Im Kreis Neu-Ulm müssen vier Arztpraxen wegen einer Insolvenz schließen. Der verantwortliche Arzt hat sich wohl in die Schweiz abgesetzt. Ärzte aus Ulm wollen zumindest vorübergehend helfen.
Rund 4.000 Menschen aus Elchingen und Senden im Landkreis Neu-Ulm müssen sich einen neuen Hausarzt suchen. Das medizinische Verwaltungszentrum Elklinik mit insgesamt vier Praxen hat ein Insolvenzverfahren eröffnet, der verantwortliche Arzt ist wohl in die Schweiz geflüchtet und reagiert nicht auf Nachrichten. Nun haben Ärzte aus dem benachbarten Ulm angekündigt, zumindest vorübergehend Patientinnen und Patienten aufnehmen zu können.
Patienten bekommen Akten ab Donnerstag
Am Dienstagmorgen gibt es regen Betrieb vor einer der Arztpraxen im Elchinger Teilort Thalfingen. Immer wieder kommen besorgte Menschen und stehen doch vor verschlossener Tür. Sie wollten ihre Patientenakten abholen. Aber die gibt es erst ab Donnerstag, heißt es auf einem Hinweisschild. Und auch nur in dieser Praxis - einer von insgesamt vier. "Das hätte früher bekannt gegeben werden müssen", klagt eine Patientin, "manche brauchen ja dringend Medikamente".
Doch die Sorgen gehen weiter: Zu welchem Hausarzt sollen sie in Zukunft gehen? Die an der verschlossenen Tür angegebene Vertretungspraxis ist mehr als zehn Kilometer entfernt. Für viele ältere, nicht mobile Patientinnen und Patienten nur schwer erreichbar. Einige Praxen in der näheren Umgebung hätten Aufnahmestopp, erzählt eine aufgebrachte, ältere Frau.
Ehemalige Mitarbeiterin: "Das ist furchtbar!"
Vor der Praxis ist für eine kurze Zeit auch eine ehemalige Mitarbeiterin, die mehr als 50 Jahre dort tätig war. Als der verantwortliche Arzt die Praxen von seinem Vorgänger übernommen hatte, war sie zunächst "sehr zufrieden". Doch die Situation nun "ist furchtbar."
Sie selbst habe schon versucht, ihn via WhatsApp zu erreichen. "Ich habe nicht böse geschrieben, sondern anständig und habe ihn an der Ehre gekratzt." Eine Antwort kam bis heute nicht. "Der vergnügt sich jetzt in der Schweiz und lacht über uns 'depperte' Elchinger."
Patienten von Arzt enttäuscht
Viele von denen, die am Dienstag vergeblich vor der schweren, braunen Holztür mit Sternmuster und metallenem Türklopfer stehen, sind von dem Mediziner maßlos enttäuscht. "Ich finde das so charakterlos", beschwert sich eine wütende Patientin, "man hat doch einen Eid geschworen, dass man den Menschen hilft. Und jetzt lässt er die Menschen so im Stich."
Ein weiterer Patient fordert sogar, dass der bereits wegen Betruges auf Bewährung verurteilte Arzt nun "eingesperrt" wird, "weil er jetzt verhindert, dass die Praxen weitergeführt werden." Damit neue Ärztinnen und Ärzte die Praxen übernehmen könnten, muss die bisherige Zulassung zurückgenommen und dann neu vergeben werden, so ein Sprecher der Kreisärzteschaft Schwaben gegenüber dem SWR. Das könne Monate dauern.
Ärzte aus Ulm wollen aushelfen
Der Sprecher zeigt sich optimistisch, dass alle Betroffenen in anderen Praxen unterkommen. Die Versorgung in der Region um Elchingen sei gut, keine Praxis dürfe Menschen im Notfall abweisen. Ein Sprecher der Kreisärzteschaft Ulm sprach seine Solidarität aus und sagte, er und seine Kollegen würden die Patientinnen und Patienten nicht im Regen stehen lassen.
Zwei Ulmer Ärzte sind bisher bereit, zumindest vorübergehend Patienten im Kreis Neu-Ulm zu übernehmen. Das Angebot gelte im Wesentlichen für Patienten mit chronischen Erkrankungen, die regelmäßig Rezepte für Medikamente brauchen, sagte Insolvenzverwalterin Kiriaki Antoniadou dem SWR.
Bürgermeister sucht nach Lösungen für Elchingen
Für Elchingens Bürgermeister Joachim Eisenkolb (Freie Wähler Elchingen) ist die Situation trotzdem völlig unbefriedigend. "Jeder Patient, der nicht die bisherige Versorgung kriegen kann, ist einer zu viel." Die leerstehenden Praxen könnten künftig einzeln oder - wie bisher - zusammen geführt werden, so der Bürgermeister. Das sei "komplett offen."
Die Situation ändere sich "nahezu jeden zweiten Tag", erzählt Eisenkolb. Deshalb möchte er seinen Bürgerinnen und Bürgern auch Zuversicht geben. Es wäre zwar jetzt wesentlich schwieriger, sich medizinisch versorgen zu lassen, aber er könne versichern, dass alle "wirklich mit Hochdruck daran arbeiten, das so zügig wie möglich wieder in bessere Richtungen zu bringen." Wie lange "zügig" dauert, könne er aber leider auch nicht sagen.
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