Ab sofort ist Cannabis legal. In der Pfalz gründen sich jetzt die ersten Cannabis Social Clubs.
Es ist ein großer Tag für Mark Fuchs und Marian Feilen. Lange haben sich die beiden Frankenthaler, wie sie sagen, dafür eingesetzt, dass Cannabis in Deutschland legalisiert wird. "Uns geht es darum, Leute zu entstigmatisieren und zu entkriminalisieren", so Feilen und Fuchs, Mitgründer des Cannabis Social Clubs Rheinpfalz.
Hoffnung: Offener Umgang mit Cannabis
Feilen hofft, dass durch die Teillegalisierung ein offener Umgang mit dem Rauschmittel entsteht. "Gerade bei Familien, in denen ein junger Mensch merkt, er hat ein Suchtproblem oder er wird im Freundeskreis dazu gebracht, zu konsumieren, war es in der Vergangenheit schwierig, darüber mit Erwachsenen zu sprechen, das weiß ich noch aus meiner Jugend." Denn um an Cannabis zu kommen, musste man es sich bislang illegal besorgen.
Das geht jetzt anders: Nach dem neuen Gesetz darf ein Erwachsener ab sofort Pflanzen für den Eigenbedarf anbauen - maximal drei. Wer nicht selber anbauen will, der kann Gras in Anbauvereinigungen bekommen - auch Cannabis Social Clubs genannt. Ab 1. Juli ist der nicht kommerzielle Anbau in diesen Vereinen erlaubt. Die gründen sich gerade nicht nur in Frankenthal, sondern an vielen verschiedenen Orten der Pfalz. Darunter auch Landau, Speyer und Ludwigshafen.
Cannabis-Anbau bald im Industriegebiet in Frankenthal?
Mark Fuchs und Marian Feilen sind froh, dass sie schon eine Produktionsstätte im Auge haben: mitten im Industriegebiet in Frankenthal. Mit der Stadtverwaltung seien sie im ständigen Kontakt. Dort muss am Ende die Baugenehmigung dafür erteilt werden. Ist das der Fall, will der Cannabis Social Club Rheinpfalz dort im Laufe des Jahres zwischen 300 und 400 Cannabis-Pflanzen anbauen.
So viele Pflanzen fordern auch die Vorsitzenden heraus. Denn die ganze Infrastruktur kostet. Dafür verwenden sie Eigenkapitel. Danach müsse das Geld über Mitglieds- und Zusatzbeiträge wieder reinkommen.
Cannabis Social Clubs: Viele Auflagen und Vorschriften noch unklar
Auch der Cannabis Social Club (CSC) Südpfalz ist mitten in den Vorbereitungen für die Anbauvereinigung. Der erste Vorsitzende, Carsten Boge, sucht mit seinen sieben Mitstreitern schon seit Monaten nach passenden Locations für den Anbau von Cannabis. Doch das stellt sich laut Boge als Herausforderung dar. Denn viele Regelungen seien derzeit noch unklar.
"Wir wissen beispielsweise nicht, ob ein Gewächshaus dann am Ende tatsächlich als Produktionsstätte erlaubt ist", so Boge. Das sei zwar gut für die Energiebilanz, wie es gefordert werde, aber die Produktionsstätten müssten gleichzeitig vor "Dritten" geschützt werden. Ob ein Gewächshaus aus Glas dem widerspreche, sei noch unklar.
Ein weiteres Problem sei der Emissionsschutz: Anlieger müssten vor der Geruchsbelästigung durch die blühenden Cannabis-Pflanzen geschützt werden - aber konkrete Vorschriften oder Richtlinien stünden auch hier noch aus.
Damit der CSC Südpfalz nichts falsch macht, arbeiten die Gründer nach eigener Aussage eng mit den Behörden zusammen. Dies beschleunige dann vielleicht auch die Zulassung, hofft Boge.
Erste Cannabis-Ernte vermutlich erst im Herbst
Jeder Verein darf maximal 500 Mitglieder aufnehmen. Beim CSC Südpfalz haben sich jetzt bereits mehr als 120 Menschen angemeldet - "und es werden jeden Tag mehr", so der Vereinsvorsitzende Carsten Boge.
Wann gibt es das erste Gras der Cannabis Social Clubs?
Mit der ersten Ernte könnte es aber dauern. Ab 1. Juli können die Anträge für eine Anbau-Gemeinschaft bei der entsprechenden Behörde eingereicht werden. Bis dahin muss beim Cannabis Social Club Südpfalz dann auch die Gebäudefrage geklärt sein. Mit der ersten richtigen Ernte rechnet der Cannabis Social Club Südpfalz daher erst im Herbst. Ein Labor muss dann noch die Richtwerte und Reinheit der Blüten überprüfen.
Die Vorsitzenden rund um den Cannabis Social Club Rheinpfalz in Frankenthal rechnen mit einem noch späteren Start der ersten Abgabe an die Mitglieder, erklärt Marian Feilen im Interview:
Drogenberatungsstellen in der Pfalz befürworten Legalisierung
Diplom-Psychologe Mark Blattner von der Aids-, Drogen- und Jugendhilfe Landau sieht in der Legalisierung von Cannabis einen "Schritt in die richtige Richtung".
Das größte gesundheitliche Risiko sei bisher nicht vom Cannabis selbst ausgegangen, sondern von den so genannten Streckstoffen, mit denen Cannabis auf dem Schwarzmarkt versetzt wurde. Da mit der Legalisierung künftig die Reinheit und auch die THC-Grenzwerte überprüft werden sollen, sei das eine Verbesserung, sagt Blattner.
Positiv sehe er auch, dass es durch die Legalisierung leichter werde, in kritischen Momenten Hilfe zu holen und beispielsweise den Rettungsdienst zu rufen. Das hätten sich viele bislang nicht getraut, da sie rechtliche Konsequenzen fürchteten.
Drogenhilfe Landau: "Gefahren von Cannabis werden überschätzt"
Grundsätzlich ist der Konsum von berauschenden Substanzen nie risikofrei, sagt Blattner - das gelte ebenso für Alkohol und Nikotin. In seinen Augen werde das Risiko von Cannabis in der Gesellschaft aber eher überschätzt, das von Alkohol dagegen unterschätzt.
Die biochemischen Prozesse, die Alkohol im Körper auslöse, seien für die Gesundheit problematischer als die, die Cannabis auslöse. Die Risiken für die psychische Gesundheit seien dagegen ähnlich.
Drogenhilfe Ludwigshafen: Legalisierung ist positiver Schritt
Auch die Ludwigshafener Sozialdezernentin Beate Steeg und die Abteilung Drogenhilfe in ihrem Dezernat befürworten grundsätzlich die Legalisierung. Konsumenten zu entkriminalisieren, vor verunreinigten Produkten zu schützen und den Schwarzmarkt auszutrocknen, seien erstrebenswerte Ziele.
Gleichzeitig fordern Steeg und die Ludwigshafener Drogenhilfe einen Ausbau der Aufklärungs- und Präventionsangebote. Es sei notwendig, die entsprechenden Stellen personell und finanziell deutlich aufzustocken.
Kritische Punkte aus Sicht der Drogenhilfe in der Pfalz
Kritisch sieht Mark Blattner von der Aids-, Drogen- und Jugendhilfe Landau, dass künftig auch im öffentlichen Raum Cannabis konsumiert werden kann: Beispielsweise abends in der Fußgängerzone. Aber auch dann seien Kinder und Jugendliche noch in der Stadt unterwegs. Auch für Menschen mit Suchtproblematik sei diese Regelung problematisch: Sie könnten Orte, an denen Cannabis geraucht werde, nicht mehr gezielt vermeiden.
Blattner hätte es daher sinnvoller gefunden, gesetzlich nicht zuerst den Heimanbau und Konsum in der Öffentlichkeit zu ermöglichen, sondern das Coffeeshop-Prinzip: Klar definierte Orte für Abgabe und Konsum, die aber auch gezielt gemieden werden können.
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