Ralph Orth, Vater der verstorbenen Johanna Orth, ist unter den Demonstranten vor dem Mainzer Landtag. Er drängt darauf, dass die Schuldfrage endlich geklärt wird.
Der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe tagt am Montag, 27. November, im Landtag. Davor demonstrierten Betroffene der Flut und stellten 135 Kreuze und Kerzen auf – für jeden Menschen, der bei der Flut im Ahrtal gestorben ist. Darunter auch Ralph Orth, der Vater der 22-jährigen Johanna Orth, die in den Fluten im Juli 2021 gestorben ist.
SWR1: 135 Kreuze wollen Sie in Sichtweite des Mainzer Landtages zur Sitzung des Flut-Untersuchungsausschusses postieren. Wo stellen Sie die Kreuze auf und was wollen Sie damit genau erreichen?
Ralph Orth: Also diese Kreuze werden am Ernst-Ludwig-Platz niedergelegt, 135 Stück mit der entsprechenden Anzahl an Kerzen. Dort sollten die Abgeordneten, die an dem Untersuchungsausschuss teilnehmen, vorbeikommen. Wir hoffen, eine Aufmerksamkeit dahingehend zu bekommen, dass der Untersuchungsausschuss sich noch einmal ganz explizit mit dem Gutachten auseinandersetzt.
SWR1: Das heißt, Sie wollen auf den Untersuchungsausschuss Druck ausüben. Warum? Sind Sie unzufrieden mit deren Arbeit?
Orth: Wir sind mit dem Untersuchungsausschuss sehr zufrieden. Wir sehen nur, dass die Staatsanwaltschaft, die ganz klar in der Pflicht ist, sich zu entscheiden, Klage zu erheben gegen den ehemaligen Landrat (Anm. d. Redaktion: Jürgen Pföhler, CDU) oder nicht, sich den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses bis jetzt noch nicht klipp und klar angenähert hat.
Schuldfrage noch nicht eindeutig geklärt
SWR1: Wo fehlt es da genau?
Orth: Es fehlt schlicht und einfach an einer klaren Stellungnahme, dass eine Klage erhoben wird, und zwar diesbezüglich, dass die Schuldfrage einem Gericht überlassen bleibt und nicht erst mal bei der Staatsanwaltschaft verbleibt.
SWR1: Haben Sie selbst noch recherchiert und sind zu anderen Ergebnissen gekommen, die relevant sind?
Orth: Ja, es gibt da unter anderem ein Gutachten von einem Herrn Gräf. Es ist vielmehr ein Kommentar zu dieser ganzen Thematik in der Flutnacht. Dass es also ein eklatantes Organisationsverschulden des Landrats gegeben hat, und zwar nicht nur in der Nacht selbst, auch in den Jahren davor.
SWR1: Das heißt, es geht Ihnen in erster Linie um den Landrat, weniger um die Landesregierung.
Orth: Das ist richtig.
SWR1: Wie reagiert die Staatsanwaltschaft auf Ihre direkte Nachfrage?
Orth: Wir haben über unseren Rechtsanwalt eine Beschwerde eingelegt, allein aufgrund der Länge des Verfahrens, das jetzt schon über zwei Jahre geht. Außerdem haben wir eine Beschwerde eingelegt gegen die Verwertung dieses Gutachtens vom Herrn Professor Gißler (Anm. d. Redaktion: Berliner Professor für Führung und Bevölkerungsschutz, Dominic Gißler), der im Untersuchungsausschuss befragt wird.
SWR1: Glauben Sie, dass am Ende des Untersuchungsausschusses dann tatsächlich klar ist, wer Schuld an dieser Katastrophe ist? Wer verantwortlich für die Toten ist, auch für den Tod Ihrer Tochter?
Orth: Das glauben wir ehrlich gesagt nicht, weil nur Herr Gißler befragt wird. Und der sagt, man hätte alles Menschenmögliche getan in der Nacht, obwohl er gar nicht selbst dabei war.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.
Flut-Untersuchungsausschuss tagt in Mainz Eltern von Johanna: Mahnwache für Flutopfer vor Mainzer Landtag
Die Eltern der bei der Flut 2021 ums Leben gekommenen Johanna haben in Mainz eine Mahnwache vor dem rheinland-pfälzischen Landtag für die Opfer abgehalten. 135 Kreuze wurden niedergelegt.
U-Ausschuss zur Flutkatastrophe Ahrflut: Gutachter sieht keine Entlastung von Ex-Landrat Pföhler
Im Flut-Untersuchungsausschuss des Landtag hat ein Sachverständiger sein Gutachten zur Einsatzleitung im Kreis Ahrweiler vorgestellt. Grundlegende Sachen seien nicht geregelt gewesen, sagte Dominic Gißler.
Storytelling-Podcast Die Flut – Warum musste Johanna sterben?
Juli 2021: Die 22-jährige Johanna Orth aus Bad Neuenahr-Ahrweiler ist auf dem besten Weg in eine erfüllte Zukunft. Gerade fertig mit der Ausbildung, frisch verliebt und mit der Aussicht auf eine eigene Konditorei. Dann reißt sie die Flutwelle aus dem Leben. Der Host Marius Reichert ist selbst in Bad Neuenahr-Ahrweiler zu Hause und berichtete als Reporter aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über die Flut. Er kennt die Schicksale der Betroffenen - auch die Geschichte von Johanna. Zusammen mit ihren Eltern begibt sich Marius auf die Suche nach Antworten rund um die Ereignisse dieser verhängnisvollen Nacht: Wie kam Johanna ums Leben? Wie konnte es so weit kommen? Warum wurde Johanna nicht früher gewarnt? Wer trägt Verantwortung? Johanna soll den mehr als 180 Todesopfern der Flut ein Gesicht geben, so der Wunsch der Eltern, denn der Schrecken dieser Katastrophe darf nicht in Vergessenheit geraten. Mithilfe verschiedener Gesprächspartner - Betroffene, Angehörige, Politiker:innen, Einsatzkräfte, Expert:innen - geht Marius Reichert diesen Fragen auf den Grund. Die ersten sechs Folgen sind am 1. Juli 2022 erschienen. Ein Update zum zweiten Jahrestag erscheint am 7. Juli 2023: Wie geht es den Orths zwei Jahre nach der Katastrophe und wie steht es um die Aufarbeitung?
Der Podcast ist eine Produktion von SWR und WDR.
Hier noch eine Warnung: In diesem Podcast werden die Todesumstände von Johanna und der Umgang mit ihrem Tod explizit beschrieben. Wenn euch Themen wie Tod, Trauer oder Suizid belasten oder ihr selbst von den Ereignissen betroffen wart und traumatisiert seid, dann hört euch den Podcast besser nicht an oder nicht allein. Hilfe findet ihr z.B. bei der Telefonseelsorge oder beim Traumhilfe-Zentrum im Ahrtal: www.thz-ahrtal.de
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