Immer häufiger werden Beschäftigte in Rathäusern oder Bürgerbüros beschimpft, bedroht oder gar mit Gegenständen beworfen. Das hat eine Umfrage des SWR ergeben. Unter anderem in Landau und Ingelheim sollen die Zugangsbereiche deshalb jetzt umgebaut und sicherer gemacht werden.
"Aggressives Verhalten gegen unsere Mitarbeitenden nimmt immer mehr zu." Diese Antwort geben nahezu alle Verwaltungen der Kreise und Kommunen in Rheinland-Pfalz auf SWR-Anfrage. Und auch der Städtetag Rheinland-Pfalz bestätigt: "Vielerorts ist es schon zu bedrohlichen Situationen in Verwaltungsgebäuden gekommen." Manche Klienten hätten sogar Waffen oder Hunde mit ins Rathaus gebracht.
Landau und Ingelheim wollen Eingänge der Verwaltungen sichern
Das jüngste Beispiel kommt aus Landau. Dort war Mitte August im Rathaus ein aggressiver Mann aufgetaucht, hatte lautstark Hilfe bei einem Problem gefordert und Mitarbeiter bedroht. Jetzt will die Stadt reagieren und ihren Zugangsbereich umbauen, um ihn besser zu sichern.
Auch die Kreisverwaltung Südliche Weinstraße plant einen Umbau, nachdem zwei Mitarbeiter des Jugendamts in sozialen Medien namentlich bedroht worden waren.
Neuer Zugang ins Kreishaus soll besser schützen Kreis Südliche Weinstraße: Reichsbürger bedrohen Jugendamts-Mitarbeiter
Die Kreisverwaltung Südliche Weinstraße fürchtet um die Sicherheit ihrer Beschäftigten und baut um. Der Grund: Zwei Mitarbeiter des Jugendamts werden in den sozialen Medien wohl namentlich bedroht.
Ähnliches ist auch in Ingelheim vorgesehen. Dort sollen an den Hauptstandorten der Kreisverwaltung Mainz-Bingen Check-in Terminals eingerichtet werden, damit besser kontrolliert werden kann, wer das Gebäude wann betritt.
In Idar-Oberstein wurde im Foyer des Bürgerservice eine Schutzwand aus Glas eingebaut, um mögliche direkte Übergriffe auf die Mitarbeiter zu verhindern. Im Kreis Mayen-Koblenz ist an vielen Schreibtischen ein Spuckschutz installiert.
Bei Bedrohung in Rathäusern über Alarmknöpfe Hilfe rufen
Auch in der Region Trier berichten die Verwaltungen von Problemen. Viele Kommunen haben nach eigenen Angaben Sicherheitssysteme eingeführt und bauen diese kontinuierlich aus. Bei der Stadt Trier gibt es etwa Einlasskontrollen und einen Pfortendienst. In Idar-Oberstein sind 60 Arbeitsplätze mit Alarmierungstasten ausgestattet.
Solche Alarmsysteme gibt es auch in Kaiserslautern, Koblenz und Mainz. So können Beschäftigte, die sich bedroht fühlen, einen stillen Alarm auslösen und Kollegen und Kolleginnen im direkten Umfeld oder den Sicherheitsdienst zu Hilfe rufen. In Koblenz verwenden einige Beschäftigte auch einen sogenannten Schrillalarm, der sehr laute Töne erzeugt. Damit könne im Zweifel schnell Unterstützung gerufen werden. In anderen Regionen ist es üblich, dass die Mitarbeitenden Pfefferspray in der Schublade liegen haben.
Überwachungskameras wegen Datenschutz in Verwaltungen nicht erlaubt
Die Verbandsgemeinde Nordpfälzer Land wollte in einigen Bereichen Überwachungskameras anbringen, nachdem Mitarbeitende bedroht und beleidigt worden waren. "Wir wollten hier eine Möglichkeit schaffen, mit der Kamera zu überwachen, wenn wir wissen, da sind Leute in der Warteposition, die vielleicht etwas kritischer zu beäugen sind", sagt VG-Bürgermeister Michael Cullmann (SPD). Das sei aber aus Datenschutzgründen abgelehnt worden.
Bereiche von Mitarbeitern mit Sozialleistungen besonders sensibel
Vor allem in Bereichen, in denen es um Geldleistungen und Genehmigungen geht, seien die Beschäftigten gefährdet, sagt Moritz Petry vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz. So gehe es etwa bei Sozialleistungen häufig um Existenzen. Die Menschen seien aufgeregt oder gar verzweifelt, wenn Geld nicht pünktlich ausgezahlt oder ein Antrag abgelehnt werde. Das führe dann zu einer hohen Nervosität und nervlichen Belastung.
Petry kann sich erinnern, wie sich ein wütender Klient einmal einen Locher von einem Schreibtisch schnappte und nach einem Mitarbeiter warf. Solche körperlichen Angriffe seien zum Glück nach wie vor selten, sagt er. Aber der Ton habe sich verschärft, die Menschen seien ungeduldiger. Das spiegele ein bisschen die generelle Stimmung in der Gesellschaft zurzeit.
Plakate werben für respektvollen Umgang in Rathäusern
Viele Verwaltungen bauen deshalb auf Kommunikation und die Einsicht der Bürgerinnen und Bürger. In der Stadt Trier etwa werden die Besucherinnen und Besucher mit Plakaten und Aufstellern aufgefordert, sich angemessen zu verhalten. Andere, etwa die Kreise Bad Kreuznach oder Mayen-Koblenz, bieten ihren Mitarbeitern regelmäßig Schulungen zur Gewaltprävention und Deeskalationstrainings an.
Idee von offenen Verwaltungen wird schwieriger
Kommunen wie Mainz oder der Rhein-Lahn-Kreis vergeben schon seit längerem Termine nur noch vorab, damit sie immer wissen, wer sich im Gebäude aufhält. Andere halten an der Idee der offenen Verwaltung fest. Die Kreisverwaltung Südwestpfalz beispielsweise hat weiterhin alle Zugänge geöffnet. Ob das aber auch in Zukunft so bleiben wird, ist unklar.
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