Der Stadtrat Gerolstein hat sich am Mittwochabend mit großer Mehrheit gegen eine geplante Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete im Stadtteil Michelbach ausgesprochen. Ein entsprechender Antrag der CDU-Fraktion wurde mehrheitlich angenommen.
In dem Antrag heißt es, Landrätin Julia Gieseking (SPD) solle ihre Pläne zurücknehmen, im Stadtteil Michelbach bis zu 60 Flüchtlinge in einem ehemaligen Hotel unterzubringen. Die Anzahl der Flüchtlinge stehe in keinem Verhältnis zur Einwohnerzahl des Ortes. In Michelbach leben knapp 90 Menschen. Außerdem gebe es keine Infrastruktur im Ort.
Von Plänen überrumpelt Widerstand gegen Flüchtlingsunterkunft
Im Gerolsteiner Ortsteil Michelbach will der Kreis ein altes Hotel als Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete nutzen. Bürger und Kommunalpolitiker sind dagegen.
CDU und SPD kritisieren geplante Flüchtlingsunterkunft in Michelbach
In Michelbach könne man vielleicht eine oder zwei Familien aufnehmen, so CDU-Fraktionschef Winfried Wülferath. "Ich sehe Probleme, bis zu 60 Menschen dort unterzubringen. Deshalb werden wir diesem Vorhaben nicht zustimmen."
Dem Antrag schloss sich auch die SPD-Fraktion an. Fraktionsvorsitzende Evi Linnerth sagte, die SPD halte die geplante Einrichtung in Michelbach für gänzlich ungeeignet. Die von der Kernstadt Gerolstein weit entfernte Lage sei für die Geflüchteten nicht zumutbar. Daher habe die SPD den Mut gefasst, offen zu sagen: "Michelbach ist ungeeignet. Michelbach ist überfordert."
Auch Stadtbürgermeister sieht Gemeinschaftsunterkunft kritisch
Auch der Stadtbürgermeister von Gerolstein, Uwe Schneider (SPD), unterstützte den CDU-Antrag. Schneider sagte dem SWR, es sei berechtigt, die Sorgen der Anwohner zu verstehen. Die Menschen vor Ort dürften nicht überfordert werden. "Was uns Bauchweh macht, ist die Relation der Einwohner zu den Flüchtlingen. Da sehen wir ein soziales Ungleichgewicht."
Schneider betonte zu Beginn der Stadtratssitzung, das Asylrecht sei im Grundgesetz verankert. "Asylsuchende verdienen faire Verfahren und müssen vor Diskriminierung geschützt werden." Deshalb gelte es, gute Lösungen für alle zu finden.
Kritik an Informationspolitik des Landkreises
Grünen-Fraktionsvorsitzender Tim Steen stimmte gegen den CDU-Antrag. Er begründete das damit, dass es noch gar kein Konzept für die Unterkunft gebe. Daher könne er die Pläne nicht grundsätzlich ablehnen.
Er verstehe aber die Sorgen der Menschen in Michelbach. "Da kommen eine Menge Leute in ein kleines Dorf. Da gibt es Verunsicherung, das ist klar", so Steen.
Sprecher aller Parteien kritisierten die Informationspolitik des Landkreises Vulkaneifel. So habe die CDU-Fraktion erst in der vergangenen Woche durch die Menschen im Ort von den Plänen erfahren, sagte CDU-Stadtrat Wülferath. Eine offizielle Information habe es nicht gegeben. Auch die SPD-Fraktion habe es nicht früher erfahren, so Fraktionschefin Linnerth.
Anwohnerin brach in Tränen aus
Zuvor ging es in der Stadtratssitzung teils emotional zu. Drei Bürgerinnen aus Michelbach meldeten sich in der Stadtratssitzung zu Wort. Eine Anwohnerin sagte unter Tränen, sie fühle sich von Landrätin Gieseking belogen und hintergangen, sie nehme die Sorgen der Menschen in Michelbach nicht ernst. Die Anwohner seien viel zu spät über die Pläne informiert worden.
Nach den Statements gab es Applaus und Standing Ovations von den Besuchern der Sitzung.
Unterkunft für Geflüchtete in Michelbach soll später öffnen
Landrätin Julia Gieseking (SPD), die ebenfalls in der Stadtratssitzung war, ging nicht näher auf die Kritik der Bürger ein. Sie bot den Anwohnern ein persönliches Gespräch an.
Zwei Stunden vor Beginn der Stadtratssitzung in Gerolstein informierte die Landrätin in einer Pressekonferenz in der Kreisverwaltung in Daun über die geplante Flüchtlingsunterkunft in Michelbach - und zeigte sich darin auch selbstkritisch: "Wir haben wahrgenommen, dass sich die Menschen in Michelbach überrumpelt gefühlt haben", so Gieseking. Daher werde die Gemeinschaftsunterkunft nicht wie vorgesehen am 1. Februar öffnen, sondern etwas später.
Geplant sei jetzt, dass die ersten Geflüchteten Mitte oder Ende Februar in das ehemalige Hotel einziehen. "Wir werden zunächst mit den Menschen das Gespräch suchen und alle Bedenken ausräumen", so die Landrätin.
Info-Veranstaltung und Demonstration in Michelbach am Donnerstag
Der Landkreis will am Donnerstagnachmittag in einer Informationsveranstaltung die Pläne vor Ort in Michelbach vorstellen. Parallel haben Michelbacher Bürger eine Demonstration angemeldet. "Wir müssen schauen, ob wir die Info-Veranstaltung wegen der Demo überhaupt machen können", so Landrätin Gieseking. Sie werde aber in jedem Fall in Michelbach sein und mit den Menschen sprechen.
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