Im ganzen Land strömen Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Protestforscher Gassert wertet das als Erfolg für die Demokratie - mit Einschränkungen.
Von Ahrweiler bis Zweibrücken, von Bitburg bis Worms - allein seit dem vergangenen Wochenende haben Zehntausende in Rheinland-Pfalz lautstark für mehr Demokratie und gesellschaftliche Vielfalt protestiert. Auf ihren Schildern steht "Nie wieder ist jetzt", "Klare Kante gegen rechts" oder "EkelhAfD". Protestforscher Philipp Gassert ordnet die Demonstrationen ein.
SWR Aktuell: Professor Gassert, was ist das für eine Bewegung, die sich da gerade formiert?
Philipp Gassert: Das ist eine sehr, sehr große Bewegung, die erstmals überhaupt in unserer Geschichte allgemein für die Demokratie eintritt und nicht für ein spezielles Thema. Und das ist schon ungewöhnlich.
SWR Aktuell: Ist das eine Bewegung, die lange aktiv sein wird? Oder rechnen sie damit, dass auch schnell wieder Schluss sein wird mit den Protesten?
Gassert: Ich rechne schon damit, dass diese Proteste in absehbarer Zeit vorüber sein werden. Das liegt einfach in der Natur der Sache, das haben sie bei allen Protestbewegungen. Die steigen in Wellen auf und irgendwann wird es dann wieder weniger. Wie viele Wochen das noch andauert, das kann man natürlich konkret nicht vorhersagen. Aber ich finde es jetzt schon einen Erfolg, dass es sich schon über mehrere Wochen erstreckt und dass es auch am letzten Wochenende noch eine deutlichere Mobilisierung gegeben hat.
SWR Aktuell: Macht es einen Unterschied, ob Parteien solche Demonstrationen organisieren oder Bürgerinnen und Bürger, wie kürzlich in Mainz?
Gassert: Das macht einen Riesenunterschied, wenn das allgemein aus der Zivilgesellschaft kommt und nicht von Parteien, Gewerkschaften oder anderen Organisationen organisiert wird. Der Unterschied ist einfach der, dass es ein breiteres Spektrum ansprechen kann. Und das sehen wir jetzt bei diesen Demonstrationen gegen rechts, die über das gesamte demokratische Spektrum reichen.
Auch Gewerkschaften sind dabei, Kirchen und so weiter. Aber es ist wichtig, dass es aus der Zivilgesellschaft kommt, und daher ist es in der Wahrnehmung auch etwas anderes als eine Demo, die von einer Partei organisiert wird.
SWR Aktuell: Was können die aktuellen Demos am Ende tatsächlich bewirken?
Gassert: Diese Demos können eine Mobilisierung bewirken. Sie müssen natürlich dazu führen, dass am Ende die Menschen ihr Kreuzchen bei den demokratischen Parteien machen werden, dass sie wählen gehen. In dem Sinne können sie die Demokratie stärken.
Dass sie sich jetzt in der Weise übersetzen würden, dass diejenigen, die sich für eine rechte Partei oder rechtsradikale bzw. rechtsextreme Parteien entscheiden, umstimmen werden, das erwarte ich eher nicht. Es geht eher darum, die schweigende Mehrheit zu mobilisieren und sich an der Demokratie aktiv zu beteiligen. Und das heißt natürlich auch, sich wählen zu lassen oder wählen zu gehen.
Hintergründe zu den Demos
Begriffsklärung Freiheitlich-demokratische Grundordnung: Was ist das eigentlich?
Seit Tagen gehen in ganz Deutschland Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Fragt man die Demonstranten nach ihrer Motivation, sagen sie oft, sie sorgten sich um die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO). Doch was ist mit dem Begriff eigentlich gemeint?