SWR-Umfrage zeigt

Kita-Ausbau überfordert viele Bürgermeister im Westen der Pfalz

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Verena Lörsch
Verena Lörsch

Viele Ortsbürgermeister in RLP beklagen in einer SWR-Umfrage: Pflichtaufgaben wie der Betrieb oder Ausbau von Kitas wachsen ihnen über den Kopf.

Aufgeregte Kinderstimmen schallen über die grüne Wiese zu Dieter Hartmüller herüber, der gerade dabei ist, die Tür zu einem weißen Container zu öffnen. Es ist einer von zwei Gruppenräumen, die provisorisch in den weißen Würfeln Platz finden müssen. Auf diesem Kita-Gelände in Göllheim im Donnersbergkreis wird es offensichtlich: Kindergärten platzen vielerorts in Rheinland-Pfalz (RLP) aus allen Nähten – und Bürgermeister wie Dieter Hartmüller (CDU) müssen damit umgehen.

Für Bürgermeister in RLP ist der Kita-Ausbau besonders fordernd

Dass Aufgaben wie die Erweiterung und der Betrieb einer Kita ihn und viele seiner Amtskolleginnen und -kollegen fordern, teilweise auch überfordern, zeigt eine SWR-Umfrage, an der mehr als 600 Ortsbürgermeister im Land teilgenommen haben. Viele wollen nicht noch einmal antreten, sind frustriert und fühlen sich mit Haushaltsproblemen und vor allem Pflichtaufgaben wie den Kitas allein gelassen.

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Auch der Göllheimer Ortsbürgermeister wird ärgerlich, wenn er an das Thema Kita-Ausbau denkt: Die Kita-Gesetze der vergangenen Jahre seien zwar sinnvoll für Familien – die neuen Anforderungen an die Kitas würden von Seiten des Landes oder Bundes aber nicht ausreichend finanziell unterstützt.

2010 war die Göllheimer Kita erweitert worden. Weil mehr Familien zuzogen, mussten ein paar Jahre später zwei Wohncontainer auf dem Kita-Gelände aufgestellt werden. Doch die Container dürften nur temporär genutzt werden, sagt Hartmüller. Das Gute-Kita-Gesetz und Kita-Zukunftsgesetz hätten nun zur Folge, dass er nicht mehr wie bislang 66 Kita-Kindern, sondern allen 150 Kindern einen Ganztagsplatz anbieten muss. Deswegen muss ein Neubau her, für den er aber nur teilweise Zuschüsse bekomme. "Das reißt uns finanziell in den Abgrund."

"Land und Bund erlassen Gesetze und bezahlen müssen wir hier unten."

Und der Kita-Ausbau sei längst nicht die einzige Pflichtaufgabe, die Dieter Hartmüller als Bürgermeister zu stemmen hat: So müssten kommunale Gebäude wie das Dorfgemeinschaftshaus energetisch saniert und die Straßen in Stand gehalten werden. Letzteres liege aber seit Jahren auf Eis. "Wir haben ein Straßensanierungsprogramm aufgestellt, konnten aber in den letzten fünf bis sechs Jahren keine Straßen mehr sanieren, da uns das finanziell zu sehr belastet."

Pflichtaufgaben empfinden viele Bürgermeister als erdrückend

Über Pflichtaufgaben wie den Betrieb von Kitas klagt auch Klaus Schubinski (parteilos), Bürgermeister von Haschbach am Remigiusberg im Kreis Kusel. Seine Ortsgemeinde teilt sich die Kita mit zwei benachbarten Orten. Und da in allen drei Orten auch Neubaugebiete entstanden sind, gebe es immer mehr Kinder. Ob die vielen Störche in der Region ihnen diesen Kindersegen bescheren? "Ich wollte dem Storchenschutzverein hier schon kündigen", sagt Schubinski lachend. Immer wieder hätten sie die Kita erweitert – und nun sei ein neuer Anbau notwendig, der die Gemeinden finanziell stark belaste.

Ähnliches schildern im SWR-Interview zahlreiche andere Bürgermeister aus der Westpfalz. Bei vielen steht ein teurer Neu- oder Erweiterungsbau ins Haus. Dabei sei allein der Kita-Unterhalt schon kaum zu stemmen, schildern sie. Im Falle von Haschbach belaste der Kita-Unterhalt die Gemeinde heute drei mal so stark wie noch vor vier Jahren.

Personalengpässe zwingen Kitas in RLP zu kürzeren Öffnungszeiten

Besonders schwierig sei zudem die Personalsituation in den Kitas, sagen viele Bürgermeister. So auch Hans-Peter Spohn (Freie Wähler) aus Frankelbach im Kreis Kaiserslautern. "Fällt eine Erzieherin aus, müssen wir die Öffnungszeiten kürzen", berichtet er von "seiner" Kita. Tim Mühlbach, Bürgermeister von Marnheim im Donnersbergkreis (parteilos), bezeichnet den Personalschlüssel in den Kitas als "übel". Die Folge: Erzieherinnen und Erzieher sind überlastet und wenn sie erkranken, muss die Kita früher schließen – was wiederum berufstätige Eltern in die Bredouille bringt. "Die größte Herausforderung ist der Unmut der Eltern", resümiert Mühlbach. Ähnliches schildert sein Amtskollege aus dem nahegelegenen Kriegsfeld, Albert Ziegler (SPD). Langzeiterkrankungen oder Elternzeit bei Erziehern seien kaum abzufangen, so Ziegler.

Doch gibt es auch Lösungen für diese Gemengelage? Ja, zeigt ein Beispiel aus dem Donnersbergkreis. Die Verbandsgemeinde (VG) Nordpfälzer Land mit Bürgermeister Michael Cullmann (SPD) ist einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Um unnötige Doppelarbeit zu vermeiden und die Ortsbürgermeister zu entlasten, hat Cullmann auf VG-Ebene das Kita-Bündnis "Nordpfälzer Glückskinder" geschaffen, dem mittlerweile schon sieben Kitas angehören. Und weitere wollen sich demnächst anschließen.

Das bedeutet: Die Träger, also die Ortsgemeinden, übertragen ihre Kitas auf die Ebene der Verbandsgemeinde. Dort kümmert sich Claudia Manz-Knoll als pädagogische Gesamtleiterin um die sieben Häuser – in enger Abstimmungen mit dem Kita-Personal vor Ort und mit der Unterstützung der VG-Verwaltung. Das hat Vorteile, so die Leiterin. Für die Betreuungsqualität, die Erzieherinnnen und Erzieher und die Eltern.

Kita-Bündnis im Donnersbergkreis entlastet Ortsbürgermeister

Als Vollzeit-Kraft könne Manz-Knoll viele Termine vor Ort übernehmen, wo ein ehrenamtlicher Bürgermeister an seine Grenzen stoßen würde. Auch die Kita-Platzvergabe beispielsweise für Familien in Notlagen, könne das Kita-Bündnis effektiver regeln. "Da brechen viele Träger sonst ein", so Manz-Knoll, die früher nur eine Kita unter sich hatte. Bei den Verwaltungsprozessen werde sie durch die verschiedenen Stellen der Verbandsgemeinde unterstützt. So gebe es nun eine App für alle sieben Kitas, mit der Eltern ihr Kind im Krankheitsfall abmelden können und auch das Kita-Essen bestellen und abbestellen können.

Viele Ortsbürgermeister klagen über die rechtlichen Rahmenbedingungen. Wir hier in der VG müssen die für alle sieben Kitas nur einmal durcharbeiten.

Wenn in einer Kita wegen Krankheit plötzlich viele Erzieherinnen oder Erzieher ausfallen, könne Personal aus den anderen Kitas aushelfen und die Öffnungszeiten müssten nicht reduziert werden. "Das danken uns die Kitas, aber vor allem die Familien", so Manz-Knoll. Außerdem könne das Kita-Bündnis ihren Beschäftigten flexiblere Arbeitszeiten anbieten, als es eine einzelne Kindertagesstätte könnte.

Alle Schwierigkeiten könne das Bündnis allerdings nicht lösen, räumt VG-Bürgermeister Cullmann ein. Wenn eine Kita aus allen Nähten platzt und ein Neubau ansteht, sei das immer herausfordernd und teuer. "Für uns ist die Steuerung einfacher, wir können die Vorschriften besser anwenden und abarbeiten. Aber die Umsetzung ist für uns als VG ähnlich schwierig wie für eine Ortsgemeinde."

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