Der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel durfte nicht mit Jugendlichen eines Gymnasiums diskutieren. Er wurde ausgeladen - auch, weil eine Bundestagskollegin sonst abgesagt hätte.
Bei der Veranstaltung "Kepi trifft Politik" des Johannes-Kepler-Gymnasiums in Reutlingen sollten angehende Abiturienten die Möglichkeit erhalten mit Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen ins Gespräch zu kommen. Dafür hatten sie sich auf fünf aktuelle Themen vorbereitet. Die Veranstaltung fand am Montag statt, doch ohne den AfD-Abgeordneten Dirk Spaniel. Schulleiter Thomas Moser hatte ihm am vergangenen Mittwoch abgesagt.
Absage wegen CORRECTIV-Recherche
Als Grund nennt Moser dem SWR die CORRECTIV-Recherche unter der Überschrift "Geheimplan gegen Deutschland". "Seitdem ist etwas ins Rutschen geraten", sagt der Schulleiter des Reutlinger Gymnasiums. Seit dem Bericht über Vertreibungspläne unter anderem der AfD gehen Tausende Menschen in Deutschland für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Die Einladung der Schule an die Bundestagsabgeordneten erfolgte vor den Enthüllungen.
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund hätten dem Schulleiter berichtet, Angst zu haben, wenn sie das Wort Remigration hören. Ein aktuelles Thema, das die Jugendlichen vorbereitet haben, drehte sich um die Migrationspolitik.
Schülerin: Entscheidung nachvollziehbar
Von den Jugendlichen wollten sich gegenüber den anwesenden Medienvertretern am Montag nur wenige äußern. Eine von ihnen moderierte "Kepi trifft Politik". Sie bezeichnete die Entscheidung zwar als nachvollziehbar, weiter ins Detail möchte die Gymnasiastin jedoch nicht gehen. Wichtig sei, dass die Teilnehmenden des Leistungskurses Gemeinschaftskunde mit Bundestagsabgeordneten inhaltlich über die vorbereiteten Themen diskutieren könnten.
Die Diskussion um die kurzfristige Absage möchten die Verantwortlichen mit den Jugendlichen aufarbeiten. Ein Teil der Begründung irritiert vor allem die AfD: Vor der Absage hat Schulleiter Thomas Moser von der Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Grüne) erfahren, dass sie erwägt, ihre Teilnahme an der Veranstaltung abzusagen. Das Fass an Bedenken, das ohnehin schon randvoll gewesen sei, lief dann über, so Moser.
Müller-Gemmeke: Keine Bühne für AfD
Das Büro der Reutlinger Bundestagsabgeordneten war maßgeblich an der Organisation von "Kepi trifft Politik" beteiligt. Für die Absage sei sie nicht direkt verantwortlich. "Tausende, Millionen Menschen gehen auf die Straße und merken, dass diese Partei nicht mit unserer Verfassung konform ist", sagte die 63-Jährige dem SWR. Darauf müsse reagiert werden und das habe sie zum Ausdruck gebracht.
"Sie übt Druck aus auf den Schulleiter, der gemäß Beutelsbacher Konsens die Schüler neutral und breit informieren wolle und sollte", kritisiert der Specher des AfD-Kreisverbands Reutlingen Herbert Gah die Politikerin.
Spaniel kritisiert Schulleiter Moser
Der ausgeladene AfD-Politiker selbst kritisierte Schulleiter Thomas Moser schon kurz nach der erfolgten Absage in einem Video auf Youtube. Dirk Spaniel verweist darin auf missachtete Neutralität.
Absage beschäftigt Schulamt
Durch das Video wurde die Absage am Wochenende öffentlich. Auch das Schulamt befasst sich "aufgrund von Presseanfragen" aktuell mit dem Fall, wie ein Sprecher des Regierungspräsidiums Tübingen auf SWR-Nachfrage mitteilt. Das Gespräch zwischen Schulleiter Thomas Moser und der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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