Im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal hat der Krisenforscher Frank Roselieb heftige Kritik an dem Gutachten geübt, das die Staatsanwaltschaft Koblenz in Auftrag gegeben hatte.
Roselieb, der Direktor des Instituts für Krisenforschung in Kiel, zerpflückte in der letzten Sitzung des Ausschusses bei seiner Befragung das Gutachten im U-Ausschuss regelrecht. Es sei lückenhaft, weil viele für eine Beurteilung des Krisenmanagements notwendige Daten nicht erhoben worden seien. Der Gutachter Dominic Gißler sei zudem methodisch falsch vorgegangen. Er habe zwar die damaligen Mitglieder der Technischen Einsatzleitung zu ihrer Arbeit und zur Situation während der Ahrflut befragt. Allerdings habe er nicht erfasst, welche Ressourcen in der Region etwa durch Bundeswehr, Technisches Hilfswerk und andere Einrichtungen verfügbar waren.
Gißler war in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kreis Ahrweiler nicht ausreichend auf die Flutkatastrophe 2021 vorbereitet war und die Einsatzleitung in der Flutnacht das Ausmaß nicht habe erfassen können. Jedoch könne man nicht sagen, ob etwa Personenschäden hätten verhindert werden können, wenn die Einsatzleitung anders gehandelt hätte, so Gißler.
Roselieb bemängelt fehlende Simulation zur Rettung von Menschenleben
Roselieb hatte schon im Vorfeld bemängelt, dass Gißler in seinem Gutachten nicht simuliert hat, wie viele Todesfälle bei einer Evakuierung des Ahrtals hätten vermieden werden können. Das kenne er aus vergleichbaren Gutachten anders. Dort werde beispielsweise mit Prozentzahlen angegeben, wie viele Menschenleben wohl hätten gerettet werden können, sagte er dem SWR. Im Ausschuss erklärte der Krisenforscher nun, der Gutachter habe die Informationen nicht liefern können, weil er die Daten dafür nicht erhoben habe.
Krisenforscher: Managementfehler Grund für Ausmaß der Katastrophe
Der Krisenforscher kommt zu dem Schluss: "Die Ahrflut war deswegen so eine große Katastrophe, weil es Fehler im Management gegeben hat." Roselieb sagte, er habe mehrere Simulationsrechnungen durchgeführt. Wegen der lückenhaften Datenerhebung im Gutachten seien aber nur zwei davon halbwegs aussagekräftig. Er konnte keine konkreten Angaben machen, wie viele von den 135 Menschen, die bei der Ahrflut starben, hätten gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen anders gehandelt hätten.
Das Katastrophenmanagement im Kreis Ahrweiler sei deshalb unterdurchschnittlich gewesen, weil es keinen Verwaltungsstab gegeben habe und auch der Landrat nicht vor Ort gewesen sei. Laut Roselieb sei am 14. Juli 2021 um 18:30 Uhr der Zeitpunkt gewesen, um Katastrophenalarm auszulösen. Das geschah auf Anweisung des damaligen Landrats Jürgen Pföhler (CDU) aber erst kurz nach 23 Uhr.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte das Gutachten bei Gißler im Zuge der Ermittlungen gegen Pföhler und dessen ehrenamtlichen Brand- und Katastrophenschutzinspekteur in Auftrag gegeben. Bei den Ermittlungen geht es auch um die Frage, ob durch einen besseren Katastrophenschutz im Ahrtal nachweislich Menschenleben hätten gerettet werden können.
Ermittlungen zur Flutkatastrophe an der Ahr Neues Flut-Gutachten: Strafrechtliche Bewertung schwierig
Der Kreis Ahrweiler war nicht ausreichend auf die Flutkatastrophe 2021 vorbereitet. Das geht aus einem neuen Gutachten hervor, das der Staatsanwaltschaft Koblenz jetzt vorliegt. Schon gibt es erste Überlegungen, die Beweisaufnahme im U-Ausschuss wieder aufzunehmen.
U-Ausschuss beendet Beweisaufnahme
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben im Anschluss an die Befragung des Krisenforschers entschieden, die Beweisaufnahme zu beenden. Das hatte die CDU beantragt. "Der Untersuchungsausschuss sieht seinen Untersuchungsauftrag als erfüllt an", sagte der Ausschussvorsitzender Martin Haller (SPD). Abgelehnt wurden laut Haller weitere Beweisanträge der AfD-Fraktion, da sie rechtlich nicht zulässig seien. Bis zum Sommer soll nun der Abschlussbericht fertiggestellt und im September im Landtag besprochen werden. Der Bericht werde mehr als 2.000 Seiten umfassen, sagte Haller.
Bei der Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 waren in Rheinland-Pfalz 136 Menschen ums Leben gekommen, 135 von ihnen in der Ahr-Region und einer im Raum Trier. Ein Mensch gilt weiterhin als vermisst.
Staatsanwaltschaft gab Gutachten in Auftrag Katastrophenschutz im Ahrtal: Gutachter kritisiert Land
Im Gutachten, das die Staatsanwaltschaft zur Flutkatastrophe in Auftrag gab, wird nicht nur der Kreis Ahrweiler, sondern auch das Land kritisiert. Es gebe Fehler im System.
Aufarbeitung der Flutkatastrophe Was der Flut-Untersuchungsausschuss in RLP bisher gebracht hat
Lücken im Warnsystem und Unklarheiten im Katastrophenschutzgesetz in RLP - der Untersuchungsausschuss des Landtags zur Flutkatastrophe hat schon einiges zu Tage gefördert. Die Arbeit des Gremiums führte außerdem zum Rücktritt einer Ministerin. Eine erste Bilanz:
U-Ausschuss schließt Beweisaufnahme ab Angehörige von Flutopfern demonstrieren vor Landtag
Der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal hat seine Beweisaufnahme am Freitag abgeschlossen. Zeitgleich demonstrierten vor dem Mainzer Landtag Angehörige von Opfern der Katastrophe mit einer eindrücklichen Kunstinstallation.