Für Frühjahr war er angekündigt, jetzt kommt er erst im Winter: ein neuer Aufzug am Bahnhof Gerolstein. Solange nehmen Gehbehinderte oder Menschen mit Koffern steile Treppen.
Der Bus fährt am Bahnhof Gerolstein ein, der Anschlusszug steht dort schon auf dem Gleis bereit, jetzt muss es schnell gehen. Aber - Wusch! - schon ist der Zug abgefahren. So ist es Wolfgang Scheibe schon öfter ergangen, berichtet der Fahrgast aus der Eifel. Der Grund für den verpassten Zug: Der Bahnhof Gerolstein ist nicht barrierefrei, Scheibe ist aber gehbehindert.
Seit in Gerolstein nach den Zerstörungen durch die Flut wieder Züge in den Bahnhof fahren können, halten diese grundsätzlich auf Gleis 3. Das ist nur über eine neu gebaute Überführung zu erreichen. Der Aufzug von Gleis 1 hoch auf die Überführung funktioniert einwandfrei, sagt Scheibe. So wie auch Gleis 1 barrierefrei über eine Rampe zu erreichen ist.
"Wenn ich aber auf der Überführung angekommen bin, dann muss ich die steile Treppe runter. Wenn man behindert ist oder Gepäck hat, ist das fast unmöglich. Das ist einfach ein riesiges Problem." Wenn die Lokführer es mitbekommen, dass er den Zug noch bekommen will, würden sie auch schon mal warten. Aber eben nicht immer.
Aufzug soll im Dezember kommen
Zwar ist ein Aufzugschacht von der Überführung hinunter zu Gleis 2 und 3 vorhanden. Seit Monaten ist der aber abgesperrt. Die Deutsche Bahn (DB) begründet das damit, dass Liefertermine für Material nicht eingehalten worden seien. Die Bahn setze alles daran, den Aufzug schnellstmöglich fertigzustellen, so eine Sprecherin. Aktuell rechne man damit im Dezember.
Bis dahin sollten in ihrer Mobilität eingeschränkte Fahrgäste die Mitarbeitenden der sogenannten Mobilitätsservice-Zentrale per Telefon oder Mail kontaktieren. Diese sollen helfen, die Reise zu planen und durchzuführen. Wer sich dafür anmelde, könne Ein- und Ausstiegshilfen in den Zügen nutzen. Außerdem habe die Bahn an ihren Bahnhöfen Hubgeräte, Rampen, Treppenlifte und Elektromobile.
Nur mit mehreren Klicks zu Hilfestellungen
Nach Angaben der DB gibt es auf ihren Informationskanäle Hinweise, dass in Gerolstein kein barrierefreier Ein- und Ausstieg möglich ist. Tatsächlich findet sich ein solcher Hinweis, wenn man über die Webseite der Bahn beispielsweise eine Verbindung von Trier nach Gerolstein sucht.
Allerdings nicht sofort. Sondern erst, wenn man dort auf die Bezeichnung "Gerolstein" klickt, dann scrollt, dann auf ein Feld zur Barrierefreiheit klickt, dann das richtige Gleis auswählt, um dann den Hinweis zu erhalten, dass ein "Stufenfreier Zugang" an Gleis 3 "nicht vorhanden" ist. In der App erhält man diesen Hinweis bei gleicher Vorgehensweise nicht.
Stadt und Verbandsgemeinde stellen Forderungen
Aber nicht nur Menschen mit Gehbehinderungen haben Probleme durch den Aufzug, der nicht fährt: "Das ist natürlich unseren touristischen Gästen ein Dorn im Auge. Aber auch für den ganz normalen Bahnfahrer: Für die Mütter und Väter mit dem Kinderwagen, für Menschen mit E-Bikes. Das sind unhaltbare Zustände, diese Geräte die Treppen hochzuschleppen", sagt Gerolsteins Stadtbürgermeister Uwe Schneider (SPD).
Er und die Verbandsgemeinde haben nach eigener Aussage zahlreiche Beschwerden von Reisenden erhalten. In einer wird etwa von der 86-jährigen Frau mit Rollator berichtet, die mit dem nächsten Zug zurückgefahren sei, ohne den Bahnsteig in Gerolstein verlassen zu haben.
Stadt und Verbandsgemeinde waren ursprünglich davon ausgegangen, dass der Aufzug im Frühjahr dieses Jahres kommt, später dann von Ende September. Dass es sich jetzt weiter verzögert, wie die Bahn auch in einem Schreiben an Schneider mitgeteilt hat, wolle man nicht akzeptieren.
Deshalb haben Stadt und Verbandsgemeinde am 20. September an die Deutsche Bahn geschrieben. "Nach unserer Einschätzung hätten zwischenzeitlich einige bis alle Arbeiten erledigt werden können", heißt es in dem Schreiben. Bisher gab es darauf keine Antwort.
Steg über Gleis als Lösung?
Schneider fordert eine kurzfristige, konkrete Lösung: "Mir nutzen keine Entschuldigungsbriefe der Bahn etwas, wir brauchen Tatsachen. Ich frage mich echt: Was ist den Sommer über passiert?" Eine Idee für Barrierefreiheit wäre ein ebenerdiger Steg über das Gleis 1, wie er schon für die offizielle Einweihung der Eifelstrecke aufgebaut wurde. Auf Gleis 1 fährt schließlich zurzeit kein Zug.
"Warum nutzen wir nicht Gleis 1 für die Züge? Das wäre für alle Leute klasse. Stattdessen haben wir diesen Mist da", kommentiert Fahrgast Wolfgang Scheibe die Situation. Auch das hat laut Deutscher Bahn mit Materialengpässen zu tun: Weil vor allem Kabel fehlten, hätten noch nicht alle Signalanlagen an das Stellwerk in Gerolstein angebunden werden können.
Deshalb habe man sich entschieden, zunächst Züge über die Gleise fahren zu lassen, an denen die Signale funktionieren. Wann das auch auf Gleis 1 der Fall sein wird, bleibt unklar.
Ministerium verweist an Deutsche Bahn
Vor Dezember dürfte sich am Bahnhof Gerolstein aber nichts mehr tun: Stadt und Verbandsgemeinde haben zwar auch das zuständige Ministerium um Unterstützung gebeten. Das Mobilitätsministerium teilte auf SWR-Anfrage mit, man stehe mit der zuständigen "DB Station & Service" regelmäßig in Kontakt.
Demnach geht das Ministerium davon aus, dass die Arbeiten am Aufzug noch in diesem Jahr abgeschlossen werden und es zu keinen weiteren Verzögerungen kommt. Fragen zum Aufzug sollten aber an die Deutsche Bahn gestellt werden.
Bis Dezember muss Wolfgang Scheibe also entweder bei jeder Fahrt mit dem Zug ab Gerolstein vorher den Mobilitätsservice kontaktieren. Oder er nimmt weiter die beschwerliche Treppe: "Ich muss immer aufpassen und bin froh, wenn mir niemand entgegenkommt und ich mich an einer Seite festhalten kann."