Auch vier Jahre nach Ausbruch der Pandemie treibt Corona viele um. Ein umfassender Rückblick hat bislang nicht stattgefunden. Marcel Wagner kommentiert.
Als Journalist führe ich viele Gespräche. Ich möchte wissen, was Menschen denken - auch über Corona. Mein Eindruck dabei ist: Menschen, die der Corona-Politik in Deutschland und Baden-Württemberg kritisch gegenüber standen, beschäftigt das Thema Corona immer noch. Bei manchen dreht sich sogar fast alles um Corona. Andere, und das dürfte die große Mehrheit der Bevölkerung sein, wollen eigentlich nichts mehr von Corona wissen - nach dem Motto "Hauptsache vorbei!". Ein Satz, den ich dann oft höre, lautet: "Wir sind doch eigentlich ganz gut durchgekommen."
Explodierende Schulden und viel Hin und Her
Ich frage mich dann als Journalist: Sind wir das wirklich? Kinder und Jugendliche waren durch das Virus kaum gefährdet, haben aber die Hauptlast der Einschränkungen tragen müssen - mit massiven und andauernden psychosozialen Folgen. Auch durch das ewige Hin und Her aus zaghaftem Schließen und unbeherztem Öffnen sind die Staatsschulden allein 2020 und 2021 um über 400 Milliarden Euro explodiert. Auch das zahlen noch die Kinder ab.
Studien zu Corona-Impfungen? Fehlanzeige!
Die Impfung wurde als Allheilmittel und einziger Weg aus der Pandemie gepriesen. Dabei war schon früh klar, dass sie Ansteckung und Übertragung nicht sicher verhindern kann und es durchaus Nebenwirkungen gibt, auch schwere. Trotz dieses Wissens wurde über eine Impfpflicht diskutiert, Mitarbeitende ausgerechnet im so stark belasteten und wichtigen medizinischen Bereich zum Impfen gezwungen. Manche haben deshalb von sich aus gekündigt.
Begleitende Studien, die Aufschluss über Wirkung von Einschränkungen und Impfungen geben könnten? Sind nie beauftragt worden! Ein schweres Versäumnis. Menschen, die eine andere Meinung hatten und ihr Recht, diese Meinung zu äußern, wahrnehmen wollten, fühlten sich ungehört, ja, auch diffamiert und beleidigt von vielen in der Politik und auch in den Medien: "Covidioten halt." Dabei hatten sie zum Teil durchaus gute Argumente. Einige haben sich wegen dieser Erfahrungen von der Gesellschaft, der Politik, demokratischen Institutionen wie den großen Medien entfremdet, wählen jetzt extrem, sind aber keine Extremisten. Die Liste der Probleme ließe sich deutlich verlängern!
Coronazeit muss aufgearbeitet werden
Sind wir also wirklich „eigentlich ganz gut durchgekommen“? Auch, wenn die Mehrheit sich nicht mehr mit Corona beschäftigen will: Wir brauchen unabhängige Kommissionen, die dieser Frage nachgehen und vielleicht auch unbequeme Antworten finden. Wir Medien sollten Licht in zum Teil noch unbeleuchtete Ecken der deutschen Coronapolitik bringen. Wie und warum zum Beispiel haben Regierung und Robert Koch Institut sich für weitreichende Einschränkungen entschieden? Dokumente dazu sind kürzlich freigeklagt worden. Es ist noch nicht zu spät, sich das genau anzuschauen.
Wir brauchen Podien, auf denen viele Positionen Platz haben, wo mit Respekt und auf Augenhöhe zugehört und auch gestritten wird, mit dem Bewusstsein, dass am Ende die Meinungen immer noch unterschiedlich sein können und dürfen. Nur so können wir als Gesellschaft bei allen Schäden durch Corona und die Folgen – besser zusammenfinden!
Serie: Was haben wir aus der Corona-Pandemie gelernt?
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