Ein funktionierender ÖPNV ist vor allem in ländlichen Gebieten schwer zu organisieren. Kleinbusse auf Abruf können eine Alternative sein - oft fehlen aber Geld und Personal.
Streiks, Verspätungen, überfüllte Busse in den Städten sowie geringe und unflexible Angebote in den ländlichen Bereichen - der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist derzeit vielerorts ein Sorgenkind, auch in Rheinland-Pfalz. Das Land sieht sich zwar beim Nahverkehr als Vorreiter, doch der angekündigte neue Nahverkehrsplan, mit dem die Landesregierung Mindeststandards für den ÖPNV festlegen will, verzögert sich.
Die Mobilitätsprobleme stehen auch im Mittelpunkt des Deutschen Nahverkehrstages, der noch bis Donnerstag in Koblenz stattfindet. Unter dem Motto "Weichen stellen - Perspektiven für die Mobilität im Zeitenwandel" werden aktuelle Probleme und Entwicklungen diskutiert - etwa Fachkräftemangel, autonomes Fahren und Künstliche Intelligenz (KI). Einer der Schwerpunkte wird dabei der On-Demand-Verkehr oder Linienbedarfsverkehr sein, also ÖPNV-Angebote auf Abruf.
Agora-Studie empfiehlt Linienbedarfsverkehr
"Besonders in dünn besiedelten Regionen kann der Linienbedarfsverkehr die Qualität des ÖPNV erheblich steigern", heißt es bereits in der Studie "Mobilitätsoffensive für das Land", die die Denkfabrik Agora Verkehrswende vor einem Jahr in Zusammenarbeit unter anderem mit dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund erstellt hat. Davon würden insbesondere die elf Prozent der Erwachsenen in ländlichen Räumen ohne Zugang zu einem Pkw im Haushalt profitieren.
Wittlich bundesweiter Vorreiter
Rheinland-Pfalz mit seiner ausgeprägt ländlichen Struktur bietet sich also geradezu an für den Linienbedarfsverkehr. Und so ist es folgerichtig, dass der Vorreiter für den Verkehr auf Abruf aus diesem Bundesland kommt: die Stadt Wittlich. Da die Stadtbuslinien in der 20.000-Einwohner-Stadt zwischen Eifel und Mosel kaum genutzt wurden, suchte der Stadtrat eine Alternative.
Mit dem "Wittlich Shuttle" startete schließlich im August 2016 ein Pilotprojekt, das im Mai 2018 in den Regelbetrieb ging. Die Busse mit den Namen "Lieser" und "Mathilde" können telefonisch oder per App direkt vor der Abfahrt oder im Voraus bestellt werden. Die Fahrzeuge verkehren auf flexiblen Routen und holen die Fahrgäste an einer der 76 Haltestellen ab. Nutzer zahlen für eine einfache Fahrt maximal 3,30 Euro.
"Wir fahren da, wo der Kunde das Angebot braucht", sagt Jan Mußweiler, der zuständige Fachamtsleiter bei der Stadt Wittlich, auf SWR-Anfrage. Er verweist auf die Nutzerzahlen, die seit der Einführung von etwa 240 auf rund 1.400 pro Monat gestiegen sind. Sie seien mittlerweile so hoch, dass die beiden Fahrzeuge oft an der Kapazitätsgrenze seien.
Auch Städte testen On-Demand-Verkehr
Das Beispiel aus Wittlich machte in Rheinland-Pfalz schnell Schule. Weitere On-Demand-Angebote sind gerade in der Anlaufphase, wie zum Beispiel im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Aber auch die Städte testen die Angebote per Abruf - etwa Trier und Mainz. Die Kosten für die Nutzer werden unterschiedlich berechnet und liegen meist etwas höher als ein normaler Fahrschein - und Zeitkarten, auch das Deutschlandticket, werden angerechnet.
Im Oktober 2022 haben die Stadtwerke Trier ihr Pilotprojekt "Smart-Shuttle“ auf die Straßen gebracht. Die Nutzerinnen und Nutzer können die Elektro-Minibusse per App an eine Haltestelle bestellen - und werden dann individuell abgeholt.
Der Shuttle stärke den Linienverkehr, sagt Lorenz Boßmann, der bei den Stadtwerken Trier für das Projekt verantwortlich ist. Der Linienverkehr könne damit besonders in Zeiten schwacher Auslastung ergänzt werden, etwa in Nachtzeiten. "Deswegen haben wir uns dafür entschieden, dass wir in extremen Randzeiten ein Shuttle-Angebot anbieten anstatt des Busverkehrs." Damit könnten auch Fahrerinnen und Fahrer für den Normalverkehr freigeschaufelt werden.
Landeshauptstadt stellt den "MainzRIDER" wieder ein
Ein ähnliches Projekt gibt es auch in Mainz. Aber der "MainzRIDER" soll aus finanziellen Gründen ab Sommer nicht mehr weitergeführt werden. Bisher können sich Interessierte über eine App eines von zehn Elektrofahrzeugen ordern und sich abends und in der Nacht in fast alle Mainzer Stadtteile befördern lassen.
"Das Defizit beim 'MainzRIDER' beträgt aber mehrere hunderttausend Euro im Jahr und ist in der aktuellen Situation nicht darstellbar", heißt es in einer Presserkärung der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) von Anfang März. Im vergangenen Jahr war das Angebot laut MVG von 40.000 Fahrgästen genutzt worden, es sei aber zu unrentabel. "Generell könnten wir uns bei einer Förderung durch Bund und/oder Land eine Fortsetzung/Wiederaufnahme zwar vorstellen", sagt Michael Theurer, der Leiter Unternehmenskommunikation der Stadtwerke auf SWR-Anfrage - "dann müssten aber langfristige Förderzusagen, fünf Jahre aufwärts, vorliegen".
Kann autonomes Fahren die Personalprobleme lösen?
Dass der Linienbedarfsverkehr besonders im ländlichen Raum sinnvoll sein kann, zeigte schon die Agora-Studie. "Um sie über Pilotprojekte hinaus dauerhaft in das ÖPNV-System zu integrieren", benötigten die Betreiber aber zusätzliche finanzielle Unterstützung. Die ist derzeit aber nicht in Sicht, im Gegenteil. Aufgrund stark steigender Kosten "ist ein weiterer Angebotsausbau schwer umsetzbar", sagte die rheinland-pfälzische Mobilitätsministerin Katrin Eder (Grüne) bei der Eröffnung des Nahverkehrstages am Dienstag. Sie betonte aber auch: "Ein attraktives Angebot ist und bleibt trotz der aktuellen Herausforderungen ein Schlüsselfaktor, um die Bürgerinnen und Bürger vom Nahverkehr zu überzeugen."
Das zweite große Problem sei der Personalmangel. Hier könnten das autonome Fahren sowie KI zu Verbesserungen beitragen. Entsprechende Testprojekte gibt es bereits - etwa in Bad Birnbach in Niederbayern. Ergebnisse werden auch beim Nahverkehrstag in Koblenz präsentiert.