Das Land Rheinland-Pfalz hat am Freitag Verträge mit mehreren Islamverbänden unterzeichnet. Kernpunkt der Vereinbarung ist die Ausgestaltung eines islamischen Regionsunterrichts an den Schulen des Landes.
In Rheinland-Pfalz bilden die Muslime neben den beiden christlichen Kirchen die drittgrößte religiöse Gemeinschaft. Rund 200.000 Muslime leben hier. Bislang gab es islamischen Religionsunterricht im Land nur als Modellprojekt an 31 Schulen im Land.
Die Ampelregierung hatte Verhandlungen mit vier Verbänden geführt, um die Zusammenarbeit auf eine vertragliche Grundlage zu stellen: Ditib Rheinland-Pfalz, Schura Rheinland-Pfalz, dem Landesverband der Islamischen Kulturzentren Rheinland-Pfalz und mit Ahmadiyya Muslim Jamaat. Bereits am Mittwoch war die Einigung verkündet worden, allerdings ohne Inhalte zu nennen.
Muslime erkennen demokratische Werte an
In den neuen Verträgen erkennen die Islamverbände die freiheitlich-demokratische Grundordnung an und wenden sich gegen jede Form von Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschaung. Auch das Recht auf Selbstbestimmung der sexuellen Identität wird ausdrücklich anerkannt.
Beurlaubungen für islamische Feiertage im Einzelfall möglich
Getroffen wurden Vereinbarungen, dass Schüler sowie Beamte und Angestellte des Landes an einigen wichtigen islamischen Feiertagen beurlaubt oder freigestellt werden können - an einem Tag des Opferfestes, des Ramadan sowie des Festes Aschura. Weil sich die Daten der Feste jährlich verschieben, verpflichten sich die Verbände, diese mindestens zwei Jahre im Voraus dem zuständigen Ministerium zu übermitteln. Für eine Teilnahme am Freitagsgebet gibt es dagegen keine Freistellung von der Arbeits- oder Dienstpflicht.
Muslime dürfen Ergänzungsschulen und Kitas errichten
Die Islamverbände dürfen Ergänzungsschulen und Kitas errichten. Ansonsten unterliegen die Kinder und Jugendlichen der allgemeinen Schulpflicht. Das Land fördert diese Einrichtungen wie alle anderen Bildungsstätten in freier Trägerschaft mit Landeszuschüssen.
Islamunterricht wird ordentliches Lehrfach
Der Islamunterricht an den Schulen in Rheinland-Pfalz wird wie der Religionsuntericht der christlichen Kirchen und der jüdische Religionsunterricht reguläres Schulfach. Er muss in deutscher Sprache erteilt werden und der verfasssungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entsprechen. Die vier Verbände sollen den Unterricht in gemeinsamer Verantwortung organisieren. Die Lehrkräfte müssen von den Verbänden beauftragt sein und ein wissenschaftliches Studium absolviert haben. Für muslimische Schülerinnen und Schüler besteht eine Pflicht, daran teilzunehmen. Der Unterricht wird benotet und ist versetzungsrelevant. Muslimische Schülerinnen und Schüler können ab dem 14. Lebensjahr entscheiden, ob sie weiter islamischen Religionsunterricht haben wollen. Wenn nicht, müssen sie am Ethikunterricht teilnehmen. Bei jüngeren Kindern entscheiden das die Eltern. Auch die Teilnahme am Religionsunterricht einer anderen Glaubensgemeinschaft ist demzufolge möglich.
Theologiestudium an der Uni Koblenz
Das Land fördert das Studium der islamischen Theologie an der Uni Koblenz. Die Islamverbände gründen hierzu einen Beirat, der über die Einstellung von Professoren und Professorinnen sowie über die Struktur und die Inhalte des Studiums bestimmt.
Außerdem dürfen die Islamverbände eigene theologische Hochschulen gründen, die den staatlichen Einrichtungen gleichgestellt werden, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.
Das Land gewährleistet den vier Verbänden auch, Moscheen sowie Gebets- und Versammlungsräume zu bauen. Auch Bildungseinrichtungen dürfen betrieben werden.
Seelsorge im Strafvollzug
Die Verbände dürfen auch eigene Geistliche berufen, die Gefangene in Haftanstalten betreuen. In den Gefängnisse sollen auch Speisen angeboten werden, die den islamischen Religionsvorschriften entsprechen.
Begräbnisse nach islamischem Ritus
Auch Bestattungen nach islamischem Ritus werden unter staatlichen Schutz gestellt. Dazu gehört das Anlegen oder Erweitern eigener Friedhöfe. Aber auch auf den bestehenden öffentlichen Friedhöfen können Menschen nach islamischem Ritus beerdigt werden. Muslime werden nicht in Särgen begraben, sondern in ein Tuch gehüllt bestattet. Das war bislang in Deutschland nicht erlaubt. Nun aber soll die Friedhofsordnung auch in Rheinland-Pfalz deutlich liberalisiert werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP vor.
Landesregierung erfreut über Einigung mit Islamverbänden
Ministerpräsdent Alexander Schweitzer (SPD) begrüßte die Vereinbarung. "Wir wollen, dass Musliminnen und Muslime gerne in Rheinland-Pfalz leben", sagte er. Die Verträge seien ein wichtiges Zeichen der Anerkennung und Gleichbehandlung mit anderen Religionsgemeinschaften, hieß es in einem Statement der Landesregierung. Ähnlich äußerte sich der Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Miguel Vicente. Der Vertrag fördere das Zugehörigkeitsgefühl muslimischer Menschen zum Land und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Auch die vier Islamverbände begrüßten die Regelungen. Nach jahrelangen Bemühungen sei es zu einem "historischen Vertrag" gekommen, sagte etwa der Vorsitzende der Schura Rheinland-Pfalz, Akif Ünal.
Der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Abdullah Wagishauser, nannte es vorbildlich, dass sowohl das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels als auch das zum Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser aufgenommen wurde.
Und der Landesvorsitzende von Ditib Rheinland-Pfalz, Cihan Şen, sagte: "Wir haben gezeigt, dass Dialog und Gemeinsamkeit möglich ist. Wir setzen heute ein Zeichen für die Zukunft."
Deutsch-Israelische Gesellschaft sieht Versagen der Islamverbände
Von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Berlin hieß es, es sei grundsätzlich richtig, Muslime in religiösen Angelegenheiten gleichzubehandeln. Die nun beteiligten Verbände hätten bei der Bekämpfung von Antisemitismus und Israel-Hass nach dem Hamas-Angriff auf Israel im Oktober 2023 allerdings vollständig versagt.
Jahrelange Verhandlungen waren vorausgegangen
Die ursprüngliche Initiative der langjährigen Verhandlungen mit den islamischen Verbänden fiel noch in die Regierungszeit des früheren Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD). Seine Nachfolgerin als Ministerpräsidentin, Malu Dreyer (SPD), sprach zwischenzeitlich auch von kritischen Punkten, die beraten werden müssten.
Unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer konnten diese gelöst werden. Zuletzt hatte der Ministerrat der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP das Vorhaben gebilligt.
CDU-Opposition sah Verträge mit Muslimen lange kritisch
CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder sagte, die Positionierung der Islamverbände zum Existenzrecht Israels sei richtig und ein wichtiges Zeichen gegen Antisemitismus und Israel-Hass. Genauso wichtig sei es, sich der zunehmenden Ausbreitung des Antisemitismus entgegenzustellen. Die AfD-Fraktion hatte einen Abbruch der Verhandlungen gefordert und sieht Bezüge bei Verbänden zum Extremismus. Der wissenschaftspolitische Sprecher Joachim Paul nannte die Unterzeichnung einen schweren Fehler.
In der Vergangenheit hatte die Opposition die Verhandlungen mit den Islamverbänden immer wieder kritisiert. Die CDU forderte beispielsweise ein klares Bekenntnis der Muslime zum Existenzrecht Israels und zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland. Auch verlangte sie von den Verbänden eine Verurteilung des Antisemitismus. Seit den Anschlägen der Terrororganisation Hamas auf Israel im Oktober 2023 und dem darauf folgenden Krieg in Gaza gibt es auch in Deutschland immer wieder propalästinensische Kundgebungen, auf denen beispielsweise das Existenzrecht Israels geleugnet wird. Zudem kommt es immer wieder zu Übergriffen auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Auch wurde von der Opposition bemängelt, dass vor allem der Verband Ditib eine zu große Nähe zur Regierung des türkischen Präsidenten Erdogan habe und Schüler und Schülerinnen im Religionsunterricht entsprechend beinflusst werden könnten.
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Bislang nur wenige Verträge mit Muslimen in deutschen Bundesländern
Staatsverträge mit Islamverbänden gibt es bislang in wenigen Bundesländern. Zuerst hatte 2012 Hamburg Verträge mit drei Verbänden und der Glaubensgemeinschaft der Aleviten geschlossen. Kurz darauf folgte ein Vertrag mit islamischen Verbänden in Bremen. Auch Rheinland-Pfalz hat bereits einen Vertrag mit den Aleviten.
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