Ab dem 1. April ist Konsum und Besitz von Cannabis in gewissen Grenzen legal. Das Gesetz sieht auch vor, rückwirkend Strafen zu erlassen.
Die teilweise Legalisierung von Cannabis ist durch, auch der Bundesrat hat das Gesetz nicht mehr aufgehalten. Es fehlt nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten, dann tritt die Neuregelung zum 1. April, also am Ostermontag, in Kraft. Dann sind Besitz und Anbau der Droge für Volljährige mit zahlreichen Vorgaben zum Eigenkonsum erlaubt - eine Zäsur in der deutschen Drogenpolitik. Am 1. Juli soll dann noch die Regelung für Anbaugemeinschaften - sogenannte Cannabis-Social-Clubs - inkraft treten.
Die Kritik am legalen Kiffen reißt allerdings nicht ab, unter anderem aus der Justiz. Denn vorgesehen ist auch eine rückwirkende Amnestie. Das heißt, wer wegen des Besitzes kleiner Mengen, die nun legal sind, verurteilt wurde, geht straffrei aus.
Scharfe Kritik von Mertin
Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) hatte vor allem diese rückwirkende Straffreiheit scharf kritisiert - nicht die Teil-Legalisierung an sich. "Rücksichtslos" nennt Mertin das Vorgehen der Bundesregierung. Allein in Rheinland-Pfalz müssten die Akten von knapp zehntausend Verfahren in Handarbeit überprüft werden. Dafür blieben den Staatsanwaltschaften im Land ganze vier Arbeitstage. Es sei nicht auszuschließen, dass bei einer solchen Mammutaufgabe mit kürzester Frist Fehler passieren.
Die Justizminister und -ministerinnen der Bundesländer sind, sagt Mertin im SWR, "nicht erfreut über diesen Zustand, weil das vom Gesetzgeber schlichtweg eine Überforderung an die Staatsanwaltschaften darstellt. Das halte ich, ehrlich gesagt, nicht für besonders freundlich."
Problematisch dabei sind laut Mertin vor allem Fälle, bei denen es um mehrere Delikte geht und eine Gesamtstrafe gebildet wurde. Beispielsweise wenn jemand einen Diebstahl begangen hat oder ohne Führerschein unterwegs war und bei der Gelegenheit noch 25 Gramm Cannabis gefunden wurden. Dann "muss ein Gericht die einmal getroffene Entscheidung neu aufdröseln und dann neu festsetzen", so Mertin.
Wie viele Cannabis-Konsumenten tatsächlich eine Haftstrafe verbüßen, kann das Justizministerium nicht beziffern. Wie viele Verfahren letztlich in eine Entlassung münden könnten, sei auch erst durch die händische Auswertung der Akten festzustellen, teilte ein Sprecher mit.
Cannabis-Gesetz schon in Koalitionsvertrag angekündigt
Nun ist das Cannabis-Gesetz schon länger in Arbeit, das Vorhaben bereits im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigt. Der politische Streit um die Gesetzgebung zog sich über Monate. Aber, so Mertin, es sei nicht möglich gewesen, die Akten sozusagen im Vorfeld schon genau zu prüfen. Denn um Gerichte anzurufen, müsse es zunächst eine gesetzliche Grundlage geben. Solange diese nicht vorliege, hätten die Staatsanwaltschaften keine Möglichkeit gehabt, sich vorzubereiten.
Was sagen die Staatsanwaltschaften?
Auf Staatsanwaltschaften und Gerichte im Land kommen also Mehrbelastungen zu. Sie überprüfen, ob nach den neuen Grenzwerten Strafen gemildert oder aufgehoben werden müssen. Allein in Frankenthal hat die Behörde rund 1.000 Verfahren grob gesichtet. Der Frust bei den Mitarbeitern, die jetzt zum Teil auch am Wochenende arbeiten müssten, sei riesengroß, so der Leitende Oberstaatsanwalt von Frankenthal, Hubert Ströber.
Allein in Frankenthal gebe es mindestens 500 Fälle, bei denen im Eiltempo Konsequenzen gezogen werden müssten. Die Folge: Andere Verfahren blieben liegen, so Ströber. Das neue Gesetz sei ein "bürokratisches Monstrum und handwerklich schlecht gemacht".
Ähnlich sieht es in Trier aus. Nach Angaben eines Sprechers der dortigen Staatsanwaltschaft müssen etwa 1.200 Fälle untersucht werden. Um das zu bewältigen, seien mehrere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte von der Bearbeitung aktueller Verfahren freigestellt.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz muss nach eigenen Angaben mehr als 3.000 Verfahren aufgrund des neuen Cannabis-Gesetzes überprüfen. Ebenso viele seien es im Bezirk des Oberlandesgerichts Zweibrücken, teilte das Gericht mit.
Wie bereitet sich die Polizei vor?
25 Gramm unterwegs, 50 Gramm und drei Pflanzen zu Hause, Mindestabstände etwa zu Schulen, Kitas oder Spielplätzen - das neue Cannabis-Gesetz sieht eine Vielzahl von Regelungen vor, die vor allem auch dem Jugendschutz dienen sollen. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gilt für Anbauvereinigungen ein Mindestabstand von 200 Metern zu Schulen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie zu Spielplätzen. Außerdem soll das Rauchen in Sichtweite (100 Meter) von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie öffentlich zugänglichen Sportstätten verboten werden.
Durch diese Regeln kommt auf die Polizei jede Menge Arbeit zu, fürchtet Stefanie Loth, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
"Am Ende sehe ich einige Aufgaben auf die Polizei zukommen, wie mehr Präventionsarbeit, mehr Kontrollen im Straßenverkehr und mehr Aufwände bei den Kontrollen auf der Straße, aber kein Mehr an Personal und finanziellen Mitteln", so Loth im Interview mit dem SWR. Manches sei schlicht nicht praktikabel, kritisiert Loth. So müssten Beamtinnen und Beamte dann eigentlich ständig eine geeichte Waage dabei haben. Nach Angaben des Kriminaltechnischen Instituts (KTI) des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz können Feinwaagen, die bereits seit Jahren zum Einsatz kommen, für eine Kontrolle genutzt werden. Außerdem gebe es in den kriminaltechnischen Servicestellen im Land sowie im LKA kalibrierte und geeichte Feinwaagen.
Konkrete Schulungen hat es nach Angaben von Loth noch nicht gegeben, weil bis zuletzt einige Regeln noch geändert worden seien. Aber nun gehe es "mit hohem Tempo an die praktische Umsetzung und die Schulung von Kolleginnen und Kollegen." Vieles werde sich aber auch erst in der Praxis zeigen müssen.
Wer profitiert vom Straferlass?
Durch den rückwirkenden Straferlass, den das neue Cannabis-Gesetz vorsieht, können sehr viele Konsumenten damit rechnen, dass sie ihre Strafen nicht antreten müssen. Das zeigt das Beispiel eines jungen Mannes aus Koblenz. Er war mit 3,4 Gramm Marihuana zu Hause erwischt worden. Diese Menge liegt künftig deutlich unter der Höchstgrenze, die man legal dabei haben darf.
Bekifft am Steuer bleibt strafbar
Auch wenn es in wenigen Tagen erlaubt ist, sich in der Öffentlichkeit eine Tüte zu drehen - danach ins Auto steigen sollte man definitiv nicht. Berauscht am Steuer ist und bleibt verboten - egal, ob durch Alkohol oder andere Drogen.
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