, es ist ein ganz schwieriges Thema mit der Gesundheit. Wir haben das zuletzt bei Corona gesehen, dass wir zum Beispiel einfach das Problem mit Übergewicht bei Kindern haben und mangelnde Bewegung. Dass es wesentlich besser geworden ist, kann ich deshalb im Moment nicht sagen.
SWR Aktuell: Sie sagen, da seien mehr Präventionen nötig, also vorbeugende und verhindernde Maßnahmen, die so eine Entwicklung im besten Fall stoppen können. Was meinen Sie damit?
Michels: Wir haben die Möglichkeit, auch durch Förderungen des Bundes, im Gesundheitsamt einen neuen Schwerpunkt setzen zu können. Da hat meine Nachfolgerin Sabine Becker entscheidend mitgewirkt. Es wird hineingegangen in die Kommunen, um dort die Situation von Kindern in bestimmten Bereichen und auch von Senioren zu verbessern.
Bei Kindern geht es darum, dass Kinder, die im familiären Umfeld Probleme haben, vielleicht mit psychischen Erkrankungen oder mit Suchterkrankungen, gestärkt werden. Bei Senioren geht es darum, die Versorgung vor Ort mehr sicherzustellen und auch die Bewegung für Senioren einfacher zugänglich zu machen, wie das früher der Fall war. Ich glaube, da kommen wir gut voran.
Schweinegrippe, Tuberkulose-Fälle und Clostridium Deficile
SWR Aktuell: Sie haben viele Ausbrüche von Krankheiten in der Region Trier als Amtsleiter miterlebt. Da war die mysteriöse Darminfektion bei älteren Menschen 2007. Die Schweinegrippe oder die Tuberkulose-Fälle an der Universität Trier. Was waren die größten Herausforderung?
Michels: Neben der Corona-Pandemie war eine der größten Herausforderungen die vielen, zum Teil tödlich verlaufenden Darmerkrankungen bei Senioren im Jahr 2007. Wir hatten den ersten Nachweis eines neuen Erregers gefunden, das Bakterium Clostridium Deficile, Typ 027. Das wurde überall mit einem hohen Medieninteresse verfolgt. Ich weiß noch, wir hatten über die Dauer von drei Wochen jeden Tag eine Pressekonferenz, bei denen alle Sender und Medien dabei waren. Und ich erinnere mich daran, dass ich abends in der Tagesschau im ersten Beitrag zu sehen war. Dass zeigte schon, welche Bedeutung das bundesweit auch hatte.
Wir haben damals auch gesagt, wir brauchen hier schnell wissenschaftliche Unterstützung und haben sofort beim Robert Koch-Institut um Hilfe gebeten. Die haben uns ein Team geschickt und mit dem haben wir dann wirklich sehr sorgfältig die Ermittlungen geführt. Wir haben zahlreiche Fälle auch rückwirkend ermitteln können und die hygienischen Maßnahmen relativ rasch verschärft. Die Infektionen haben wir dann auch rasch in den Griff bekommen.
Wir hatten damals in einer Woche drei Todesfälle und haben das offen kommuniziert. Und gehen Sie mal mit so einer Nachricht an die Presse. Da ist direkt ein großes mediales Interesse da. Deshalb ist das mir so bleibend in Erinnerung geblieben und hat mich bei meiner ganzen beruflichen Laufbahn begleitet, dass man auch schlechte Nachrichten besser so schnell wie möglich mitteilt und nichts versteckt und nichts unter den Teppich kehrt. Irgendwann kommt es raus und dann steht man schlecht da, als wenn man es selber offensiv kommuniziert. Das habe ich gelernt.
Ruhestand genießen und "das Leben schön machen"
SWR Aktuell: Werden Sie weiterhin beratend tätig sein oder ziehen Sie sich ganz zurück?
Michels: Nein, ich höre auf. Natürlich, meine Handynummer wird sich nicht ändern. Wenn irgendjemand mal eine Frage hat, werde ich mich nicht verwehren. Aber ich glaube, es ist nicht nötig. Sabine Becker ist eine fachlich hervorragende Kollegin, sehr kompetent, sehr kommunikativ. Sie ist gut vernetzt und sie wird das hervorragend machen.
SWR Aktuell: Worauf freuen Sie sich im Ruhestand am meisten?
Michels: Ehrlich gesagt auf die Zeit mit meiner Frau. Sie ist über die ganzen Jahre viel zu kurz gekommen. Und wir werden uns das Leben noch schön machen. Das habe ich ihr versprochen. Das mache ich und dazu stehe ich auch.
SWR Aktuell: Rückblickend auf die letzten 30 Jahre: Ein Gesundheitsamt zu leiten ist kein Spaziergang?
Michels: Nein, es gibt immer was zu tun, was in der Öffentlichkeit oder auch sonst vielleicht nicht so bekannt ist. Das Gesundheitsamt ist meistens mitten drin dabei. Bei allen Belangen der Bevölkerung ist das Gesundheitsamt gefragt, ob es jetzt um Hitze geht, ob es um Umwelteinflüsse geht, aus der Luft, aus dem Wasser. Wenn Fragen rund um unser Trinkwasser aufkommen oder die Qualität von Badeseen. Das Gesundheitsamt ist immer dabei.