Vor neun Wochen wurde der Arzt, der seine Patientin sexuell missbraucht hat, verurteilt. Wegen fehlender Aufarbeitung innerhalb der Klinik hat eine Mitarbeiterin nun gekündigt.
Mitarbeitende der Uniklinik Tübingen haben die schleppende Aufarbeitung des Missbrauchsfalls an der dortigen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie kritisiert. Vor mehr als zwei Monaten wurde ein dort behandelnder Arzt vom Amtsgericht Tübingen zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die Begründung: Der 62-Jährige hatte seine 35-jährige Patientin über Monate hinweg sexuell missbraucht. Auch wenn der Sex größtenteils einvernehmlich gewesen sein soll, nutzte der Mann demnach das Behandlungsverhältnis zu seiner Patientin aus. Da sowohl die Nebenklägerin (die Betroffene) als auch der verurteilte Arzt Berufung eingelegt haben, wird der Missbrauchsfall nochmal vor der nächsthöheren Instanz verhandelt. In diesem Fall ist das das Landgericht Tübingen. Ein Termin dafür steht noch nicht fest.
Laut Beschäftigten untersagt die Klinik seit dem Urteil am Amtsgericht vor zwei Monaten eine Vollversammlung. Sie hatten gefordert, eine Möglichkeit zu bekommen, im Plenum Fragen zum Fall zu stellen und sich auszutauschen. Inzwischen hat die Uniklinik reagiert: Nun soll es im Juli eine solche Vollversammlung geben.
Kündigung an Uniklinik Tübingen wegen fehlender Transparenz
Eine Psychotherapeutin der Uniklinik ist so unzufrieden mit der fehlenden Aufarbeitung und Transparenz, dass sie ihren Job dort gekündigt hat. Sie und weitere Beschäftigte forderten seit den ersten Zeitungsartikeln zu dem Fall (der erste erschien im Dezember 2023 im Magazin "Der Spiegel") eine Aufarbeitung innerhalb der Klinik, sowie eine Möglichkeit, sich zu versammeln und darüber zu sprechen.
Laut Uniklinik ist eine Vollversammlung während eines Ermittlungsverfahrens unüblich. Doch auch nach Abschluss des Prozesses am Amtsgericht Tübingen dauerte es noch sechs Wochen einen Termin festzulegen. Das begründete die Uniklinik auf SWR-Anfrage mit Urlauben, Ferien und den vollen Kalendern der Klinikdirektion.
Zur geplanten Versammlung im Juli sind alle Beschäftigten der Psychiatrie eingeladen. Neben dem Ärztlichen Direktor Andreas Fallgatter soll auch eine Vertreterin des Klinikvorstands dabei sein. Es wird vor allem um die Vermeidung solcher Fälle gehen.
Uniklinik "analysiert und bewertet" den Missbrauch noch
Die Uniklinik Tübingen sei aktuell noch dabei, "den Fall eingehend zu analysieren und zu bewerten." Die Schutzkonzepte würden weiterentwickelt und auf die jeweiligen Klinikspezifika adaptiert. Dafür gebe es eine Arbeitsgruppe, so die Uniklinik auf SWR-Nachfrage.
Im Prozess am Amtsgericht Tübingen ging es am Rande auch darum, wieso das sexuelle Verhältnis zwischen Arzt und Patientin in der Klinik nicht auffiel. Der Arzt, der zu dem Zeitpunkt eine Weiterbildung zum Psychotherapeuten machte, dokumentierte die Therapiestunden nämlich nicht. Außerdem sei dem Arzt davon abgeraten worden, einen so "komplizierten Fall" zu behandeln. Doch die Hinweise auf Fehlverhalten verliefen sich wohl.
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Verurteilter geht gegen Kündigung der Uniklinik vor
Kurz nach Bekanntgabe des Urteils verkündete die Uniklinik, dem verurteilten Arzt zu kündigen. Etwa zwei Wochen später war es dann soweit. Dagegen klagt der Verurteilte nun vor dem Arbeitsgericht Reutlingen. Der Termin am Arbeitsgericht soll voraussichtlich Ende Juli stattfinden.
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