Seit Ende März ist Nino Haase der erste parteilose Mainzer Oberbürgermeister - nach mehr als 70 Jahren SPD auf dem Chefsessel im Mainzer Rathaus. Konnte Haase politisch schon etwas bewegen und was ist der Eindruck der Menschen, die mit ihm zusammenarbeiten?
Fast kein Tag ohne ein Lebenszeichen von Nino Haase auf Instagram. Von vielen Terminen postet der neue Mainzer OB ein Foto oder Video und gibt Einblicke in seinen Alltag als Politiker. Hände schütteln, Pressekonferenzen geben und die Stadt repräsentieren. 830 Termine hat Haase für die Stadt bereits wahrgenommen, erzählt er im SWR-Interview.
Mit ihm als OB hat die Stadt Mainz auch einen Instagram-Kanal eingeführt. Diesen nutzt Haase neben seinem eigenen Kanal, um mit den Bürgerinnen und Bürgern zu kommunizieren. Pünktlich zu den ersten 100 Tagen hat er nun auch sein erstes Herzens-Projekt die Kita-Initiative "Personal+" vorgestellt. Demnach sollen demnächst 111 neue Kita-Stellen geschaffen werden.
Neuer OB Haase wird in der Stadt wahrgenommen
Wenn man sich in der Stadt über den neuen OB umhört, zeichnet sich ein recht klares Bild: Nino Haase ist sehr präsent auf Terminen und Social Media, aber beim Thema Verwaltung ist offenbar noch Luft nach oben.
Einige der Mainzer Ortsvorsteher loben seine offene und kooperative Art. Sie fühlen sich gesehen und wertgeschätzt. Nino Haase habe die Fähigkeit, mit den Mainzer Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe zu kommunizieren, nehme sich Zeit und scheue nicht den Dialog. Er sei auf vielen Veranstaltungen und Terminen dabei, heißt es von den Ortsvorstehern aus Bretzenheim, Ebersheim, Finthen und der Altstadt.
Ortsvorsteher: Viele Worte, jetzt braucht es Taten
Gleichzeitig erwarten die Ortsvorsteher aber auch, dass den vielen Worten auch Taten folgen. Zum Beispiel, dass sich Nino Haase zum Ausbau der A643 positioniert, dass der Ortsbeirat der Altstadt in die Planung des Einkaufsquartiers Ludwigsstraße eingebunden wird und dass der neue OB eine Personalstrategie für die Mainzer Stadtverwaltung entwickelt.
Dezernenten der Grünen wollen sich nicht zu Haases ersten 100 Tagen äußern
Aus der Stadtverwaltung, dem neuen Arbeitsplatz von Nino Haase, kommen teils zurückhaltende Aussagen zu den ersten 100 Tagen des neuen Mainzer Oberbürgermeisters. Bürgermeister Günter Beck und Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (beide Grüne) wollen sich überhaupt nicht äußern.
Die SPD-Dezernenten sprechen von einem "freundlichen, konstruktiven Miteinander" (Baudezernentin Marianne Grosse) sowie einer "wertschätzenden und offenen Atmosphäre" (Sozialdezernent Eckart Lensch). Einzelne Verwaltungsabläufe mit dem neuen OB benötigten aber etwas mehr Zeit, sagt Lensch (SPD).
Grosse (SPD) erwartet nach eigenen Angaben einen "spannenden Prozess", wenn es in der Zukunft auch eigene Projekte des Oberbürgermeisters gebe. "Dann geht es darum, wo kriege ich meine Mehrheiten her", sagt Grosse.
FDP-Dezernent Hans: In der Realität der Verwaltung angekommen
Volker Hans (FDP), der ehrenamtlich das Dezernat Fördermittelmanagement leitet, ist weniger zurückhaltend. Haase müsse noch viel lernen. Er habe den Eindruck, der neue OB sei jetzt in der Realität der Verwaltung angekommen. Von außen könne man immer leicht sagen, dass sich etwas ändern müsse. Das sei in der Verwaltung aber nicht immer so einfach.
CDU-Dezernentin Matz: Haase bringt "frischeren Wind" in Verwaltung
Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz von der CDU spricht dagegen von einem "frischeren Wind", den Nino Haase in die Verwaltung gebracht habe. "Ich erlebe ihn als sehr, sehr angenehm. Es ist weitaus unkomplizierter, als es mit seinem Vorgänger der Fall war." Haase sei viel spontaner als der vorherige Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), sagt Matz. Es sei deshalb "relativ unkompliziert", mit dem neuen OB Themen abzustimmen.
Außerdem habe die Digitalisierung unter Haase eine höheren Stellenwert. So sei das Arbeiten im Homeoffice für die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung bereits viel einfacher geworden, sagt die CDU-Dezernentin. Insgesamt habe er sich auf die Aufgaben eines Oberbürgermeisters inhaltlich sehr gut vorbereitet und wisse auch über die Themen gut Bescheid.
Ampel: Neuer OB offen für Kritik und Anmerkungen
Aus der Ampelkoalition von Grünen, SPD und FDP im Mainzer Stadtrat ist zu hören, dass alle Fraktionen Haase in Gesprächen bereits kennengelernt haben. "Ich freue mich, wenn Dinge angegangen werden, die er angekündigt hat", sagt beispielsweise Jana Schmöller, Fraktionsvorsitzende der SPD.
Sie habe den Eindruck, dass Haase die Verwaltungsabläufe noch besser kennenlernen müsse. Er sei aber offen dafür, wenn man ihn im Stadtrat beispielsweise auf die Regeln wie die Redezeitbegrenzung hinweise. "Ich habe das Gefühl, er will sich da auch einarbeiten."
Haase müsse noch dazulernen
Als "Lernenden" bezeichnet auch David Dietz (FDP) den OB Haase. Viele eigene Duftmarken habe dieser noch nicht gesetzt. Ludwig Holle (CDU) fordert, dass Haase nun auch die Themen angehen müsse, die er im Wahlkampf kritisiert hatte. Er sei sehr sichtbar und habe die Stadt bisher gut repräsentiert.
Der Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, Tupac Orellana, beschreibt seinen Umgang mit Haase als unkompliziert, angenehm und respektvoll. Bei seiner Terminplanung habe der Oberbürgermeister allerdings noch Luft nach oben. Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Mainzer Stadtrat, Arne Kuster, teilte mit, dass Nino Haase die Ratssitzungen fair und unparteiisch leite, so wie es ein Amt erfordere.
Stadtratsmitglied Stufler: Amtszeit ist ein Marathon, kein Sprint
Im Wahlkampf wurde Haase von der ÖDP und von den Freien Wähler unterstützt. "Aus meiner Sicht macht er es ganz gut. Ich bin froh, dass er es geworden ist", sagt Erwin Stufler, Stadtratsmitglied der Freien Wähler. Er sorge sich fast, dass Haase zu viel mache. Schließlich wollten aktuell alle etwas von ihm. Die acht Jahre seiner Amtszeit seien schließlich ein Marathon und kein Sprint.
IHK: Mehr Einsatz für Wirtschaftsstandort Mainz
Nicht nur die Kommunalpolitik hat Forderungen und Erwartungen an Haase. "Er könnte noch mehr Fürsprecher für den Wirtschaftsstandort Mainz werden", sagt beispielsweise Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen. "Er muss sich aber wahrscheinlich auch noch mehr reinfinden."
Der neue Oberbürgermeister über seine ersten 100 Tage im Amt Mainzer OB Haase: "Wir machen uns das Leben noch zu kompliziert"
Im SWR-Interview spricht der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase unter anderem über seine ersten Erfahrungen in der Stadtverwaltung und was er politisch noch vor hat.
Dass Haase bereits Mehrheiten für seine Projekte im Stadtrat gefunden hat, denkt Jertz nicht. Sein Eindruck sei, dass die ganze Politik in Mainz aktuell sehr zurückhaltend sei wegen der Kommunalwahl. "Sie wollen es sich nicht mit ihm verscherzen und sind deshalb zurückhaltend - auch mit Kritik", so Jertz.
Vermittler zur Verwaltung?
Der Beirat für Migration und Integration setzt auch große Erwartungen in den neuen Oberbürgermeister - vor allem als Vermittler zur Stadtverwaltung. Der Beirat werde an der Planung der interkulturellen Woche und beim Integrationskonzept für Neuzugezogene bisher nicht beteiligt, sagt die Vorsitzende Peimaneh Nemazi-Lofink. "Wir sind regelmäßig im Kontakt mit ihm und er wird das ändern."
Und auch um die Mainzer Fastnacht will sich Nino Haase offenbar kümmern. In einem Gespräch zwischen Haase, der Fastnacht eG und Verwaltungsmitarbeitern habe der neue OB angekündigt, zu prüfen, mit viel Geld die Stadt die kommende Kampagne unterstützen könne, sagt Markus Perabo, Sprecher der Fastnacht eG. Entschieden sei aber noch nichts.
Viele Erwartungen an neuen Oberbürgermeister
Die Einarbeitungszeit von Nino Haase ist offenbar langsam vorbei und der neue OB wird wohl Prioritäten setzen müssen. Wie die aussehen und welche politischen Duftmarken Haase noch setzen will und kann, wird die kommende Zeit zeigen.