Waldbrände sind ein gefährliches Symptom der Klimakrise. Doch die Feuerwehren in BW und RP können sich oft nicht ausreichend vorbereiten - es fehlt an Unterstützung aus der Politik, so die Hilfskräfte.
Marc Angelmahr schlägt die Feuerpatsche mit voller Wucht auf den Boden, immer wieder. Er muss die lodernden Flammen mit dem Gerät, das an einen kleinen Rechen erinnert, auslöschen und möglichst auch die Glut ersticken. Denn die kann jederzeit wieder aufflammen.
Das übt er einen ganzen Tag lang in unterschiedlichen Szenarien, zusammen mit 100 Feuerwehrleuten aus der ganzen Welt: Der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Plüderhausen (Rems-Murr-Kreis) hat sich auf eigene Initiative auf die Reise ins 650 Kilometer entfernte Bardo in Polen gemacht. Dort findet einmal im Jahr ein internationales Waldbrand-Camp statt. In seiner baden-württembergischen Heimat wäre es wegen vieler Regularien kaum möglich, große Flächen im Wald kontrolliert anzuzünden. Doch nur so kann er lernen, wie er einen Waldbrand löscht.
Steigende Waldbrandgefahr in Deutschland
Wie nötig solche regelmäßigen Übungen unter realen Bedingungen auch für den Südwesten sind, zeigt der bundesweite Waldbrandindex. Der wird jeden Tag vom Deutschen Wetterdienst (DWD) erstellt. In Baden-Württemberg wurden seit dem Jahr 2000 insgesamt 914 Brände im Wald gemeldet, mit einem Höhepunkt im Jahrhundertsommer 2003. Danach verläuft die Entwicklung wellenförmig. Auffällig: Seit 2017 steigt die Kurve tendenziell an. Ausnahme: der Regensommer 2023.
Ähnlich sieht es in Rheinland-Pfalz aus: 955 Brände wurden hier seit dem Jahr 2000 registriert, die meisten mit 144 im Jahr 2003. Und auch hier: Seit 2017 steigt die Kurve bis auf die Ausnahme von 2023. Für dieses Jahr liegen noch keine Daten vor.
Auf eine vom SWR initiierte, nicht repräsentative Umfrage haben 338 Wehren in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geantwortet. Das Ergebnis: 94 Prozent von ihnen sind schon zu Wald- oder Flächenbränden ausgerückt - aber rund 57 Prozent hatten weniger als fünf Übungen dazu.
Fehlende Ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehr muss selbst angeschafft werden
Neben der mangelnden Praxisausbildung kommt ein weiterer, schwerwiegender Faktor hinzu: unzureichende Ausrüstung. Marc Angelmahr aus Plüderhausen spürt im internationalen Waldbrand-Camp in Polen seine viel zu warme Feuerwehrjacke. Mit ihren mehreren Schichten ist sie insbesondere für Brände im Gebäudeinneren ausgelegt.
Das ist aber nur ein Mangelzustand von vielen: Zu Hause in Plüderhausen, so der Feuerwehr-Kommandant, "haben wir keine speziellen Fahrzeuge zum Thema Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung, die vom Land oder Bund kommen". Das benötigte Fahrzeug kostet 540.000 Euro, das Land gibt aber nur 90.000 Euro dazu.
So geht es vielen der Freiwilligen Feuerwehren in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In der nicht repräsentativen SWR-Umfrage sagen 60 Prozent der Feuerwehren, dass sie entweder gar keine oder nicht ausreichend Ausrüstung für den Ernstfall im Wald hätten.
Waldbrandgefahr: Mangelnde Notfallpläne für die Bevölkerung
Ein weiteres Problem: Es fehlt an Konzepten und Notfallplänen für die Bevölkerung. Besonders deutlich wurde dies im Hitzesommer 2022 bei einem Großeinsatz für die Feuerwehr im pfälzischen Neuleiningen im Landkreis Bad Dürkheim. Dort brannte der Wald rund um eine historische Event-Location und die Flammen kamen dem Ort bedrohlich nahe.
Bis der angeforderte Löschhubschrauber eintraf, dauerte es mehrere Stunden. Letztlich rettete die Unterstützung von 150 benachbarten Feuerwehrleuten die Einwohnerinnen und Einwohner. Diese Situation bestätigt auch die SWR-Umfrage: In der Abfrage gaben von 338 Feuerwehren rund 291 an, im Fall von Wald- und Vegetationsbränden aktuell nicht über Notfallpläne für die Bevölkerung zu verfügen.
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Feuerwehren kritisieren mangelnde Unterstützung durch die Politik
Viele Feuerwehren wünschen sich für das Thema Waldbrandbekämpfung und -prävention mehr Unterstützung von den Ländern. Zuständig sind die Innenministerien. BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärt:
Was er nicht sagte: Diese Großübung findet nur alle sieben Jahre statt. Teilnehmen konnten damals circa 2.000 Feuerwehrleute, das sind knapp zehn Prozent der Wehren in Baden-Württemberg. Plüderhausen ging leer aus.
Waldbrand-Camp: Üben unter realen Bedingungen
Um wenigstens sich selbst und vielleicht später auch seine Kolleginnen und Kollegen weiterbilden zu können, nimmt Marc Angelmahr am internationalen Waldbrand-Camp teil. Dort lernen Feuerwehrleute unter Anleitung und realen Bedingungen das Eindämmen und Löschen von Wald- und Flächenbränden.
Marc Angelmahr trifft hier auf Alexander Held, einer der führenden Spezialisten für Waldbrandprävention in Europa. Seit Jahren gibt der Waldbrandexperte des European Forest Institute (EFI) aus der Nähe von Freiburg Feuerwehrleuten und Förstern Lösungsstrategien an die Hand. Beim Camp in Polen leitet er eine Übungsstation und zeigt Feuerwehrleuten, wo und wie sie Waldbrände am schnellsten eindämmen können: Schutzstreifen ziehen, Gegenfeuer legen, effektiv das Werkzeug einsetzen.
Mit solchen Übungen will Alexander Held den Kolleginnen und Kollegen demonstrieren wie sich Feuer auf Flächen und im Wald verhält: blitzschnell, brandgefährlich und unkontrollierbar.
Prävention in Zusammenarbeit mit Forstämtern
Brennende Wälder machen die Klimakrise deutlich sichtbar. Mit der Erderhitzung sowie der Kombination aus hohen Temperaturen und zunehmender Trockenheit steigt die Feuergefahr. Zu Hause im Freiburger Umland ist der Waldbrandexperte ständig unterwegs und berät Waldarbeiter und Förster. "Hartheim am Rhein", erzählt Alexander Held, "ist einer, wenn nicht der trockenste Waldstandort in Baden-Württemberg. Irgendwann passiert hier irgendwas, eine Unachtsamkeit, und dann ist diese Fläche prädestiniert zu brennen."
Letzter Tag für Marc Angelmahr im internationalen Waldbrand-Camp - sein Fazit: "Übung ist das A und O, nur die Theorie ist schwierig. Deshalb müssen wir auch in Deutschland versuchen, realitätsnahe Übungen durchzuführen." Man sehe die eigenen Schwächen eben nur, wenn man übe, sagt der Feuerwehrmann.
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