Erst vorige Woche wurde im baden-württembergischen Nahverkehr gestreikt, dann kehrte man an den Verhandlungstisch zurück. Jetzt hat die Gewerkschaft die Tarifverhandlung vorzeitig beendet.
Im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Baden-Württemberg könnten neue Warnstreiks drohen: Die Gewerkschaft ver.di hat die Verhandlung mit der Arbeitgeberseite zu einem neuen Manteltarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe im Land am Dienstag vorzeitig beendet.
Wie der ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg mitteilte, wurde das Gespräch mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV) ohne Ergebnis abgebrochen. Der für Mittwoch geplante Verhandlungstag entfalle.
ver.di verärgert über Verhalten der Arbeitgeber
Die Gewerkschaft begründete den Abbruch damit, dass der KAV in den laufenden Verhandlungen Inhalte an die Presse und die Belegschaften durchgestochen habe. "Das ist ein echter Affront und ein radikaler Bruch mit der bisherigen Verhandlungskultur im öffentlichen Dienst", kritisierte ver.di-Verhandlungsführer Jan Bleckert. "Verhandlungsstände an Beschäftigte und die Presse zu geben, während Beratungen stattfinden: das gab es bisher noch nie."
"Das überschattet sogar die Tatsache, dass das Angebot der Arbeitgeber nur marginale Verbesserungen für die Beschäftigten enthält, die fast alle frühestens ab 2025 wirken sollen", fügte Bleckert hinzu. Der KAV hatte am Dienstagmittag eine Pressemitteilung verschickt und darin über ein der Gewerkschaft vorgelegtes Angebot berichtet.
Gemeinsamer Protesttag Streiks am Freitag: ver.di und Fridays For Future demonstrieren in BW
ver.di setzte am Freitag den Warnstreik im ÖPNV in sieben baden-württembergischen Städten fort. Dabei fanden auch gemeinsame Proteste mit Fridays For Future statt.
Nach Abbruch: Weitere Warnstreiks im ÖPNV nicht ausgeschlossen
Der KAV zeigte sich irritiert von den Vorwürfen und dem Abbruch der Gespräche. "Wir haben schnellstmöglich über das Angebot informiert und möchten so gegenüber den Beschäftigten und der Öffentlichkeit zeigen, dass wir ein Angebot auf den Tisch gelegt haben und verhandeln wollen", sagte KAV-Hauptgeschäftsführerin Sylvana Donath laut Mitteilung. Schon ab Mittwoch stehe der KAV wieder für Tarifgespräche zur Verfügung.
ver.di-Verhandlungsführer Bleckert teilte mit, die Gewerkschaft werde nun mit der Tarifkommission über die nächsten Schritte beraten. Weitere Warnstreiks im ÖPNV seien mit dem heutigen Tag nicht ausgeschlossen. Erst Ende vergangener Woche hatte ver.di mit Warnstreiks in mehreren baden-württembergischen Städten den ÖPNV lahmgelegt. In Baden-Württemberg hatte am Dienstag die dritte Verhandlungsrunde begonnen.
Tarifverhandlungen für 6.500 Beschäftigte in Baden-Württemberg
ver.di verhandelt mit den kommunalen Nahverkehrsbetrieben aktuell in allen Bundesländern außer Bayern über neue Manteltarifverträge. Die Verhandlungen betreffen nach früheren Angaben mehr als 130 Unternehmen in Städten und Landkreisen sowie insgesamt 90.000 Beschäftigte - rund 6.500 davon in Baden-Württemberg: in Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz.
Im Land will ver.di unter anderem erreichen, dass die Arbeitszeit nach und nach abgesenkt wird und sich die Beschäftigten Arbeitszeiten bei Verspätungen vollständig anrechnen lassen können. Außerdem will die Gewerkschaft eine Schichtzulage sowie eine Nahverkehrszulage durchsetzen.
Arbeitgeberseite: ver.di-Forderungen nicht finanzierbar
Der von ver.di bislang vorgebrachte Forderungskatalog sei laut KAV-Hauptgeschäftsführerin Donath in seinem Gesamtumfang nicht finanzierbar. Man sei den ver.di-Forderungen im Rahmen des Möglichen entgegengekommen.
Die Arbeitgeberseite bietet ver.di der Pressemitteilung der KAV zufolge derzeit unter anderem Entlastungen bei der Schichtzeit mit einer Höchstgrenze von 12 Stunden für durchgehende Dienste sowie eine Nahverkehrszulage ab 2027, wenn die Lohnsteigerung aus dem TVÖD und Manteltarifvertrag unter der Inflationsrate liegt. Von einer Anrechnung der Arbeitszeit bei Verspätung sieht der KAV ab und bietet stattdessen eine Verkehrszulage von drei Euro pro gefahrener Schicht ab dem 1. Juli.
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