Kratzenburg im Hunsrück: Normalerweise verirrt sich nur selten ein Bus hier hin. Doch wegen einer Baustelle fährt auf einmal ein regelmäßiger, direkter Bus nach Koblenz. Noch.
Tobias Stoffel aus dem 300-Seelen-Dorf Kratzenburg (Rhein-Hunsrück-Kreis) ist verärgert: Seit rund einem Jahr kann er mit dem Bus zu seiner Arbeit fahren. Durchgängig bis nach Koblenz. Gemütlich und wegen des Deutschlandtickets auch günstig. Jeden Monat über 100 Euro spart er dadurch, sagt er. Doch das soll sich demnächst wieder ändern:
Denn der Regiobus 620, der in der Hauptverkehrszeit halbstündlich fährt, kommt nur deswegen im Moment so regelmäßig nach Kratzenburg, weil im Nachbardorf eine Dauerbaustelle den eigentlichen Weg für den Bus versperrt. Doch die soll demnächst fertig sein.
"So ein bisschen resignierend finde ich es schon, weil ich momentan sehe, es klappt sehr gut", sagt Tobias Stoffel. Unter normalen Umständen müsste er künftig mehr als 20 Minuten und rund zwei Kilometer zur Haltestelle in den Nachbarort laufen oder an der Straße entlang mit dem Rad fahren. "Das ist bei schlechtem Wetter nicht so gut", sagt Stoffel.
Er könne auch jeden Morgen ein Anrufsammeltaxi nehmen und nochmal weitere 20 Minuten warten. Denn Park+Ride-Parkplätze gebe es an der Haltestelle nicht.
Fährt der Bus nicht mehr, würde er wieder Auto fahren
Das bedeute für ihn: Zurück ins Auto, um damit nach Koblenz zu pendeln. Im Bus könne er beispielsweise lesen und müsse sich nicht auf das Fahren konzentrieren. Neben ihm würden auch ein paar andere Pendler aus Kratzenburg inzwischen morgens den Bus nach Koblenz nehmen. Außerdem auch viele Schüler.
Wunsch: Bus soll weiter durch Kratzenburg fahren
Deswegen wünscht sich Tobias Stoffel vom Rhein-Hunsrück-Kreis, dass die Umleitung dauerhaft bestehen bleibt. Das sei auch kein Problem, denn der Bus sei trotz Umleitung so gut wie immer pünktlich in Koblenz. Das Angebot würde also gar nicht schlechter für den Rest der Fahrgäste, wenn der Regiobus weiter durch Kratzenburg fahren würde.
Agora-Studie empfiehlt Linienbedarfsverkehr
Wie das Problem der Anbindung von ländlichen Regionen an die größeren Städte gelöst werden kann, darüber wird schon lange nachgedacht. Ein Vorschlag lautet: Linienbedarfsverkehr. Das bedeutet, Busse fahren auf Bestellung und ohne festgelegten Weg virtuell definierte Haltepunkte an.
"Besonders in dünn besiedelten Regionen kann der Linienbedarfsverkehr die Qualität des ÖPNV erheblich steigern", heißt es bereits in der Studie "Mobilitätsoffensive für das Land", die die Denkfabrik Agora Verkehrswende vor einem Jahr in Zusammenarbeit unter anderem mit dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund erstellt hat.
Es wäre also eine Erweiterung des öffentlichen Linienverkehrs. Davon profitieren laut Studie insbesondere die elf Prozent der Erwachsenen in ländlichen Räumen ohne Zugang zu einem Pkw im Haushalt. In Rheinland-Pfalz mit vielen kleinen Orten auf dem Land fahren oft kleinere Buslinien auf ihren festgelegten Routen leer und werden teilweise wieder eingestellt.
"Wittlich Shuttle": Flexible Rufbusse als Zukunftsmodell für's Land?
Wie eine Lösung aussehen kann, zeigt die Stadt Wittlich im Kreis Bernkastel-Wittlich. Sie hat bereits im Jahr 2016 ein Modell getestet, das inzwischen im Regelbetrieb ist: Der "Wittlich-Shuttle".
Die Busse mit den Namen "Lieser" und "Mathilde" können telefonisch oder per App direkt vor der Abfahrt oder im Voraus bestellt werden. Die Fahrzeuge verkehren auf flexiblen Routen und holen die Fahrgäste an einer der 76 Haltestellen ab. Nutzer zahlen für eine einfache Fahrt maximal 3,30 Euro.
"Wir fahren da, wo der Kunde das Angebot braucht", sagt Jan Mußweiler, der zuständige Fachamtsleiter bei der Stadt Wittlich, auf SWR-Anfrage. Er verweist auf die Nutzerzahlen, die seit der Einführung von etwa 240 auf rund 1.400 pro Monat gestiegen sind. Sie seien mittlerweile so hoch, dass die beiden Fahrzeuge oft an der Kapazitätsgrenze seien.