Nachdem offenbar eine Prostituierte in Koblenz brutal ermordet wurde, schlagen Beratungsstellen Alarm: Die Gewalt gegen die Frauen nehme zu, gerade auch in Privatwohnungen.
Der Anblick sei auch für erfahrene Ermittler ein Schock gewesen, hieß es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft zum mutmaßlichen Mord an der 31 Jahre alten Frau aus Bulgarien. Ihr lebloser Körper war vor zwei Wochen in einer Privatwohnung im Koblenzer Rauental gefunden worden. Wenig später starb sie im Krankenhaus. Sie arbeitete offenbar als Prostituierte und sei vor ihrem Tod brutal misshandelt worden, so die Behörde.
Die Sozialarbeiterin Bettina Kneisler überrascht das nicht. "Dieser Fall bestätigt das, was wir täglich in unserer Arbeit erleben", erklärt sie im SWR-Gespräch.
Verein Schattentöchter aus Neuwied berät Prostituierte
Kneisler arbeitet seit vielen Jahren für den Verein "Schattentöchter" aus Neuwied mit Prostituierten im Großraum Koblenz und sagt: "Die Frauen sind ständig in Lebensgefahr." Das betreffe vor allem Frauen, die in Privatwohnungen der Prostitution nachgehen. Seit der Corona-Pandemie habe diese Form der Prostitution im Großraum Koblenz und im Westerwald zugenommen, bilanziert die Sozialarbeiterin.
Während der Pandemie war legale Prostitution wegen der Kontaktbeschränkungen kaum noch möglich, so Kneisler. Daher seien viele Prostituierte und ihre Zuhälter in Privatwohnungen ausgewichen. "Dieser Trend geht jetzt weiter".
In Privatwohnungen hätten Zuhälter bessere Möglichkeiten, die Frauen zu kontrollieren. Diese seien ihnen oft schutzlos ausgeliefert. Die Behörden aber könnten oft wenig tun, weil der Schutz der Privatwohnung im Grundrecht verankert ist.
Polizei und Stadt haben Privathaus mehrfach kontrolliert
In dem Haus in Koblenz-Rauental, in dem die Getötete gearbeitet haben soll, ist Prostitution nach Angaben der Stadt Koblenz aber verboten. Daher seien "die Ordnungsbehörden der Stadt sowie die Polizei Koblenz mehrfach dagegen vorgegangen", erklärt der Sprecher der Stadt.
Dennoch konnten die Behörden nicht verhindern, dass die 31-Jährige qualvoll starb. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird noch ermittelt, ob die Frau dort tatsächlich als Prostituierte arbeitete und ob mögliche sexuelle Misshandlungen zu ihrem Tod geführt haben.
Freier finden übers Internet Kontakt zu Prostituierten
Derzeit sind bei der Stadt Koblenz sieben Prostitutionsbetriebe offiziell gemeldet. Sie werden "im Rahmen der personellen Möglichkeiten kontrolliert", sagte der Stadt-Sprecher dem SWR. Doch die Zahl der illegalen Betriebe dürfte wesentlich höher liegen, sagt Sozialarbeiterin Kneisler. Und diese Betriebe würden von den Behörden meist nicht kontrolliert.
Sozialarbeiterin: Rotlicht-Milieu hat sich nach Koblenz verlagert
Prostituierte, die in Privatwohnungen arbeiten, zu finden, ist ziemlich einfach: In frei zugänglichen Internetforen werden die Frauen wie in einer Art Warenkatalog angeboten, beklagt Kneisler. Eine SWR-Recherche zeigt: Die aktuelle Suche in einem der größten Internetforen liefert fast 90 Einträge von Frauen, die allein in Koblenz ihre Dienste als Prostituierte anbieten. Im Umkreis von 20 Kilometern sind es rund 190.
Den Inseraten im Internet zufolge arbeiten manche der Frauen in Bordell-Betrieben. Ein großer Teil ist offenbar aber in Privatwohnungen tätig.
In der Vergangenheit sei vor allem die Stadt Neuwied das Zentrum des Rotlicht-Milieus im Norden von Rheinland-Pfalz gewesen, schildert Kneisler. Das habe sich aber geändert: "Inzwischen ist das Milieu nach Koblenz abgewandert. Die Stadt ist der größte Puff im Norden des Landes."
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Unterwegs im Rotlicht-Milieu
„Das Bordell Europas“ – so wird Deutschland von Kritikern genannt. Laut Gesetz sind Prostituierte geschützt, haben Rechte. Der Alltag der Prostituierten hingegen hat oft wenig mit einem Freudenhaus zu tun: Viele werden Opfer von gewalttätigen Zuhältern und Freiern. Viele Opfer von Menschenhandel. Wie sieht es in der Realität aus? Was passiert im Verborgenen? Zur Sache ist im Rotlicht-Milieu unterwegs.