Ehrenamtliche überfordert

Bürgermeister in RLP frustriert – viele wollen aufhören

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Verena Lörsch
Verena Lörsch

Eine SWR-Umfrage zeigt: Vielen ehrenamtlichen Bürgermeistern in RLP fehlt die Motivation weiterzumachen – für sie fehlt es an Geld und an Unterstützung anderer politischer Ebenen.

Jetzt reicht's. Geldnot und kaum noch Gestaltungsspielraum haben den Bürgermeister und den Gemeinderat in Freisbach in der Südpfalz dazu gebracht, Anfang August zurückzutreten. Eine SWR-Umfrage unter Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Land bestätigt: Der Frust sitzt tief. Viele der Ehrenamtlichen wollen bei der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz in sieben Monaten nicht wieder antreten.

Eine SWR-Umfrage zeigt: Viele ehrenamtliche Bürgermeister in RLP haben keine Motivation mehr weiterzumachen – für sie fehlt es an Geld und an Unterstützung anderer politischer Ebenen.
Eine SWR-Umfrage zeigt: Viele ehrenamtliche Bürgermeister in RLP haben keine Motivation mehr weiterzumachen – für sie fehlt es an Geld und an Unterstützung anderer politischer Ebenen.

Bürgermeister in RLP: Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer überlegt hinzuwerfen

Die Umfrage ist an alle 2.262 Ortsbürgermeister im Land verschickt worden, 610 Bürgermeister haben den Fragebogen ausgefüllt. Die Rückmeldungen zeigen: Die Belastung der ehrenamtlichen Amtsträger ist groß.

Rund ein Drittel von ihnen (191) gibt an, künftig nicht mehr antreten zu wollen. Jeder Vierte (160) hat noch nicht entschieden, ob er oder sie nochmal für das Ehrenamt kandidieren will. Zusammen genommen ist das deutlich mehr als die Hälfte der Amtsträger.

Geldnot bremst Ortsgemeinden in RLP aus

In der Umfrage konnten die Amtsträger auch Gründe angeben, warum sie daran zweifeln, nochmal als Bürgermeister anzutreten. Für die meisten sind die Finanzprobleme in der Gemeinde ausschlaggebend für ihre Entscheidung

(119). Viele wollen aus Altersgründen aufhören (71). Andere geben private Gründe an (42). Viele Bürgermeister haben in der Umfrage auch ausführlicher erklärt, warum sie nicht mehr antreten wollen. Alle Befragten konnten außerdem berichten, was sie kommunalpolitisch am meisten herausfordert.

Die befragten Bürgermeister in RLP nennen als Gründe, warum sie zweifeln, nochmal anzutreten, häufig Haushaltsprobleme in der Ortsgemeinde.
Hauptproblem: Gemeindefinanzen.

Die Rückmeldungen zeigen: Die Ortsbürgermeister fühlen sich durch die schwierige Haushaltssituation und hohe Abgaben an ihre Verbandsgemeinden (VG) ausgebremst.

Das Land hat für Gemeinden ein Entschuldungsprogramm ausgearbeitet. Daran kann eine Gemeinde nur teilnehmen, wenn sie einen ausgeglichenen Haushalt ohne Defizit vorlegen kann. Also müssen die Bürgermeister in ihren Gemeinden einen strengen Sparkurs fahren. Das könnte ein Grund dafür sein, dass fast 34 Prozent der Bürgermeister in der Umfrage das Thema „Gemeindefinanzen“ nennen, wenn es darum geht, dass sie eventuell nicht zu einer Wiederwahl antreten wollen. Fast jeder Vierte aller Umfrageteilnehmer beschwert sich darüber, wie viel Geld sein Ort an die Verbandsgemeinde abtreten muss.

Bürgermeister: Zu viele Pflichtaufgaben

Unter den Befragten beklagen viele die hohe Zahl an Pflichtaufgaben, die sie als Ortsgemeinde zu erfüllen haben. Etwa die Hälfte aller Umfrageteilnehmer schreibt, die Pflichtaufgaben gehörten für sie zu den größten Hürden: von Straßenreparaturen bis hin zur Sanierung des Gemeindehauses. Außergewöhnlich häufig nennen die Bürgermeister von sich aus den Kita-Unterhalt und -Ausbau als eine der größten Herausforderungen auf kommunaler Ebene – fast 30 Prozent aller Umfrageteilnehmer. Warum das Thema Kita vielen Amtsträgern über den Kopf wächst und welche Lösung es dafür gäbe, zeigt eine Recherche aus dem Westen der Pfalz.

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Viele fühlen sich von anderen politischen Ebenen allein gelassen

Immer wieder fällt in den Rückmeldungen der Befragten der Satz, sie fühlten sich allein gelassen. Und das nicht nur von den Bürgern im Ort, sondern insbesondere von anderen politischen Akteuren. Von den Umfrageteilnehmern, die überlegen aufzuhören, geben rund 38 Prozent an, dass das mitunter an der fehlenden Unterstützung der Verbandsgemeinde, des Kreises oder der Landesregierung liegt. Einige berichten auch von politischen Querelen im Gemeinderat. Ein Bürgermeister von der Mosel berichtet, wie schwer es ihm fällt, sein Amt trotz dieses Gegenwinds auszufüllen.

Bürokratie überfordert Bürgermeister im Ehrenamt

Erschwerend kommt für viele der Befragten hinzu, dass sie die steigende Zahl an Verordnungen, Gesetzen und Förderanträgen überfordert. Viele Befragte geben an, die mit dem Bürgermeisteramt verbundenen Aufgaben seien zu komplex, um sie als Laie zu begreifen. Bei denen, die nicht wieder antreten wollen oder zweifeln, schreiben etwa 19 Prozent, dass das auch an den bürokratischen Hürden liegt. Wie komplex Beantragungsprozesse beispielsweise für den Bau eines Solarparks sein können, zeigt ein Beispiel aus Dieblich im Kreis Mayen-Koblenz.

Bürgermeister können nicht mehr gestalten

Eng verbunden mit der schwierigen Haushaltslage ist das Gefühl vieler Ortsbürgermeister, kaum noch Gestaltungsspielraum auf der Ebene der Ortsgemeinde zu haben. Gerade langjährige Amtsträger betonen, sie hätten den Eindruck, immer weniger gestalten zu können. Daher fehle ihnen die Motivation, weiterzumachen. Was den Handlungsspielraum einschränkt, erklären Bürgermeister aus der Pfalz.

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Gerade jüngere Amtsträger geben an, die Bürgermeister-Tätigkeit nehme so viel Raum ein, dass sie neben Familie und Hauptberuf kaum zu stemmen sei. Wie fordernd das Ehrenamt sein kann und warum manche das "Modell ehrenamtlicher Bürgermeister" für gescheitert erklären, zeigt dieser Bericht aus dem Kreis Mainz-Bingen.

Zu hohe Erwartungen an das Ehrenamt

Wegen der hohen Belastung der Ehrenamtlichen verwundert es auch nicht, dass besonders häufig Rentnerinnen und Rentner im Amt sind – und oft über viele Jahre im Amt bleiben. Von den Umfrageteilnehmern, die möglicherweise nicht noch einmal antreten, tun das über 20 Prozent aus Altersgründen.

In der Umfrage beschweren sich die Bürgermeister auch über die "Anspruchshaltung" vieler Bürger. Von den Ehrenamtlichen, die an einer neuen Amtszeit zweifeln, schreiben fast 18 Prozent, dass sie von den Bürgern im Ort nicht ausreichend Unterstützung oder Respekt erfahren. Sie schildern, immer weniger Bürger würden sich im Ort ehrenamtlich engagieren. Zeitgleich ernte die Kommunalpolitik viel Gegenwind. Im Einzelfall berichten Bürgermeister auch von Beleidigungen bis hin zu Angriffen von Seiten der Bürger.

Die oben genannten Problemfelder haben die Befragten mit Abstand am häufigsten angesprochen. Je nach Region erwähnten die Ortsbürgermeister spezielle Themenfelder wie den Ausbau erneuerbarer Energien, Klimaschutzmaßnahmen oder Hochwasserschutz. In neun von 610 Rückmeldungen haben die Bürgermeister auch das Thema Geflüchtete als Herausforderung benannt.

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