"Falsche Prioritäten"

Meinung: Cannabis-Gesetz ist weit entfernt von verantwortbar

Stand
Autor/in
Viktoria Machleidt
Reporterin Viktoria Machleidt aus dem SWR-Studio in Kaiserslautern.

Das „Ja“ zum Cannabis, um Gesundheitsgefahren zu verringern, ist lächerlich paradox. Es braucht keine Glaskugel, um zu ahnen, was der Gesellschaft damit bevorsteht. Ein Kommentar von SWR-Reporterin Viktoria Machleidt.

Das umstrittene Cannabis-Gesetz ist unterschrieben und tritt ab dem 1. April in Kraft. Künftig darf Cannabis also ab 18 Jahren legal angebaut und besorgt werden - mit Einschränkungen. Monatelang wurde laut debattiert, Bubatz endlich zu legalisieren. Der Fokus der Ampelkoalition: den Schwarzmarkt dämmen. Nach dem Motto: Wenn wir die begeisterten Kiffer schon nicht von ihrem Konsum abhalten können, dann sollen sie doch bitte wenigstens sauberen Stoff bekommen. Was ein erfolgversprechender Coup – Scherz.

Außerdem soll mit dem Gesetz natürlich auch die Jugend geschützt werden. Das Thema Cannabis muss raus aus der Tabu-Zone, rein in die Aufklärung. Junge Menschen müssen besser über mögliche Schäden aufgeklärt werden, so der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Und wie geht das wohl besser als mit der Erlaubnis, sich nahezu überall im öffentlichen Raum bekiffen zu dürfen. Von den wenigen nicht ernst zu nehmenden Ausnahmen mal abgesehen. Haben wir nicht genug Probleme?

Reporterin Viktoria Machleidt aus dem SWR-Studio in Kaiserslautern.
Reporterin Viktoria Machleidt aus dem SWR-Studio in Kaiserslautern.

Die Cannabis Teil-Legalisierung soll kein „Recht auf Rausch“ sein, argumentiert die Bundespolitik. Vielmehr sollen die Konsumentinnen und Konsumenten vor dem Schwarzmarkt geschützt werden. Diese Priorität finde ich merkwürdig, denn wer konsumiert, setzt sich ohnehin schon Gefahren aus. Die werden ja auch billigend in Kauf genommen. Mehr Aufklärung ist richtig und wichtig – keine Frage. Aber muss Cannabis dafür wirklich erst noch mehr Menschen schaden, bevor man aufklärt?

Erst Cannabis und irgendwann die chemischen Drogen

Der Cannabis-Konsum ist ein Türöffner für harte Drogen mit noch mehr schlimmen Folgen. Bei den Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ist der Besitz von Cannabis oft nur Teil einer Straftat. Den Rest machen andere Drogen aus. Ab Juli macht der Schwarzmarkt also nicht dicht, er verändert sich nur. Gras gibt es dann im Cannabis-Verein und das harte Zeug besorgt man sich einfach weiter beim Dealer des Vertrauens.

Cannabis: Behörden in der Westpfalz erwarten mehr Arbeit

Mit dem Gesetz will man auch den großen Aufwand der Justizbehörden minimieren. Damit die sich nicht mehr mit kleinkriminellen Machenschaften befassen müssen. Aber noch bevor der erste Joint überhaupt legal gedreht werden durfte, waren die Schreibtische der Staatsanwaltschaften in der Westpfalz bereits überfüllt. Stapelweise Akten von laufenden Verfahren müssen durch die Teil-Legalisierung angepasst werden. Im Bezirk des Oberlandesgerichts Zweibrücken sind das fast 3.000 Verfahren. Laut des Direktors des Amtsgerichts Zweibrücken, Klaus Biehl, dürfte sich der Einspareffekt an Arbeit also in Grenzen halten.

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Das neue Gesetz, das die angeblich so gut durchdachte Wende in der Drogenpolitik einläuten soll, umfasst 50 Seiten voll mit Vorschriften. Wer soll das Einhalten der Regeln denn kontrollieren? Wo sollen die zusätzlichen Mitarbeiter der Ordnungsbehörden denn plötzlich herkommen? Leichtgläubig könnte man die vielen Regeln des neuen Gesetzes als Schutz der Gesellschaft verstehen. Nüchtern betrachtet ist das reines Wunschdenken. I mean, come on: Wer buffen will, muss nur 100 Meter Abstand zu Schulen und Kitas einhalten? In einem Cannabis-Verein, in dem Gras angebaut wird, muss ein Präventionsbeauftragter ernannt werden? Wovor soll dieser Posten denn warnen? Lächerlich.

Suchtberatung geht auch ohne Cannabis-Legalisierung

Scheinheilig wird von Schutz gesprochen, um Kontrolle zu vermitteln. Der freie Zugang zum Gras soll verantwortbar sein, so hat es der Bundesfinanzminister Christian Lindner formuliert. Als sei die Verantwortung, die man bei den jetzigen Suchtkranken schon mitträgt, nicht groß genug. Die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter in Kaiserslautern kriegen die Drogenkranken kaum aus ihren Löchern. Geschweige denn wieder in die richtige Bahn.

Psychologin aus der Westpfalz sieht Cannabis-Legalisierung skeptisch

Cannabis soll zwar nicht verharmlost werden, attraktiver wird es mit der Gesetzesänderung trotzdem. Das Verbot für Jugendliche ist schlicht realitätsfern. Noch 13-Jährige freuen sich auf die Cannabis Teil-Legalisierung, so eine Psychologin aus dem Donnersbergkreis. Solche Aussagen ihrer jungen Patienten bereiten ihr zurecht Sorgen. Bei all den Krisen und Herausforderungen, die es für Familien, Schulen, Sozialarbeiter, Psychologen und Kommunen sowieso schon zu meistern gilt, ist diese bevorstehende Challenge ein dicker Faustschlag ins Gesicht. Ein Drogenrausch mag für einige Abenteuer, Spaß und Freiheit bedeuten. Für viele andere ist es aber ein irreführender Weg in den Abgrund. Verantwortbar ist das nicht.

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