Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat viele Träume zerstört. Der von Flutopfer Johanna Orth lebt aber nach ihrem Tod weiter. Ihre Eltern haben eine Patisserie in ihrem Namen eröffnet.
Für Inka und Ralph Orth ist die "Patisserie Johanna" ein absolutes Herzensprojekt. Die Idee dafür entstand einige Zeit nach der Flutkatastrophe, sagt Inka Orth. "Ich bin eines Tages aufgewacht und dachte mir: Das geht nicht, dass ich nicht weiß, wie es gewesen wäre, wenn wir Johanna unterstützt hätten, ihren Traum eines Cafés umzusetzen."
Johanna war leidenschaftliche Bäckerin und Konditormeisterin und hatte sich nach Angaben der Eltern bereits ein Ladenlokal im Kurviertel von Bad Neuenahr-Ahrweiler für ihr Café ausgesucht. Sie wollte es ihrer Oma Marlies widmen. Durch die Flutkatastrophe wurde das Geschäft zerstört. Es muss also eine Alternative her.
Patisserie Johanna in Hamburg eröffnet
Die Eltern suchen außerhalb der Stadt - aus verschiedenen Gründen. Unter anderem sei Bad Neuenahr-Ahrweiler touristisch noch nicht wieder so weit, dass sich die Neueröffnung eines Geschäfts lohnen würde. Außerdem sind laut Inka Orth die Erinnerungen an die Flut noch zu präsent: "Für mich ist es sehr schwer, auf die andere Ahr-Seite zu gehen, bis heute noch, da ist eine absolute Sperre."
Fündig werden die Eltern bei ihrer Suche nach geeigneten Räumen in einer ihrer Lieblingsstädte: Hamburg. Ein alter Kakaospeicher hat es ihnen angetan: "Wir wollten eine Location haben mit besonderem Charme. Für Johanna sollte es etwas ganz besonderes sein. Und das hier, das hat einfach gepasst", erklärt Inka Orth im Gespräch mit dem SWR.
Arbeit am Geschäft hilft Mutter von Johanna
Für sie ist die Patisserie Teil ihres Heilungsprozesses. Nach dem Tod von Johanna hat sie rund 15 Kurse in einer Patisserie-Schule besucht. Sie will selbst in Hamburg mitarbeiten. Als Betriebsleiter und Chefpatissier haben sich die Orths den Stuttgarter Konditormeister Marcel Reinhardt mit ins Boot geholt: "Ich fand es sehr bewegend, dass sie diese Energie nehmen und dieses Projekt ihrer Tochter widmen", sagt der 24-Jährige.
Monatelang wurde in einer Backstube in Bad Neuenahr-Ahrweiler an Produkten für die Patisserie getüftelt. Dabei wurde auch auf Rezepte von Johanna zurückgegriffen. Die ganzen Vorbereitungen zu stemmen, war keine einfache Aufgabe für die Orths - sind sie schließlich auch Betreiber einer Seniorenresidenz, die von der Flut betroffen war. Inka Orth räumt ein, dass sie die Ablenkung sucht: "Ich muss immer in Bewegung bleiben...sonst fang ich wieder an, zu viel nachzudenken."
Podcast „Die Flut – Warum musste Johanna sterben?“
Die Jahrhundertflut im Juli 2021 kostete 180 Menschen ihr Leben. Auch die 22-jährige Johanna ertrank. Der Podcast „Die Flut – Warum musste Johanna sterben?“ erzählt ihre Geschichte
Trauerbewältigung nach der Flutkatastrophe
Um ihre Trauer zu bewältigen, gehen die Orths verschiedene Wege. Unter anderem engagieren sich die beiden auch dafür, eine Gedenkstätte für die Toten der Ahrflut zu etablieren und haben mehrere Mahnwachen vor dem U-Ausschuss zur Flutkatastrophe in Mainz initiiert. Sie kritisieren, dass die Staatsanwaltschaft bisher keine Anklage gegenüber dem ehemaligen Landrat Jürgen Pföhler erhoben hat.
Nach der aufwühlenden letzten Sitzung des U-Ausschusses ist die Eröffnung der "Patisserie Johanna" für Inka Orth jetzt ein echter Grund zur Freude: "Für uns ist es etwas ganz Wichtiges, weil es halt ganz viel mit Johanna zu tun hat. Wir wollten einfach Johannas Traum verwirklichen und es fühlt sich absolut gut an. Und mir ist das auch vollkommen egal, wie viel Arbeit das ist." Sie hält es für denkbar, dass nach Hamburg irgendwann noch ein weiterer Laden in Bad Neuenahr-Ahrweiler dazukommt.
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Storytelling-Podcast Die Flut – Warum musste Johanna sterben?
Juli 2021: Die 22-jährige Johanna Orth aus Bad Neuenahr-Ahrweiler ist auf dem besten Weg in eine erfüllte Zukunft. Gerade fertig mit der Ausbildung, frisch verliebt und mit der Aussicht auf eine eigene Konditorei. Dann reißt sie die Flutwelle aus dem Leben. Der Host Marius Reichert ist selbst in Bad Neuenahr-Ahrweiler zu Hause und berichtete als Reporter aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über die Flut. Er kennt die Schicksale der Betroffenen - auch die Geschichte von Johanna. Zusammen mit ihren Eltern begibt sich Marius auf die Suche nach Antworten rund um die Ereignisse dieser verhängnisvollen Nacht: Wie kam Johanna ums Leben? Wie konnte es so weit kommen? Warum wurde Johanna nicht früher gewarnt? Wer trägt Verantwortung? Johanna soll den mehr als 180 Todesopfern der Flut ein Gesicht geben, so der Wunsch der Eltern, denn der Schrecken dieser Katastrophe darf nicht in Vergessenheit geraten. Mithilfe verschiedener Gesprächspartner - Betroffene, Angehörige, Politiker:innen, Einsatzkräfte, Expert:innen - geht Marius Reichert diesen Fragen auf den Grund. Die ersten sechs Folgen sind am 1. Juli 2022 erschienen. Ein Update zum zweiten Jahrestag erscheint am 7. Juli 2023: Wie geht es den Orths zwei Jahre nach der Katastrophe und wie steht es um die Aufarbeitung?
Der Podcast ist eine Produktion von SWR und WDR.
Hier noch eine Warnung: In diesem Podcast werden die Todesumstände von Johanna und der Umgang mit ihrem Tod explizit beschrieben. Wenn euch Themen wie Tod, Trauer oder Suizid belasten oder ihr selbst von den Ereignissen betroffen wart und traumatisiert seid, dann hört euch den Podcast besser nicht an oder nicht allein. Hilfe findet ihr z.B. bei der Telefonseelsorge oder beim Traumhilfe-Zentrum im Ahrtal: www.thz-ahrtal.de
Podcast "Die Flut - Warum musste Johanna sterben?" Host Marius Reichert - wie der dramatische Podcast entstand
"Die Flut - Warum musste Johanna sterben?" - In einem Podcast widmen sich SWR und WDR dem Schicksal der 22-jährigen Johanna Orth aus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Marius Reichert ist der Host.