Wenn junge Flüchtlinge nicht als minderjährig anerkannt werden, landen sie in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA). Das stürze viele in eine tiefe Krise.
Ein junger Afghane begrüßt mich in einem Büro der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier mit Handschlag und auf deutsch. Das hat er so in einer Jugendhilfeeinrichtung gelernt als er nach Deutschland kam. Vom ersten Tag an hatte er Sprachunterricht und lernte, wie sich das Leben in Deutschland von dem in Afghanistan unterscheidet. Viele alltägliche Tipps. Es gab eine feste Struktur wie in einer Schule. Seinen Angaben nach war er da 17 Jahre alt. Drei Monate später war das vorbei. Im sogenannten "Clearing-Verfahren" wurde er als volljährig eingestuft und musste in die Afa Trier umziehen.
Wie ihm erging es zwei weiteren jungen Männern aus Afghanistan. Sie sagen, sie sind 16 Jahre alt. Ihre Papiere, die wurden nicht anerkannt. Das ist üblich. Die Tazkiras, die afghanischen Staatsbürgerausweise, sind leicht zu fälschen und werden auch gehandelt. Einer der Jungen erzählt von seinem Interview beim Jugendamt, bei dem ermittelt wird, wie alt die jungen Flüchtlinge wirklich sind. Das passiert immer, wenn junge Flüchtlinge nicht zweifelsfrei belegen können, wie alt sie sind. Inaugenscheinnahme heißt das bei den Behörden.
Er habe immer noch Albträume, sehe die Situation im Jugendamt vor sich. "Ich werde das niemals vergessen, die Blicke dieser Frau, wie sie mir nicht glaubt, dass ich minderjährig bin."
Hilfeangebote in der Afa
Die Mitarbeiter des Psychosozialen Zentrums für Geflüchtete in der AfA Trier, Lydia Rempel und Markus Lauterborn, wollen den jungen Flüchtlingen helfen, das Erlebte zu verarbeiten. Die oft dramatische Flucht, die Einsamkeit und das Gefühl, dass einem keiner in Deutschland glaubt. Die Einrichtung von Diakonie und Caritasverband Trier berät unabhängig bei rechtlichen und sozialen Verfahren wie den Bescheiden vom Jugendamt. In einem Kunstprojekt des Psychosozialen Zentrums zeigen die drei Afghanen ihr Innerstes. Der Kontrast zwischen der sicheren Jugendhilfeeinrichtung, in der sie zunächst als Minderjährige wohnten und dem Leben in der AfA mit fast eintausend Geflüchteten.
Viele junge Flüchtlinge in der AfA Trier
Die beiden Mitarbeiter von Diakonie und Caritas erzählen, dass sich seit dem Sommer auffällig viele Jugendliche an sie gewandt hätten oder von den Sozialdiensten geschickt worden seien, weil aufgefallen sei, dass die jungen Leute in der AfA sich selbst überlassen gewesen seien. Viele hätten offensichtlich jung ausgesehen.
Flüchtlingszahlen auf hohem Niveau Minderjährige Flüchtlinge in Trier sind immer jünger
Sie kommen ohne ihre Eltern in der Region Trier an. Die Flüchtlinge sind jünger als 2015. Die Anforderungen an das Schwerpunktjugendamt Trier wachsen.
Eigentlich sollen die beiden beim Asylverfahren beraten. Aber die Jugendlichen sind, sagen sie, gedanklich noch gar nicht dabei. Sie fragen sich: "Warum sind wir hier?" Am schlimmsten sei, dass ihnen keiner glaube. Sie fühlten sich als Lügner abgestempelt, ausgestoßen vom Hilfesystem. Hier setzen die beiden Helfer an. Sie hören zu, wie beim Kunstprojekt in der AfA.
Die jungen Flüchtlinge stehen unter Druck. Ihre Familien haben Schlepper bezahlt, damit sie ein besseres Leben hätten. Die Eltern haben sich oft verschuldet. Deshalb wollen die Geflüchteten etwas erreichen: Bildung, Ausbildungsplatz, Geld verdienen- auch für die Familie. Die Träume klingen ähnlich. In der Erstaufnahmeeinrichtung sehen sie diese Träume zerplatzen. Sprachkurse sind überfüllt, der Einstieg in die Arbeit scheint unerreichbar. Die Situation ist schwer für sie. Das sehen auch die Mitarbeiter des psychosozialen Zentrums.
Die jungen Leute haben eine Flucht hinter sich, haben Menschen sterben sehen, haben gehungert. Sie sind einsam. Es ist schwer in der AfA Kontakte zu knüpfen, denn die Geflüchteten kommen aus verschiedenen Ländern, werden oft schnell verlegt. "Unterm Strich würde ich sagen, dass die Erstaufnahmeeinrichtung ein unzumutbarer Ort ist insbesonders für so junge Personen", sagt Markus Lauterborn vom Psychosozialen Zentrum der Diakonie.
Fachkräftemangel erschwert Lösungen
Die beiden Praktiker sehen, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes eine schwere Aufgabe haben und entscheiden müssen, wer volljährig ist und wer nicht. Aber auch die, die als volljährig eingestuft würden, seien noch jung. Deshalb wünschen sie sich pädagogisch begleitete Wohngemeinschaften für diese Flüchtlinge. Vielleicht nicht so engmaschig wie für 15-Jährige, aber mit einem schnellen Zugang zum Bildungssystem, mit pädagogischer Begleitung und mit Schutz vor Gefahrensituationen. Angesichts des Fachkräftemangels auch in der Jugendhilfe scheint das utopisch.
Schwierig, Hilfen für junge Erwachsene zu bekommen
Es gibt zwar die Möglichkeit, nach dem Jugendhilfestärkungsgesetz Hilfe für junge Volljährige zu beantragen. Das haben die beiden Mitarbeiter des psychosozialen Zentrums auch versucht und zwei umfangreiche Anträge gestellt. Sie wurden abgelehnt.
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