Vielen Menschen in RLP ist offenbar nicht egal, was gerade in ihrem Land passiert. Das zeigen die Tausenden, die seit Wochen auf die Straße gehen - für die Demokratie und gegen einen Rechtsruck.
Aber wie steht es darüber hinaus um die politische Kultur in Rheinland-Pfalz? Wie zufrieden sind die Menschen im Land mit der Demokratie? Und wie beteiligen sich die Rheinland-Pfälzer und Rheinland-Pfälzerinnen politisch und gesellschaftlich? Diesen und weiteren Fragen ist der "Rheinland-Pfalz-Monitor" nachgegangen. Das Trierer Institut für Demokratie- und Parteienforschung hat im Auftrag des Landtags 2023 grundlegende Einstellungen und Stimmungslagen erfragt und die politische Kultur im Land "vermessen". Die ersten Ergebnisse der Studie liegen jetzt vor.
Demokratie ist die beste mögliche Staatsform
Fast 90 Prozent der befragten Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer halten die Demokratie für die beste mögliche Staatsform. Befragt nach den Vorteilen, die eine Demokratie bietet, nennen 29 Prozent die Meinungsfreiheit. Knapp dahinter liegen mit 28 Prozent die Möglichkeit der Mitbestimmung und das Wahlrecht. 21 Prozent nennen persönliche Freiheiten wie etwa Freizügigkeit, Reisefreiheit und die Freiheit der Religionsausübung als größte Vorteile. Den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung sowie die Gleichberechtigung nennen noch 6 beziehungsweise 3 Prozent.
Gefragt nach den Nachteilen eines demokratischen Staatswesens sagen 13 Prozent, dass Entscheidungen oft zu lange dauern, 11 Prozent sind der Meinung, dass die Demokratie nicht wehrhaft genug ist und keine Durchsetzungskraft hat. Trotz diverser Nachteile sind 94 Prozent nicht der Meinung, dass eine Diktatur die bessere Staatsform wäre.
Mehrheit in RLP zufrieden mit der persönlichen Lage
Jeweils deutlich mehr als 70 Prozent sind mit ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation und ihrem Maß an Freizeit zufrieden. Über die medizinische Versorgung und ihre soziale Absicherung äußern sich noch 71 Prozent positiv.
61 Prozent sind der Ansicht, dass sich Rheinland-Pfalz alles in allem gut entwickelt. Allerdings fürchten 75 Prozent eine Verschlechterung der Lage. Sorge, durch die gesellschaftliche Entwicklung auf der Verliererseite zu stehen, haben 26 Prozent der Befragten.
Was sind die wichtigsten Probleme in RLP?
Die derzeit wichtigsten Probleme in Rheinland-Pfalz sind laut Studie die Bereiche Flüchtlinge/Integration, Bildung sowie Verkehr und Infrastruktur. Mit einigem Abstand folgen danach Energiepolitik, Digitalisierung und Arbeitslosigkeit. Eher am Ende der Liste liegen Themen wie Inflation und Innere Sicherheit. Ohne Nennung bleiben Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Mindestlohn und der Krieg gegen die Ukraine.
Hohes Interesse an Politik - aber Wunsch nach mehr Beteiligung
Gut 60 Prozent der Rheinland-Pfälzer sehen sich als stark oder sogar sehr stark politisch interessiert. Fast 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mehr Möglichkeiten zur direkten politischen Beteiligung, etwa Volksentscheide oder Bürgerräte. Im Gegenzug sind nur etwas über 20 Prozent der Ansicht, dass sie genügend Möglichkeiten haben, auf das Handeln der Regierenden Einfluss zu nehmen.
Hering: "Das ist eine Aufforderung, mehr für Demokratie zu tun"
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten neigt einer politischen Partei zu (ohne Nennung, welcher). 42 Prozent tun dies nicht, die übrigen machen keine Angabe. 81 Prozent sind der Meinung, dass parteilose Bewerberinnen und Bewerber - etwa auf kommunaler Ebene - eine gute Ergänzung oder Alternative zu den Kandidaten der Parteien sind.
Identität und Tradition - Mehrheit eher regional verwurzelt
67 Prozent der Befragten meinen, dass es wichtig ist, sich auf Traditionen zu besinnen. Gefragt nach Identität, sehen sich 27 Prozent als Deutsche, 8 Prozent als Rheinland-Pfälzer. Deutlich mehr, nämlich 41 Prozent, identifizieren sich über ihre Region. Und noch 15 Prozent sehen sich als Europäer.
Meinungsfreiheit, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus
63 Prozent der Befragten sind überwiegend der Ansicht, dass man in Deutschland seine Meinung frei äußern kann, ohne Nachteile fürchten zu müssen. 35 Prozent sagen, das sei eher nicht so.
Eine knappe Mehrheit der Befragten stimmt der Aussage zu, dass hierzulande eine Überfremdung durch andere Kulturen stattfindet. Eine Gefahr für die Stabilität und Sicherheit durch Muslime sieht eine Minderheit von 32 Prozent. In etwa die Waage halten sich Zustimmung und Ablehnung bei der Aussage, dass Ausländer den Sozialstaat ausnutzen wollen. Und eine ganz klare Mehrheit widerspricht der Ansicht, dass jüdische Menschen "etwas Besonderes und Eigentümliches an sich haben und nicht zu uns passen". Lediglich 4 Prozent stimmen dem zu.
Verschwörungstheorien auch in RLP verbreitet
Die Befragung zeigt auch, dass Verschwörungstheorien in einigen Teilen der Bevölkerung verfangen. Etwa ein Drittel sagt, dass es "geheime Organisationen" gibt, die Ereignisse und politische Entwicklungen kontrollieren oder stark beeinflussen. 15 Prozent sagen, sie wüssten es nicht oder haben dazu keine Meinung.
Eine Mehrheit ist der Ansicht, dass "Mächtige in der Gesellschaft" gegen die Interessen der einfachen Bevölkerung handeln. Knapp 30 Prozent stimmen dieser Aussage eher nicht oder gar nicht zu.
Verbreitet Angst vor dem Klimawandel
Ein gesondertes Thema der Studie dreht sich um Klimaschutz und Klimawandel. Für gut 70 Prozent der Befragten ist der Klimawandel "angsteinflößend". Etwa ebenso viele sind der Ansicht, dass mehr politische Maßnahmen nötig sind, um sich an die nicht mehr zu verhindernden Folgen des Klimawandels anzupassen. Die große Mehrheit ist außerdem der Auffassung, dass die Förderung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit einher gehen muss mit sozialer Gerechtigkeit. Ebenfalls eine Mehrheit sagt auch, dass Klimaschutz nicht ausschließlich Aufgabe der Politik ist, sondern auch Einzelpersonen etwas beitragen können.
Unzufriedenheit in kleinen und mittleren Städten größer
Insgesamt zeigt die Studie bei den meisten Antworten keine großen Unterschiede bei Geschlecht und Alter der Befragten. Auffällig sei aber, dass in kleinen und besonders mittleren Städten eine größere politische Unzufriedenheit und Zukunftsangst herrschen. Mittelstädte definiert die Studie als Kommunen mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern, also etwa Pirmasens, Worms, Speyer oder Landau.
Fazit des RLP-Monitors: Die Demokratie als Staatsform ist im Land fest verankert. Es gibt laut Studie eine breite politische Mitte mit nur schwachen extremen Rändern und kaum Generationen- und Geschlechterunterschiede bei den Antworten. Die Unzufriedenheit ist allerdings unterschiedlich stark verbreitet. Auffallend auch: Die große Identifikation der Rheinland-Pfälzer mit ihrer jeweiligen Region.
Demos gegen Rechtsextremismus auch in Speyer, Trier und Nierstein Tausende demonstrieren gegen AfD-Veranstaltung und Alice Weidel in Simmern
Die AfD-Bundestagsfraktion hatte zu einem Bürgerdialog in die Hunsrückhalle in Simmern eingeladen, unter anderem mit Parteichefin Alice Weidel. Es kam zu Protesten.